Der Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner attackiert den SPD-Fraktionschef Neumann und fordert mehr Sachdiskussion statt persönlicher Angriffe.

Abendblatt:

Herr Peiner, verfluchen Sie manchmal den Moment, als Sie als Finanzsenator gegangen und in den Aufsichtsrat der HSH Nordbank gewechselt sind?

Wolfgang Peiner:

Nein. Fünf Jahre Finanzsenator, das war schon ein Jahr mehr als geplant. Die neue Aufgabe habe ich auf Bitte der beiden Ministerpräsidenten Ole von Beust und Peter Harry Carstensen übernommen. Wir ahnten alle noch nichts von der weltweiten Finanzkrise. Was ich allerdings seltsam finde, ist, dass ich zweieinhalb Jahre nach meinem Ausscheiden aus der Politik immer noch ein großes Reizthema für die SPD bin. Das werte ich einerseits als großes Kompliment, dass ich als Senator offenbar erfolgreich gearbeitet habe. Aber die Kritik macht mich in Form und Inhalt auch nachdenklich, was den Stil der Politik betrifft.

Abendblatt:

Wen meinen Sie?

Peiner:

Michael Neumann. Er hat schon zu meiner aktiven Zeit als Politiker immer nur den persönlichen Angriff gesucht, ist Sachdiskussionen ausgewichen und hat mit gezielten Fehlinformationen gearbeitet. Dieser Stil sollte in der Hamburger Politik keine Rolle mehr spielen.

Abendblatt:

Herr Neumann kritisiert das "System Peiner" als ein Vermengen von Interessen. Gibt es das also gar nicht?

Peiner:

Es gibt ein System Peiner, das heißt Fleiß, gute fachliche Ausbildung, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit. Das sind aber Kriterien, die ich für jeden Menschen für sinnvoll halte. Aber es gibt keine Vermengung von Interessen. Herr Neumann sollte sich fragen, warum mich sehr viele Leute um Rat fragen.

Abendblatt:

Warum arbeiten Sie sich so an Herrn Neumann ab?

Peiner:

Ich bin groß geworden in Hamburg in einer Zeit, die von bedeutenden Sozialdemokraten geprägt war - Brauer, Nevermann, Weichmann, Dohnanyi. Gemessen daran ist Neumann ein Riesenproblem. Ole von Beust ist die große Stärke der CDU, Neumann die große Schwäche der SPD. Solange er mit seinem Stil die Arbeit der SPD prägt, wird die SPD aus dem Getto der 30 Prozent nicht herauskommen. Das ist nicht gut für die Demokratie, das ist auch nicht gut für Hamburg. Mir wäre eine starke SPD und ein regelmäßiger Wechsel zwischen CDU und SPD in Hamburg das Liebste.

Abendblatt:

Schwarz-Grün sollte bald abgelöst werden?

Peiner:

Schwarz-Grün arbeitet gut. Aber ich glaube, dass alle acht bis zehn Jahre ein Wechsel der Regierungsbündnisse stattfinden muss. Wenn eine Partei zu lange regiert, bekommt es dem System nicht.

Abendblatt:

Acht Jahre CDU-Regierung sind schon um ...

Peiner:

Ein Wechsel setzt aber voraus, dass in den Parteien Persönlichkeiten sind, die diesen Wechsel vollziehen können. Das sehe ich im Moment bei der SPD nicht.

Abendblatt:

Zurück zu Ihren Kritikern, die das System Peiner eher über Ihre Omnipräsenz in der Stadt definieren. Sie sitzen oder saßen in den Führungs- oder Aufsichtsgremien der HSH Nordbank, des Germanischen Lloyd, der Tchibo-Holding maxingvest, der Kühne Holding, des NDR, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Susat & Partner. Verlieren Sie da nicht selbst den Überblick?

Peiner:

Nein, auch in meiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Gothaer gehörte ich zahlreichen Aufsichtsräten an. Was nun alles unterstellt wird! Ich sei im Aufsichtsrat des Germanischen Lloyd als Dank dafür, dass ich die Beteiligung der Familie Herz an Beiersdorf ermöglicht habe. Wer das behauptet, kennt sich nicht aus. Er weiß nicht einmal, dass der Germanische Lloyd mit der Familie Herz, die an Beiersdorf beteiligt ist, nichts zu tun hat, dass das unterschiedliche Brüder sind. Hier geht es nicht um sachliche Kritik an mir, sondern um gezielte Fehlinformationen. Ich könnte die Liste der Fehlinformationen fortsetzen.

