Gregor Hackmack erfand abgeordnetenwatch.de, exportiert die Idee nun ins Ausland. Sein Ziel: Als sozialer Unternehmer positiv die Welt verändern.

Hamburg. Angefangen hat eigentlich alles mit einem Kampf um günstigere Brötchenpreise und einem Getränkeautomaten in der Schule. In der 12. Klasse besetzte Gregor Hackmack mit seinen Mitschülern in Dannenberg die Schulturnhalle, damit keine Polizisten wegen einer Demonstration gegen Atomkraft dort übernachten konnten. Eine Aktion mit Folgen: Bis heute dürfen keine Polizisten im Wendland in öffentlichen Turnhallen übernachten. "Wenn man dort groß geworden ist, wächst man automatisch in den Widerstand hinein", sagt der 35-Jährige, der bereits mit 13 Jahren seine Eltern zum Demonstrieren motivieren wollte.

Hackmack lächelt, wenn er von seiner Schulzeit spricht, "die ja schon so verdammt lang her ist", ihn jedoch politisch sehr geprägt habe. "Damals habe ich registriert, dass man mit Engagement das Gemeinwohl positiv beeinflussen kann", sagt der Politologe. In eine Partei ist er jedoch nie eingetreten. Zu groß die Befürchtung, dass ihn dies blockieren würde. Politik könne man schließlich auch außerhalb von Parlamenten machen - durch Bürgerinitiativen zum Beispiel, so Hackmack. "Einzig Transparenz und Kommunikation sind wichtig. Man muss die Demokratie wirklich pflegen, sonst kann sie nicht funktionieren."

Die Demokratie pflegen: Das scheint sich Gregor Hackmack zu seiner Lebensaufgabe gemacht zu haben. Der Mitbegründer des Politikportals a bgeordnetenwatch.de , der gleichzeitig Vorstandsmitglied von Mehr Demokratie in Hamburg ist, verbindet politische Arbeit mit unternehmerischen Gedanken. Das Portal wird aus Spenden finanziert. Dieses Konzept hat ihm 2008 den Titel des Ashoka-Entrepreneurs eingebracht - eine internationale Auszeichnung für Menschen, die als soziale Unternehmer positiv die Welt verändern. Und genau das ist sein Bestreben.

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Hackmack kommt viel herum. Und aufgrund eines großen Netzwerks trifft er auf seinen Reisen auf Menschen wie Google-Chef Larry Page oder den ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, er nimmt am Weltwirtschaftsforum in Davos teil - gegen das er vor Jahren noch protestiert hat.

Trotzdem ist er auf dem Boden geblieben, nicht abgehoben, sitzt gemeinsam mit seinen Kollegen in einem kleinen Büro am Mittelweg. Gemeinsam geht es mittags zum Essen in die Uni-Mensa, ein paar Hundert Meter Luftlinie vom Büro entfernt. Grundsätzlich kümmert er sich sehr um das Wohl seiner Mitarbeiter. "Ich versuche, immer ein Vorbild zu sein und pünktlich nach Hause zu gehen", sagt Hackmack.

Wenn Gregor Hackmack von seiner Arbeit redet, merkt man, wie sehr er sich selbst für etwas begeistern kann. Mit genau so viel Euphorie spricht er auch heute noch von seiner eigens gegründeten Schülerzeitung "Blah", in Anlehnung an die "Bild"-Zeitung - genauso boulevardesk, nur wesentlich kritischer. Natürlich war die Zeitung unabhängig, finanziert durch Anzeigen der örtlichen Eisdiele - kopiert wurde außerhalb der Schule.

"Und wir haben richtige Skandale aufgedeckt, herausgefunden, warum die Brötchen teurer geworden sind, und kritisch darüber berichtet, wenn der eine oder andere Lehrer unfair in der Benotung war", sagt Hackmack und lacht. "Schon damals habe ich gesehen, was passiert, wenn man für Transparenz sorgt: Es bewegt sich etwas." Die Brötchenpreise wurden zwar nicht wieder herunterkorrigiert, die Lehrer achteten jedoch mehr auf ihre Benotung.

Nach einem Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und einem Master der Politischen Soziologie an der renommierten London School of Economics fühlte sich Hackmack dazu berufen, für Fairness und Transparenz in der Politik zu sorgen. Ein Schlüsselerlebnis für ihn war die Demonstration von drei Millionen Briten im Londoner Hyde Park im Jahr 2003 gegen den Irakkrieg. "Als sich die Regierung dann für einen Einsatz aussprach, war für mich klar: Diese Politiker handeln nicht im Willen des Volkes - sie repräsentieren ihre Wähler nicht."

Mit diesen Erfahrungen kehrte Hackmack nach Deutschland zurück - in einer WG-Küche entstand die Idee für abgeordnetenwatch.de. "Es ist meine Überzeugung, dass die Bürger zu den Personalchefs der Politiker werden müssen", sagt Hackmack. "Und mit unserer Plattform geben wir den Menschen das Werkzeug dafür." Ende 2004 ging die Plattform online. In seinem Kollegen Boris Hekel fand er den perfekten Geschäftspartner. Hekel ist der technische Kopf des Online-Portals.

Und die Internetseite kommt gut an. Mittlerweile wurde das Konzept bereits in mehrere Länder exportiert, im Herbst gehen die Seiten in Irland und Tunesien online. Aus Hamburg wird Unterstützung geleistet, jedoch betreiben die Organisationen in den verschiedenen Ländern die Seiten selbstständig. "Demokratie wird somit erfolgreich exportiert", sagt Hackmack stolz.

Und die meisten Dinge, die Hackmack anpackt, werden zu etwas ganz Großem. So war er noch vor der Gründung von abgeordnetenwatch.de als einer der wichtigsten Akteure bei der Hamburger Wahlrechtsreform 2004 beteiligt, das die Wahl der Politiker personalisieren sollte. Zwar wurde dieser Vorstoß durch die damalige CDU-Regierung wieder eingeschränkt, jedoch einigte man sich 2009 auf einen Kompromiss, der seitdem im Hamburger Wahlrecht angewendet wird. Zuletzt trieben Hackmack und seine Mitstreitern das im Juni verabschiedete Transparenzgesetz voran.

Und er hat noch viel vor, denn: "Der Prozess ist das Ziel in der Demokratie - nicht zwangsläufig das Ergebnis."