SPD-Abgeordneter zieht sich aus Bürgerschaft zurück. Reeder war Ansprechpartner für Unternehmer vor allem der Hafenwirtschaft.

Hamburg. Er war ein zentrales Element der wirtschaftspolitischen Strategie von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD): Der 48 Jahre alte Großreeder und Unternehmer Erck Rickmers, seit Anfang 2011 SPD-Mitglied und Bürgerschaftsabgeordneter, war Gesicht und Ansprechpartner seiner Partei für Unternehmer vor allem der Hafenwirtschaft.

Gestern Nachmittag erklärte der Reeder mit dem berühmten Namen überraschend "aus unternehmerischen Gründen" seinen Rückzug aus der Politik. Ende August wird Rickmers sein Abgeordnetenmandat niederlegen. "Angesichts der tiefen und anhaltenden Struktur- und Finanzierungskrise in der Schifffahrt werde ich mich künftig wieder auf meine Funktion als Aufsichtsrat meiner Unternehmensgruppe konzentrieren", sagte Rickmers.

Erst Ende Juni hatte der Unternehmer seine Reederei, die E.R. Schiffahrt, mit der Hamburger Komrowski Gruppe zur Blue Star Holding zusammengeführt. Zu der Reedereigruppe gehören rund 140 Schiffe. Rickmers ist außerdem Gesellschafter der Fondsgesellschaft Nordcapital mit rund drei Milliarden Euro Anlegerkapital.

Rickmers betonte, dass seine Reederei "in der Existenz nicht bedroht" sei. Die gesamte Branche sei jedoch seit Mitte 2011 in einem "starken Abschwung". Die globalen Märkte hätten sich deutlich verschlechtert und stellten die Unternehmen vor große Herausforderungen, manche seien "ins Schlingern geraten". Es gebe für ihn zwar allen Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. "Trotzdem mache ich mir einige Sorgen", sagte Rickmers.

Zudem werde der Markt für Schiffsfinanzierungen in der bisherigen Form nicht weiterexistieren. "Wir müssen das Geschäftsmodell von Nordcapital infrage stellen", so der Unternehmer, der allerdings betonte, dass seine Unternehmen von ausgezeichneten Top-Managern geführt würden. "Ich möchte mich aber wieder stärker einbringen", sagte Rickmers.

Als der damalige SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz den gestandenen Unternehmer Erck Rickmers unter dem Jubel seiner Parteifreunde im Januar 2011 als Bürgerschaftskandidaten präsentierte, galt das als Wahlkampf-Coup. Scholz ging es darum, Vertrauen in sonst eher SPD-fernen Wirtschaftskreisen für seine Politik zu gewinnen. In dieselbe Richtung zielte die Kür des allerdings parteilosen Ex-Handelskammer-Präses Frank Horch zum Schatten-Wirtschaftssenator. Horch übernahm das Amt nach dem Regierungswechsel, Rickmers zog mit einer der höchsten Stimmenzahlen in die Bürgerschaft ein.

Insofern bedeutet Rickmers' Rückzug nach gerade einmal eineinhalb Jahren auch einen Rückschlag für Scholz. "Ich bedaure mein Ausscheiden aus der Bürgerschaft sehr", sagte Rickmers. "Und ich bitte um Verständnis bei denen, die mein Abgang enttäuscht." Noch im Frühjahr hatte der Reeder weit mehr als 100 Freunde, Mitstreiter und Partner zu einer aufwendigen Ein-Jahres-Bilanz seiner Abgeordneten-Tätigkeit in die Patriotische Gesellschaft an der Trostbrücke (Altstadt) eingeladen.

Rickmers hatte als Parlamentsneuling sofort den Vorsitz des Wirtschaftsausschusses übernommen - ein zeitraubendes Amt. Doch nur vom Ausschussvorsitz zurücktreten und Abgeordneter bleiben wollte der Unternehmer nicht. "Ich hasse halbe Sachen. Ein Abgeordneten-Mandat light kam für mich nicht infrage."

Dass er den zeitlichen Aufwand für die Ausübung des Mandats falsch eingeschätzt habe, wies Rickmers zurück. Als er sich 2010 entschieden habe, sich politisch zu engagieren, habe eine andere wirtschaftliche Lage geherrscht. Damals hätten sich die Schifffahrtsmärkte nach den schwierigen Jahren 2008 und 2009 wieder erholt. "Im Jahr 2010 erwirtschaftete Hapag-Lloyd zum Beispiel einen Rekordgewinn", so der Unternehmer. Eine weitere Stabilisierung sei erwartet worden. Deswegen habe er die Teilzeit-Parlamentstätigkeit für vertretbar gehalten.

Die Entscheidung, der Politik den Rücken zu kehren, sei in den Sommermonaten gereift, sagte Rickmers jetzt. Doch noch im Mai war sogar ein Wechsel auf einen Vollzeit-Job in der Politik nicht ausgeschlossen. Rickmers war im Gespräch als schleswig-holsteinischer Wirtschaftsminister im Kabinett des Sozialdemokraten Torsten Albig, der das rot-grün-blaue Bündnis in Kiel als Ministerpräsident leitet. Angeblich scheiterte der Wechsel nach Kiel unter anderem an der Forderung der Grünen, die Zuständigkeit für die Energiepolitik aus dem Wirtschaftsressort in das Umweltministerium zu übertragen.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel bedauerte den Rückzug und zeigte Verständnis für den Schritt. Für Rickmers wird Uwe Koßel, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, in die Bürgerschaft nachrücken.