Justizsenatorin will Frauengefängnis von Hahnöfersand aus Kostengründen in die JVA Billwerder verlegen. Opposition übt heftige Kritik.

Altstadt. Die vom SPD-Senat geplante Verlegung der Frauenhaftanstalt von Hahnöfersand in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder hat zu einer scharfen Kontroverse in der Bürgerschaft geführt. "Mit dieser Entscheidung tragen Sie als Justizsenatorin die persönliche Verantwortung für die weiblichen Gefangenen", griff der CDU-Abgeordnete André Trepoll Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) in der Aktuellen Stunde direkt an.

"Sie lassen als Frauensenatorin gerade die Frauen im Regen stehen. Die ehemalige Prostituierte wird im Knast ihrem Zuhälter begegnen", setzte Stefanie von Berg (Grüne) nach. Schiedek ist auch Senatorin für Gleichstellung. "Die Verlegung kann nicht einfach rückgängig gemacht werden, wenn etwas schiefgeht", sagte die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider.

Darum geht es: Die SPD will den Strafvollzug für Frauen, der bislang separat auf der Elbinsel Hahnöfersand untergebracht ist, aus Kostengründen und zum Abbau von Haftplatz-Überkapazitäten in die JVA Billwerder verlegen. Rund 100 Frauen werden dann auf einem Anstaltsgelände mit 650 männlichen Gefangenen des geschlossenen Vollzugs untergebracht sein.

"Wir sind uns der Herausforderung bewusst", begegnete Justizsenatorin Schiedek den Vorwürfen. "Wir haben uns intensiv mit den Sorgen auseinandergesetzt." Es werde eine "striktere Trennung" von Frauen und Männern als in anderen deutschen Gefängnissen geben, in denen beide Geschlechter zusammen untergebracht sind. "Die Frauenanstalt wird personell und konzeptionell eigenständig sein", sagte Schiedek. Die Frauen hätten die Möglichkeit zu eigener Freizeitgestaltung und einen eigenen Schulungsbereich.

Allerdings sollen die weiblichen Gefangenen auch die vorhandene Infrastruktur der Vollzugsanstalt nutzen. Dazu zählen Ärzte, die Krankenstation und der Supermarkt. Um zu verhindern, dass die Frauen in Kontakt mit den männlichen Gefangenen kommen, müssen sie immer von Wachpersonal begleitet werden. "Das wird ein Wanderzirkus: Jeder Gang zum Arzt oder zum Drogenberater muss begleitet werden", sagte der Grünen-Justizpolitiker Farid Müller. "Gehen Sie einmal mit einer Frau durch die Abteilung einer Männeranstalt. Man findet keine Worte dafür, was man da zu hören bekommt", sagte auch Trepoll.

Der CDU-Politiker warf Schiedek vor, mit dem Frauengefängnis auf Hahnöfersand eine "bewährte, bestehende Struktur ohne Not zu zerschlagen". Die Front der Kritiker ist ungewöhnlich groß. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hat sich ebenso dagegen ausgesprochen wie die Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidiger. Die frühere Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) sowie weitere Strafvollzugsexpertinnen haben Schiedek und die SPD-Mehrheitsfraktion eindringlich vor der Verlegung gewarnt.

Doch große Resonanz haben die kritischen Stimmen bislang nicht gefunden. "Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass die Verlagerung des Vollzugs vertretbar ist", sagte der SPD-Justizpolitiker Urs Tabbert. Seit einem Jahr lägen die Pläne vor, es sei lange darüber diskutiert worden. In einer Expertenanhörung hatten fünf von sechs Fachleuten Kritik an dem Plan geübt. Die SPD beruft sich auf den sechsten Experten, den Leiter der brandenburgischen Vollzugsanstalt Luckau - Duben, in der Frauen und Männer gemeinsam untergebracht sind. "Entweder die Opposition legt ein alternatives Konzept zur Neustrukturierung des Strafvollzugs vor oder sie gibt ihre Blockade auf", forderte Tabbert.

"Der SPD geht es nur darum, den Senat gut aussehen zu lassen. Es geht nicht darum, ob die Verlegung eine gute Idee ist", zürnte dagegen Müller. Und auch Trepoll sprach davon, die SPD wolle mit dem Kopf durch die Wand. "Frau Schiedek, verwechseln Sie nicht politisches Durchhaltevermögen mit Unbelehrbarkeit", sagte der CDU-Politiker an die Adresse der Senatorin.

Auch die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels sprach sich gegen die Verlegung der Haftanstalt aus und forderte einen stärkeren Ausbau des offenen Vollzugs. Allerdings sagte die Liberale auch selbstkritisch, dass der Bau der JVA Billwerder unter der Regierungsbeteiligung der FDP vor zehn Jahren überdimensioniert und ein Fehler gewesen sei. Damals hatte Justizsenator Roger Kusch (früher CDU, heute parteilos) das Haus mit 800 (statt 400) Haftplätzen des geschlossenen Vollzugs durchgesetzt, obwohl absehbar war, dass die Gefangenenzahl insgesamt sinken würde. Heute gibt es 3100 Haftplätze, aber nur rund 1700 Gefangene.

Den Vorschlag von Trepoll, eine Art überparteilichen "Gefängnisfrieden" zu schließen, sich also auf ein Konzept zur Neustrukturierung des Strafvollzugs zu einigen, lehnt die SPD ab. Einen kleinen Erfolg konnten die vier Oppositionsfraktionen dennoch in der vergangenen Woche verbuchen. Zunächst hatte die SPD im Justizausschuss die Abstimmung über die Verlegung der Frauenhaftanstalt durchgedrückt, obwohl die Grünen eine weitere öffentliche Anhörung wegen vieler offener Fragen beantragt hatten. Die Juristen der Bürgerschaftskanzlei bremsten die SPD: Das Minderheitenrecht einer Anhörung hat Vorrang, die Abstimmung war ungültig. Jetzt muss weiter beraten werden.