Am kommenden Donnerstag reisen die Kultusminister der 16 Länder an, um sich im Rathaus zur 339. Plenarsitzung ihrer Konferenz zu treffen.

Wenn die Kultusminister der 16 Länder am kommenden Donnerstag anreisen, um sich im Rathaus zur 339. Plenarsitzung ihrer Konferenz zu treffen, dann hat Bayerns Staatsminister für Unterricht und Kultus, Ludwig Spaenle, wahrscheinlich Landestypisches im Gepäck: eine Lederhose. Nein, Spaenle möchte nicht in Tracht über so ernste Themen wie Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife oder die Weiterentwicklung der Sprachförderung und Sprachdiagnostik mit seinen Kollegen diskutieren.

Die Lederhose in Hamburg wäre vielmehr ein Beleg dafür, dass es bei den Sitzungen der Kultusministerkonferenz (KMK) zumindest gelegentlich doch etwas lebhafter zugeht, als es das Vorurteil der KMK gegenüber glauben machen will. Als die Minister und Senatoren vor Wochenfrist in Berlin von den Wissenschaftlern des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) über die Ergebnisse des Ländervergleichs der Grundschülerleistungen informiert wurden, herrschte zunächst einmal Ratlosigkeit bei den Politikern. Die einen (zum Beispiel Spaenle) freuten sich zwar ziemlich unverhohlen darüber, dass sie wieder das Ranking anführten. Die anderen, zu denen auch Schulsenator Ties Rabe (SPD) zählte, dachten schon an die unerfreuliche Debatte zu Hause. Hamburgs Schüler landeten - wieder einmal - auf einem der letzten Ränge: Platz 14, schlechter waren nur noch Berlin und Bremen.

Nur warum das so ist, konnten die Wissenschaftler nicht beantworten. "Wir liefern Zahlen und Daten, aber keine Ursachen", lautete die knappe Botschaft der Bildungsforscher. Deswegen ist es auch so schwer, politische Konsequenzen aus den Messergebnissen zu ziehen. "Wenn ich wüsste, dass es hilft, würde ich dafür sorgen, dass in Hamburg alle Kinder in Lederhosen unterrichtet werden", sagte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) in einem Anflug von Verzweiflung mit Blick auf den Dauersieger Bayern. Das war der Moment, in dem Spaenle für Heiterkeit in der Runde sorgte, weil er seinem Ministerkollegen aus dem Norden ein Testexemplar versprach - gewissermaßen zum Selbstversuch.

Geprüft wurden die Viertklässler in den Bereichen Lesen, Hörverständnis und Mathematik. Der Lernabstand zwischen dem unangefochtenen Spitzenreiter Bayern und den Schlusslichtern beträgt ein Schuljahr und mehr. Trotz der fehlenden Ursachenanalyse sorgte die Vergleichsstudie sofort für eine lebhafte Debatte unter den Kultuspolitikern. Die Kernaussagen wie der große Einfluss des Migrationshintergrunds und des sozialen Status der Eltern auf die Schülerleistungen waren nicht neu. Hellhörig wurden die Minister und Senatoren jedoch, als es darum ging, dass Kinder besser lernen, wenn sie von Lehrern unterrichtet werden, die das Fach auch selbst studiert haben.

Das ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, wie man vielleicht meinen sollte. In Hamburg unterrichten laut IQB-Studie 48,1 Prozent der Grundschullehrer Mathematik, ohne das Fach studiert zu haben. Jedenfalls in dieser fragwürdigen Disziplin ist Hamburg bundesweit Spitzenreiter. Die Wissenschaftler wollen nun herausgefunden haben, dass die Schüler ihren Lernstand um fast ein Drittel Schuljahr verbessern, wenn sie von "echten" Mathelehrern unterrichtet werden.

Das Problem der Politiker: Vor wenigen Jahren hatten Wissenschaftler ihnen erzählt, dass es am besten für die jüngsten Schüler sei, wenn sie von nur einer Lehrerin als fester Bezugsperson in praktisch allen Fächern unterrichtet würden. Das Klassenlehrerprinzip hatte in vielen Ländern Konjunktur (nicht in Bayern), die Studienfächer waren nicht mehr so wichtig. Manchen Kultusminister empörte der abrupte Wechsel der wissenschaftlichen Überzeugung doch sehr. Rabe soll als Moderator nach Aussagen von Teilnehmern Mühe gehabt haben, die Debatte nicht ausufern zu lassen.

Wenn KMK-Präsident Rabe die Plenarsitzung am Donnerstag um 11 Uhr im Großen Festsaal eröffnet, dann steht die Vergleichsstudie nicht auf der Tagesordnung. Es spricht einiges dafür, dass die Konferenz bildungspolitisches Schwarzbrot aufgetischt bekommt. Unter anderem geht es um eine Qualitätsoffensive Lehrerbildung und die Besoldung von Uni-Professoren.

Verblüffend: Vor elf Jahren, als die KMK zuletzt in Hamburg tagte, waren die Themen, die unter dem Vorsitz der damaligen baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU, heute Bundesbildungsministerin) angesprochen wurden, zum Teil die gleichen wie heute: Probleme und Chancen der Zuwanderung stehen ebenso erneut auf der Tagesordnung wie die Anerkennung von Abschlüssen. Die Arbeit in der Kultusministerkonferenz, in der sich 16 Landespolitiker mit sehr eigenen Interessen zusammenraufen sollen, gleicht dem sprichwörtlichen geduldigen Bohren dicker Bretter.

Doch einmal zumindest hat Hamburg auch KMK-Geschichte geschrieben: Mit dem "Hamburger Abkommen" vom 28. Oktober 1964 wurde unter anderem die verbindliche Einführung des Schuljahrsbeginns im August beschlossen. Das bedeutete für die meisten Länder den Abschied von Ostern als Einschulungstermin mit der Folge von Kurzschuljahren für den Übergang.

Eine neue Grundsatzvereinbarung ist für die kommende Woche nicht geplant. Mit feinem Sinn für Selbstironie lädt Rabe seine Ministerkollegen jedoch zum traditionellen Abendessen in ein Restaurant direkt gegenüber der ruhenden Baustelle der Elbphilharmonie ein - einem Mahnmal für das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit. Das soll ja gelegentlich auch in der Bildungspolitik zu beobachten sein.