Es gab in dieser Woche gleich mehrere Themen, bei denen Abgeordnete ernsthaft mit dem Hamburger Senat aneinandergerieten.

Hamburg. Am Mittwoch um kurz vor halb sechs hatte Olaf Scholz gut lachen. In der Bürgerschaftsdebatte über die Elbphilharmonie erinnerte Andreas Wankum (CDU) den Bürgermeister daran, dass er und der damalige Bundespräsident Christian Wulff 2011 bei einem Rundgang durch die HafenCity angekündigt hätten, das Konzerthaus gemeinsam eröffnen zu wollen. Diese Bemerkung sorgte bei Scholz für einen ungewöhnlichen Gefühlsausbruch: Lachend und mit weit ausgebreiteten Armen blickte er in die Runde, als wollte er sagen: Was kann ich denn dafür, dass der Wulff nicht mehr Präsident ist?

Aus dem kurzen Moment der Heiterkeit zu schließen, das Parlament bereite dem Senat vor allem Freude, wäre aber grundfalsch. So gab es in dieser Woche gleich mehrere Themen, bei denen Abgeordnete ernsthaft mit dem Senat aneinandergerieten.

Da war zum Beispiel das Thema Schulbau. Seit Wochen versuchte CDU-Schulexperte Robert Heinemann mittels schriftlicher Kleiner Anfragen zu erfahren, wann und wo die vom Senat angekündigten zwei Milliarden Euro verbaut werden sollen. Der Erkenntnisgewinn hielt sich aber in Grenzen, und so schaltete Heinemann Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) ein und bat sie um Überprüfung des Vorgangs. Mit Erfolg. Am 4. September schrieb Veit an Bürgermeister Scholz, ihren Parteifreund, sie teile Heinemanns Auffassung, dass der Senat doch mehr wisse, als er mitteile, und bat um eine überarbeitete Antwort.

Bemerkenswert daran ist nicht nur der Vorgang an sich, sondern die Tatsache, dass es bereits die 37. Beschwerde dieser Art in den eineinhalb Jahren seit dem Regierungswechsel war. Und in 25 Fällen (68 Prozent) hat die Präsidentin, zu deren vornehmsten Aufgaben es gehört, die Rechte der Opposition zu schützen, der Kritik mindestens teilweise zugestimmt. Zum Vergleich: In den drei Jahren zuvor gab es nur 28 solcher Beschwerden, von denen sich 17 (61 Prozent) als begründet erwiesen.

Warum der Senat möglicherweise so sparsam mit Informationen zur Schulsanierung umging, erschloss sich am Dienstag: Da stellte Schulsenator Tief Rabe (SPD) das komplette Bauprogramm bis 2019 vor - so einen Termin lässt man sich natürlich ungern vermasseln, indem man die Daten vorab in einer Kleinen Anfrage preisgibt.

Parallel fand die Auseinandersetzung um Heinemanns Anfragen eine fast schon skurrile Fortsetzung. Dazu muss man zunächst den Weg dieser Papiere skizzieren: Die Abgeordneten reichen Fragen bei der Bürgerschaftskanzlei ein, diese leitet sie an den Senat weiter, der dann binnen acht Tagen die Antworten auf dem gleichen Weg zurückschicken muss. Als Heinemann am 3. September um 16 Uhr mehrere Fragen dazu einreichte, seit wann der Senat von der Abwertung der Schulgebäude um 740 Millionen Euro wusste, konnte er also davon ausgehen, bis Dienstag, 11. September, die Antworten zu erhalten. Bekam er aber nicht. Auch nicht am Mittwochmorgen, oder -mittag. So ging Heinemann um 15 Uhr ohne das Wissen aus der Anfrage in die Bürgerschaftsdebatte zum Thema Schulbau. Zwei Stunden nach Ende der Debatte bekam er die Antworten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Der Senat wusste übrigens seit Mai von dem Abschreibungsbedarf.

Die Senatskanzlei erklärt den Vorgang damit, dass die Anfrage dort erst am 4. September eingegangen sei, man also mit der Beantwortung bis Mittwoch, 12., Zeit hatte und diese Zeit in der Regel ausschöpfe. Doch unabhängig davon hatte der Senat die Antworten bereits am Dienstag abgesegnet, das Papier trägt das Datum 11. September.

Wie nickelig und bisweilen unfair es zwischen Regierung und Opposition zugeht, musste in dieser Woche auch Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt erfahren. In den Haushaltsausschuss kam die SPD-Politikerin mit einem Entwurf ihres Behördenetats, in dem noch etliche Daten fehlten - allerdings überwiegend solche, die die Hochschulen der Behörde schlicht noch nicht zugeliefert haben. Das war den Abgeordneten auch vorher bekannt und hatte sie nicht abgehalten, das Zahlenwerk Ende August im Wissenschaftsausschuss sieben Stunden lang zu beraten. Den Haushaltspolitikern passte das aber nicht, und so regte Roland Heintze (CDU) an, die Beratung auf den 16. Oktober zu vertagen. Binnen Sekunden nickten sich die entscheidenden Personen zu, inklusive Stapelfeldt und SPD-Haushaltsexperte Jan Quast: Okay, können wir so machen. Als skandalös, so beteuern Sozialdemokraten, habe das an diesem Dienstagabend gegen 21 Uhr niemand empfunden.

Die Wahrnehmung der Opposition war freilich eine andere. Am Mittwochmorgen verbreiteten CDU, FDP und Grüne die Nachricht von einer bösen Klatsche für die Senatorin. "Nicht beratungsfähig" sei ihr Etat, dafür habe sie zu Recht die "politische Höchststrafe" erhalten, dröhnte Wieland Schinnenburg (FDP). Thilo Kleibauer (CDU) formulierte es vorsichtiger, aber in der Sache ähnlich: "Dass auch die eigene Fraktion den Entwurf von Senatorin Stapelfeldt für nicht beratungsfähig hält, sollte dem SPD-Senat zu denken geben."

Gab es auch. Den Genossen dämmerte langsam, welche Vorlage sie der Opposition gegeben hatten. Die Frage war nur: wissentlich oder ungewollt? Hinter vorgehaltener Hand räumen zwar einige ein, dass dieser Behörden-Etat nicht gerade der sauberste ist. Aber derart verheerende Reaktionen seien völlig unberechtigt, daher habe niemand damit gerechnet. Folglich sahen die Genossen nun die Notwendigkeit, die eigene Senatorin zu schützen. Das Krisenmanagement brachte schließlich die Sprachregelung von dem missbrauchten Entgegenkommen hervor. "Wir wollten der Opposition mit der Vertagung entgegenkommen", betonte Fraktionschef Andreas Dressel. "Wenn daraus so ein Skandal gemacht wird, werden wir uns künftig überlegen, ob wir das noch einmal machen."

Die Frage könnte sich schon bald stellen, denn vor allem die CDU setzt kräftig auf das Thema Finanzen. "Die härtesten Haushaltsberatungen, die wir je hatten", kündigte Fraktionsvize Heintze an. Für neutrale Beobachter bedeutet das vor allem eins: Langweilig wird es nicht.