Lehrer der Nelson-Mandela-Schule schreiben wieder Brandbrief an Senator Rabe: “Wir schlagen Alarm, weil mehr nicht geht.“

Wilhelmsburg. Es ist schon der zweite Alarmbrief von der Elbinsel, der Schulsenator Ties Rabe (SPD) erreicht: Das Kollegium der Nelson-Mandela-Stadtteilschule in Kirchdorf erklärt in dem Schreiben, dass es seine Aufgaben nicht mehr in der gebotenen Weise erfüllen kann und die Belastungsgrenzen der Pädagogen überschritten sind: "Wir schlagen Alarm, weil wir fürchten, dass wir den Schwächsten wie den Stärksten nicht mehr die Förderung geben können, die sie benötigen."

Erst Mitte Dezember hatten die Schulleiter der 14 staatlichen Schulen in Wilhelmsburg und auf der Veddel vor einem "Deichbruch" gewarnt, weil die "Grenzen der Belastbarkeit erreicht" seien. Viele Kinder kämen mit so großen Defiziten in die Schule, dass sie später nicht ausgeglichen werden könnten. Mehr als 50 Prozent der Drittklässler hätten Erstklässler-Niveau.

"Wir schlagen Alarm, weil mehr nicht geht", schreibt das Kirchdorfer Kollegium jetzt. Die Lehrer der Nelson-Mandela-Schule, in der 1000 Schüler aus mehr als 50 Nationen unterrichtet werden, nennen drei große Problembereiche: den Übergang Schule - Beruf, die zu großen Klassen und die Folgen der Inklusion.

"Das größte Problem liegt für uns in der zunehmenden Leistungsheterogenität unserer Schüler - bei gleichzeitig immer noch viel zu großen Lerngruppen", heißt es in dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt. Trotz der Bestimmung im Schulgesetz - höchstens 25 Kinder ab Klasse sieben - "bleiben Lerngruppen von bis zu 28 Schülern für uns Realität". Ein Grund seien die Schüler, die vom Gymnasium kommen.

Das Leistungspotenzial klaffe weit auseinander: "So findet sich in jeder Klasse ein Teil von Schülern, denen es schwerfallen wird, überhaupt den ersten Schulabschluss (Hauptschulabschluss, die Red.) zu schaffen, wie auch ein Teil, der seinen Weg in die gymnasiale Oberstufe geht, mit dem Ziel, das Abitur zu erreichen", schreiben die Kirchdorfer Lehrer. Zwar sei die Vorgabe der Schulbehörde, die Unterschiede durch Binnendifferenzierung zu überwinden, im Grundsatz richtig. "Aber: Individuelle Hilfen im Unterricht sind bei einer Zahl von mehr als 20 Schülern pro Lerngruppe ohnehin nicht mehr in jeder Stunde zu leisten", heißt es weiter.

Von den Schülern der Klassenstufen fünf bis zehn hatten nur 16 Jungen und Mädchen eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten. Die pädagogische Leistung der Schule zeigt sich darin, dass von den jetzigen Zehntklässlern voraussichtlich 36 Prozent in die Oberstufe wechseln werden.

"Mit der Einführung der Inklusion hat sich die Leistungsschere in den Klassen noch weiter geöffnet", schreiben die Lehrer. Nur bei 20 Prozent der Unterrichtsstunden könne eine Doppelbesetzung gewährleistet werden. Das Kollegium fordert Rabe auf, die Klassen auf eine Größe von höchstens 22 Schülern zu begrenzen und die Förderressourcen in den Inklusionsklassen zu verdreifachen

"Dass Senator Rabe die Umsetzung der Inklusion an Schulen in sozial schwieriger Lage schlicht ignoriert hat, fällt ihm nun als großes Problem auf die Füße", sagt Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. "Dieses Kollegium ist sicher kein Einzelfall."