Ein Dokument der Verzweiflung: Mehr als die Hälfte der Drittklässler auf den Elbinseln sind auf dem Stand der ersten Klasse.

Hamburg. Es ist ein Dokument der Verzweiflung: Die Schulleiter der 14 staatlichen Schulen in Wilhelmsburg und auf der Veddel schlagen in einem sechsseitigen Brief an Schulsenator Ties Rabe (SPD) Alarm. "An unseren Schulstandorten kommt es zu einer nicht mehr hinnehmbaren Häufung von Problemlagen", heißt es in dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt.

Die Pädagogen der tief liegenden Elbinseln warnen passend vor einem "Deichbruch" und melden eine "Überlastungsanzeige" für alle Mitarbeiter an. "Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht", schreiben die Schulleiter.

Ausgangspunkt der Klage sind die Schülerleistungen, die sich trotz aller Bemühungen nicht verbessert hätten. "Die durchschnittlichen Leistungen der Schüler in den Schulen der Elbinseln liegen unter dem Schnitt aller Hamburger Schulen", heißt es in dem Brief. Dann wird es konkret: Viele Grundschüler lägen in den Kompetenzbereichen "etwa zwei Jahre hinter dem Schnitt" aller Hamburger Schüler.

"Ca. 50 Prozent bis 75 Prozent des dritten Jahrgangs liegen unterhalb des Mindeststandards in den Kernkompetenzen Mathematik, deutsche Sprache und Sprachgebrauch sowie Leseverstehen", heißt es weiter. Diese Drittklässler befänden sich "auf Erstklässler-Niveau". Nur ein bis drei Prozent der Schüler erreichten die höchste Kompetenzstufe.

Die Schulleiter sehen als Ursache die schlechten Startbedingungen an. Der Migrationsanteil liege an den Schulen zwischen 80 und 90 Prozent. Ein überdurchschnittlicher Anteil komme aus bildungsfernen Elternhäusern. "Damit verbunden ist ein überdurchschnittlich hoher Anteil von Schülern, die weder die eigene Muttersprache noch die Verkehrssprache Deutsch in Schrift und Sprache ausreichend beherrschen", schreiben die Pädagogen.

Hinzu komme eine "große Zahl von Schülern mit verschiedensten Förderbedarfen (zum Beispiel sonderpädagogischen), die mit geringer Regelakzeptanz, erheblichen Erziehungsdefiziten und mangelhaftem Vorläuferwissen" in die Schulen kämen. "Die so zusammengesetzte Heterogenität führt zu einer pädagogischen Farce im Gegensatz zu den Ansprüchen und Erwartungen des traditionellen staatlichen Schulwesens", lautet die Kernbotschaft. An den Stadtteilschulen liege der Anteil der Schüler im unteren Leistungsbereich "zwischen 50 Prozent und 70 Prozent". Die Jungen und Mädchen wiesen "große - bis zu zwei Jahren - Lernrückstände" auf. Nur zwei Prozent der Jahrgänge 5, 6 und 8 seien "im oberen Leistungsbereich". Auch am Helmut-Schmidt-Gymnasium seien "durchschnittliche Lernrückstände von bis zu einem Jahr gegeben".

Die Schulleiter fordern, noch früher mit der Förderung zu beginnen, um die Defizite vor der Einschulung abzubauen. Außerdem machen sie eine Reihe von Vorschlägen - kleinere Klassen in den weiterführenden Schulen, doppelt besetzter Unterricht - zur Besserung der Lage. "Die Probleme sind über viele Jahre entstanden, und sie sind überwiegend nur politisch zu lösen", sagt Bodo Giese, Leiter der Kirchdorfer Nelson-Mandela-Stadtteilschule.

"Wir sehen das Schreiben als konstruktiv an", sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht. Am 17. Dezember gibt es ein erstes Gespräch der 14 Schuleiter mit Norbert Rosenboom, dem Leiter des Amtes für Bildung.