Politischer Seiteneinsteiger genießt Vertrauen des Bürgermeisters aber plaudert manchmal arglos drauflos. Sinneswandel beim U-Bahn-Bau.

Wenn im Senat darum gewetteifert würde, wer die Kollegen und die Öffentlichkeit am häufigsten überrascht, könnte es wohl nur einen Goldmedaillen-Gewinner geben: Frank Horch.

Am Dienstag hat der parteilose Wirtschafts- und Verkehrssenator seine Favoritenstellung erneut untermauert. Als eine hochrangige Vertreterin der Deutschen Bahn den Verkehrsausschuss der Bürgerschaft über Schienenprojekte informierte, ließ sie beiläufig fallen, dass nun doch ein Bahnhof an den Elbbrücken in Planung sei, um dort eine Umsteigemöglichkeit von der HafenCity-U-Bahn 4 zur S-Bahn zu schaffen. Horch, der nicht geplant hatte, an diesem Abend über dieses Thema zu sprechen, räumte daraufhin ein, dass seine Behörde in der Tat darüber mit der Bahn im Gespräch sei.

"Das sind ja interessante Neuigkeiten", entfuhr es dem Ausschussvorsitzenden Ole Thorben Buschhüter (SPD) - zumal die SPD-Fraktion schon 2011 in einem Antrag gefordert hatte, der Senat solle diese Umsteigemöglichkeit prüfen und darüber berichten. Das führt zur eigentlichen Überraschung. Denn der Senat in Person von Horch hatte Ende 2011 berichtet - aber mit einem anderen Ergebnis. Die U 4 solle zwar bis an die Elbbrücken verlängert werden, aber ein wünschenswerter gemeinsamer Bahnhof für U- und S-Bahn sei "derzeit nicht finanzierbar".

Den Sinneswandel hatte allerdings nicht der Verkehrssenator eingeleitet, sondern Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Die Perspektive, eine mehr als 300 Millionen Euro teure U-Bahn nach ganzen drei Haltestellen in einer Sackgasse im Hafen enden zu lassen, soll ihm nicht gefallen haben. Anzunehmen ist, dass dieser Unmut auch bei einem Treffen des Bürgermeisters mit Bahn-Chef Rüdiger Grube am 29. Juni zur Sprache kam. Jedenfalls erklärte die Bahn-Vertreterin im Ausschuss, das Unternehmen sei von der Stadt "mündlich" beauftragt worden, Möglichkeiten für einen Umsteigebahnhof zu prüfen.

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Vielleicht hätte der ganze Fall weniger Aufmerksamkeit erregt, wenn Senator Horch nicht schon einige Male zuvor erkennbar seine Haltung geändert hätte. Zuletzt beim Thema Landstrom. Mitte 2011 hatte er die klimafreundliche Energieversorgung von im Hafen liegenden Schiffen noch abgelehnt: "Für Hamburg ist das nichts." Doch Ende Juli 2012 kündigte er plötzlich an, dass am Kreuzfahrtterminal Altona Schiffe in spätestens zwei Jahren Landstrom nutzen könnten. In der SPD-Fraktion wussten einige nicht, ob sie sich nun mehr freuen oder mehr wundern sollten. Der Senator habe wohl einen "Erkenntnisgewinn" gehabt, hieß es. Woher der komme, sei nicht wichtig. "Hauptsache, er macht es jetzt."

Das bekannteste Beispiel für eine gewisse politische Unbedarftheit lieferte Horch zu Beginn seiner Amtszeit. Obwohl Scholz vor und nach der Wahl einer City-Maut eine klare Absage erteilt hatte, brachte der Wirtschaftssenator sie im April 2011 wieder ins Gespräch. Wenige Tage und einige klärende Worte aus dem Rathaus später musste er zurückrudern: Mit ihm als Senator werde es keine City-Maut geben.

Es sind typische Verhaltensmuster eines Seiteneinsteigers. Im Gegensatz zu Politprofis wie Scholz oder der Zweiten Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt (SPD), die es sich über Jahrzehnte antrainiert haben, ihre Worte auf eine wahrscheinliche und jede mögliche Wirkung hin abzuwägen, plaudern Seiteneinsteiger wie Horch argloser drauflos. Beispiele dafür gibt es reichlich.

So dachte die damalige Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) 2008 laut darüber nach, den Sonnabend-Unterricht an Schulen wieder einzuführen. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) reagierte ungehalten: "Ich bin aus allen Wolken gefallen. Diese Idee war nicht mit mir abgesprochen." Damit war das Thema durch. Unter seinem ebenfalls parteilosen Vorgänger Ian Karan war Horch sogar selbst Betroffener eines Fauxpas: Als sich Karan im August 2010 den Mitarbeitern der Wirtschaftsbehörde vorstellte, plauderte er offenherzig aus, dass er Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) empfohlen habe, doch lieber den damaligen Handelskammerpräses Frank Horch zu nominieren, aber Ahlhaus habe ihn gewollt - eine Bloßstellung des Kammerpräses. Zu der Anekdote gehört allerdings, dass Ahlhaus tatsächlich Horch favorisiert hatte, der grüne Koalitionspartner ihn aber abgelehnt hatte.

Für Horch war das letztlich ein Glücksfall. Statt auf dem untergehenden schwarz-grünen Regierungsschiff heuerte er kurz nach dem Koalitionsbruch auf dem Dampfer von SPD-Kapitän Scholz an. Ein guter Fang: Mit der Präsentation des zwar politisch unerfahrenen, aber angesehenen Handelskammer-Chefs hatte Scholz der CDU das wichtige Feld Wirtschaft endgültig aus der Hand genommen.

Trotz einiger Anpassungsprobleme an das Politikgeschäft genießt Horch daher das Vertrauen des Bürgermeisters. Dazu trägt auch bei, dass der frühere Industriemanager mit seiner bodenständigen und freundlichen Art in Senat, Partei (obwohl er ihr nicht angehört) und außerhalb gut ankommt. "Es ist wohltuend", sagt ein SPD-Abgeordneter über Horch, "dass er oft einen anderen Blick auf die Dinge hat. Deshalb haben wir ihn ja an Bord." So gesehen wäre die Goldmedaille für die meisten Überraschungen eine Auszeichnung.