Bürgermeister Olaf Scholz und seine Delegation besuchten zum Auftakt in Neu-Delhi einen Sikh-Tempel

Neu-Delhi. Kalter Rauch. Der erste Geruch, der einem im klimatisierten Flughafengebäude von Neu-Delhi in die Nase fährt, ist der von verbranntem Holz. Die Kühlmaschinen vermögen es nicht, ihn aus der Luft herauszufiltern. Und so kündet dieser Geruch schon bei der Ankunft von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit einer gut 40-köpfigen Wirtschaftsdelegation in Indiens Hauptstadt von einer fremden Welt.

Doch schon auf der Fahrt vom Flughafen ins Diplomatenviertel der Stadt zeigt sich Indien überraschend vertraut. Der Rauch ist verschwunden, die Hauptstraße tadellos asphaltiert, in den Parks stehen Laubbäume, die den einheimischen überraschend ähneln. Von der enormen Größe der öffentlichen Grünflächen, auf denen Einheimische schon am frühen Sonntagmorgen Cricket spielen, einmal abgesehen, könnte man sich fast in südeuropäischen Gefilden wähnen. Die Luft ist angenehm warm. Es deutet also zunächst wenig darauf hin, dass sich die Delegation auf dem sich rasant entwickelnden Subkontinent befindet, in einem Land, in dem rund 1,2 Milliarden Menschen leben. Es gibt Schätzungen, wonach Indien China schon etwa vom Jahr 2020 an als einwohnerstärkstes Land der Erde abgelöst haben wird. Dann wird wohl rund eine halbe Milliarde Menschen in Indien zur Mittelschicht gehören.

Und von der sollen Hamburgs Unternehmen profitieren. Deshalb ist ebenso Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) mitgereist. Auch die Spitzen der Handelskammer, der Hamburger Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth, Siemens-Nord-Chef Michael Westhagemann, Jens Meier, Chef der Hafenbehörde HPA und Messechef Bernd Aufderheide sind unter anderem dabei. In den anstehenden Treffen, die bis Ende der Woche eingeplant sind, geht es vor allem um Themen wie erneuerbare Energien, Hafen und Logistik sowie Biotechnologie und Medizintechnik. Die Vertreter der Handelskammer sollen sich um die in Hamburg aktiven indischen Investoren kümmern. Es sind bislang nur 40 indische Firmen, die sich in der Hansestadt umtun. Etwa 470 Hamburger Unternehmer pflegen Geschäftsbeziehungen mit Indien.

Olaf Scholz ist der erste Hamburger Bürgermeister, der nach Indien reist. Umgekehrt habe es ja bereits ein Treffen gegeben, sagt Scholz, während er vor dem India Gate, einem Triumphbogen, dem Wahrzeichen Neu-Delhis, steht. Indiens erster Ministerpräsident Nehru war nämlich in Hamburg, 1956 war das. Damals erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität. "Und dies ist jetzt der Gegenbesuch", bemerkt Scholz augenzwinkernd.

Doch vor den Treffen mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden oder des Außenministeriums steht für den Bürgermeister Tuchfühlung mit Neu-Delhi und seinen Menschen auf dem Programm. Auf der Fahrt zum Sikh-Tempel Gurdwara Bangla Sahib erscheinen die Linien auf der dreispurigen Straße lediglich Verzierung zu sein. Munter fahren die Ortsansässigen auch schon mal zu fünft hupend aneinander vorbei. Das laute Hupen verstärkt nur auf den ersten Blick das vermeintliche Chaos. Tatsächlich sorgt es für Ordnung im Verkehr. Eine ungewohnte zwar, aber brenzlige Situationen sind schon wegen der verstopften Straßen selten. Kurz darauf in der U-Bahn werden die Unterschiede noch deutlicher. Der persönliche Distanzbereich ist praktisch nicht mehr vorhanden. Das ist gewöhnungsbedürftig, genauso wie die Sicherheitsmaßnahmen in den neuen Bahnhöfen, in welche die modernen Züge einfahren. Dort muss jeder Fahrgast wie am Flughafen seine Tasche durchleuchten lassen und durch einen Metalldetektor gehen. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten achten darauf, dass sich jeder daran hält. Die letzten Meter zum Tempel der Sikh im Herzen der Stadt erfüllen dann alle Klischees, dies es von Indien gibt. Bettler mit amputierten Gliedmaßen sitzen in den nach Urin und Müll stinkenden Gassen. Eine Frau sitzt daneben, vor ihr liegt ein Säugling im Dreck. Ob Letzteres hier, wo auch viele Touristen vorbeikommen, nur eine makabere Inszenierung oder tatsächliches Elend ist, wird nicht klar.

Im Tempel angekommen, muss sich der Besucher Scholz Schuhe und Strümpfe aus- und ein orangenfarbenes Tuch über den Kopf ziehen. Barfuß und mit der ungewöhnlichen Kopfbedeckung geht es in den Gebetsraum, in dem sich der Bürgermeister und Wirtschaftssenator Horch kurz auf einem Teppich im Schneidersitz niederlassen. Anschließend besuchen sie die Tempelküchen, in denen Fladen gebacken und Reis in riesigen Kesseln gekocht wird. Hier findet die Armenspeisung statt, jeden Tag von 7 bis 23 Uhr.

Es sind diese Bilder und Gerüche, die bleiben. Zwei Eindrücke nimmt Olaf Scholz mit: "Die Philosophie des Teilens von Wissen und Ressourcen finde ich beeindruckend. Außerdem ist der Unterschied zwischen den Menschen in Indien, die viel haben, und denen, die wenig haben, bemerkenswert groß."