Andreas Dey, Redakteur im Ressort Landespolitik des Hamburger Abendblatts, verfolgt die Geschehnisse rund um die Baustelle Elbphilharmonie.

Hamburg. Zu den weit verbreiteten, aber dadurch nicht richtigeren Klischees über die Elbphilharmonie gehört, dass sie ein Projekt für die oberen Zehntausend in Hamburg wird. Tatsächlich sind Angebote für Kinder und Schulen ebenso Bestandteil des Konzepts wie günstige Ticketpreise, um allen Bevölkerungsschichten den Besuch des Konzerthauses zu ermöglichen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat sich daher einen prägnanten Satz zurechtgelegt, mit dem er stets den Vorwurf kontert, sein Senat fördere ein elitäres Prestigeprojekt: "Jedes Kind in Hamburg soll einmal die Elbphilharmonie besuchen."

Dieses Werben um Akzeptanz ändert aber nichts daran, dass das Projekt auch und vor allem in den betuchteren Kreisen besondere Beachtung findet - und dort kürzlich einen kleinen Skandal auslöste. Das kam so: Der Rotary Club Hamburg hatte bei einem seiner wöchentlichen Treffen Johann C. Lindenberg eingeladen, einen Vortrag über das "Projekt Elbphilharmonie" zu halten. Der ehemalige Unilever-Chef ist durchaus berufen, über das Thema zu berichten, denn er ist seit 2008 Aufsichtsratsvorsitzender der Elbphilharmonie Bau KG, der offiziellen Auftraggeberin für den Bau des Konzerthauses. Die KG tritt nach außen kaum in Erscheinung, da sie die operative Führung des Projekts der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe überlässt - deren Geschäftsführer Heribert Leutner und Dieter Peters führen gleichzeitig die Bau KG. Auf dem Papier allerdings hat sie enorme Bedeutung. Bei den regelmäßigen, mehr oder weniger freundlichen Briefwechseln zwischen dem Baukonzern Hochtief und der Stadt vertritt die Bau KG die städtischen Interessen, ist also Ansprechpartner und zugleich offizieller Gegenspieler von Hochtief.

Auf die Ausführungen des ehrenamtlichen Aufsichtsratschefs durfte man also gespannt sein - dachte sich wohl auch Thomas Möller. Der Leiter der Hamburger Hochtief-Niederlassung saß jedenfalls unter den etwa 70 Rotariern, die sich wie jeden Mittwoch im Hotel Vierjahreszeiten versammelt hatten. Das jedoch deckte sich nicht mit Lindenbergs Vorstellungen von der Veranstaltung. Der frühere Spitzenmanager, selbst kein Rotarier, soll schon im Vorfeld klargestellt haben, dass er zwar gern eine Rede halte, aber keinen offenen Konflikt mit dem Hochtief-Chef wolle. Diesem wurde daher signalisiert, dass der Vortrag nicht stattfinden könne, wenn er im Saal bleibe. Möller, so ist zu hören, soll einigermaßen befremdet gewesen sein. Verständlich, denn in diesen ehrenwerten Gesellschaften, denen schon Konrad Adenauer und Thomas Mann angehörten, ist es üblich, dass jedes Mitglied eines Rotary Clubs an allen Veranstaltungen anderer Clubs teilnehmen darf. Und der Hochtief-Chef ist seit Jahren selbst Rotarier, zwar nicht im 1927 gegründeten Rotary Club Hamburg, sondern in einem jüngeren, aber das spielt ja, wie gesagt, keine Rolle. Theoretisch hätte er bleiben dürfen. Praktisch nicht. Bevor sich die Fronten endgültig verhärteten, gab Möller nach - und ging.

Viel Neues hätte er ohnehin nicht gehört, denn Lindenberg sprach vor allem über die Geschichte der Elbphilharmonie und wie es zu dem nun schon zehnmonatigen Baustillstand kommen konnte - dass er die Hauptschuld daran Hochtief zuschreiben würde, war vorher klar. Einige Beobachter fragten sich daher auch, was Möller bei der Veranstaltung wollte. Umgekehrt kursiert in der Hamburger Gesellschaft, in der der Vorfall nun die Runde macht, aber auch die Frage, warum Lindenberg die Anwesenheit seines Kontrahenten nicht einfach ignoriert hat. "Souverän war das von beiden nicht", sagt ein Beobachter.

Von Bedeutung ist diese Anekdote, weil sie sinnbildlich steht für die Gesamtsituation der Elbphilharmonie. Denn abgesehen von harten inhaltlichen Auseinandersetzungen darum, was, wie, in welcher Zeit und für wie viel Geld gebaut werden soll, ging es immer auch um persönliche Befindlichkeiten und mittlerweile um tief sitzendes Misstrauen - auf beiden Seien. So musste im Herbst 2008 der damalige Projektkoordinator und ReGe-Chef Hartmut Wegener gehen - unter anderem, weil seine ruppige Art viele Beteiligte verärgert hatte. Nachfolger wurde Heribert Leutner, der erst kurz zuvor als Wegner-Stellvertreter die Brocken hingeworfen hatte. Zeitgleich zog Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinen Senatskanzleichef Volkmar Schön vom Aufsichtsratsvorsitz der Bau KG ab, weil er Sorge hatte, sein engster Mitarbeiter könnte ins Schussfeld der Elbphilharmonie-Kritiker geraten. Schöns Nachfolger wurde Lindenberg.

Bezeichnend: Während dieser seinen Vortrag bei den Rotariern dann doch noch hielt, saßen fast zeitgleich im Rathaus Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), die parteilose Kultursenatorin Barbara Kisseler und Hochtief-Manager Marcelino Fernández Verdes zusammen und berieten über die Neuordnung des Projekts. Das Trio soll sich gut verstehen, vor allem, weil der Spanier maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass im Juli ein Eckpunktepapier zustande kam, auf dessen Basis nun die Verträge überarbeitet werden sollen.

Leutner und Möller, zwei ganz entscheidende Figuren dieses Dramas, waren hingegen zum wiederholten Mal nicht dabei. Wer das hinterfragt, hört hinter vorgehaltener Hand: "Das hat atmosphärische Gründe ..."