Abendblatt:

Die Strategie liegt auf der Hand. Sie werden immer noch als einflussreicher CDU-Politiker gesehen.

Peiner:

Das ehrt mich, aber ich bin kein Berufspolitiker. Ich bin als Wirtschaftsprüfer wiederbestellt und berate Unternehmen. Das ist keine politische Tätigkeit.

Abendblatt:

Susat prüft Firmen wie die HGV, bei denen Sie selbst im Prüfungszeitraum Aufsichtsrat waren. Der Gedanke an eine Interessenverquickung ist doch zumindest nicht abwegig.

Peiner:

Susat prüft seit Jahrzehnten öffentliche Hamburger Unternehmen. Meine Tätigkeit dort wird bewusst falsch dargestellt. Ich bin bei Susat Berater für Zukunftsentwicklung der Sozietät, aber ich bin nicht tätig im Rahmen irgendwelcher Prüfungen.

Abendblatt:

Und bei Hapag? Sie beraten Herrn Kühne, der wiederum am Hapag-Lloyd-Konsortium Albert Ballin beteiligt ist, das Sie geschmiedet haben. Auch keine Vermengung von Interessen?

Peiner:

Nein. Meine Tätigkeit war mit dem Eigentumsübergang von Hapag-Lloyd abgeschlossen. Dann haben mich alle Gesellschafter in Kenntnis meiner Tätigkeit für Herrn Kühne gebeten, weiterzumachen und unter ihnen zu vermitteln. Wo soll da ein Problem sein?

Abendblatt:

Sind Sie denn von dem Geschäft noch überzeugt?

Peiner:

Die weltweite Schifffahrtskrise und das damit verbundene deutlich zurückgehende Aufkommen an Containerladungen zeigt mir: Wenn Hapag-Lloyd von NOL aus Singapur übernommen worden wäre - und die Gefahr war sehr, sehr groß - wäre Hamburg in der Krise der erste Standort gewesen, den NOL geschlossen hätte. Und dann wären nicht nur am Ballindamm die Lichter ausgegangen, sondern auch am Containerterminal Altenwerder.

Abendblatt:

Warum?

Peiner:

Weil NOL nicht der Grand Alliance angehört. Wir merken nicht erst jetzt, wie wichtig es ist, Reedereiverbünde in Hamburg zu halten. Und Hapag-Lloyd ist der treuste Kunde des Hamburger Hafens, mit seinen Partnern von der Grand Alliance.

Abendblatt:

Sieht Herr Kühne das noch genauso?

Peiner:

Herr Kühne zeigt ein hohes privates Engagement für Hamburg. Und ich rate der Stadt, pfleglich mit ihm und seinem Engagement umzugehen. Mein Eindruck ist, dass er aus innerer Überzeugung handelt und sich ein Hamburg ohne Hapag-Lloyd nicht vorstellen kann. Das geht mir genauso. Ich glaube, aus dem Schifffahrtsstandort Hamburg mit den Linienreedereien, Charterreedereien, Emissionshäusern, Hafenbetrieben, Anwaltssozietäten, finanzierenden Banken und Schiffsmaklern wäre mit Hapag-Lloyd ein so wesentlicher Mosaikstein herausgebrochen, dass das ganze Bild sich dramatisch verschoben hätte.

Abendblatt:

Nach Ihrem Verständnis müsste die Stadt Ihnen dankbar sein. Hörbar ist aber nur die Kritik. Warum hört man aus Ihrer Partei so wenig zur Verteidigung?

Peiner:

Ich erwarte keinen Dank - von niemandem. Wie gesagt: Ich habe mich nie als Berufspolitiker gesehen und spreche daher auch nicht für die CDU. Mir geht es um Lösungen für Hamburg.

Abendblatt:

Als die Vorwürfe kamen, hat mancher erwartet, dass ihre Parteifreunde oder der Bürgermeister eine Ehrenerklärung für Sie abgeben.

Peiner:

Ich brauche keine Ehrenerklärungen. Aber ich erwarte von Kritikern Ehrlichkeit und Sachverstand.

Wolfgang Peiner (65) war von 2001 bis 2006 Finanzsenator in seiner Heimatstadt Hamburg.