1935 verkaufte Familie Hallgarten das Haus an den Nationalsozialistischen Lehrerbund - nach dem Krieg übernahm es die Lehrergewerkschaft. Mieter ist die Universität, und die will den Vertrag nur verlängern, wenn GEW und Jüdische Gemeinde sich einigen.

Hamburg. Der Streit über die künftige Nutzung der Gründerzeit-Villa Rothenbaumchaussee 19 spitzt sich dramatisch zu. Nach Abendblatt-Informationen stehen die Verhandlungen der Eigentümerin des Hauses, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit der Universität über einen neuen, langfristigen Mietvertrag kurz vor dem Abschluss. Doch das Geschäft könnte nun in letzter Minute platzen.

"Wenn es nicht zu einer Einigung zwischen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Jüdischen Gemeinde kommt, werden wir von einer weiteren Nutzung Abstand nehmen", sagte Alexander Luckow, Sprecher der Universität. "Wir wollen nicht diejenigen sein, die den Konflikt geschürt haben."

Entscheidend für die mögliche Kehrtwende ist die erneute Initiative des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Ruben Herzberg, in dem Gebäude, das bis 1935 jüdischen Eigentümern gehörte, entweder ein Jüdisches Museum einzurichten oder es anderweitig für die Jüdische Gemeinde zu nutzen. Voraussetzung wäre die Überlassung des Gebäudes zu einem symbolischen Preis zum Beispiel an die Stadt. Die GEW hatte dies bislang stets mit dem Hinweis abgelehnt, auf die Mieteinnahmen der Universität angewiesen zu sein.

Hintergrund der seit Jahren auch GEW-intern heftig geführten Auseinandersetzung ist die Frage, ob die GEW die "Ro 19", wie das Haus genannt wird, rechtmäßig besitzt. Der Fall ist politisch hochbrisant: Im März/April 1935 kaufte der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) das 1876 erbaute Wohnhaus für 40 000 Reichsmark. Die jüdischen Vorbesitzer waren Hedwig und Albert Hallgarten, ihre Kinder Mercedes und Julius sowie deren Verwandter Karl Ludwig Bauer. Bis auf Albert Hallgarten, der vor dem Verkauf im Exil gestorben war, und Bauer, der in Deutschland blieb und hier 1937 starb, flohen alle anderen Verkäufer 1936 oder 1937. Die GEW übernahm nach 1945 als Rechtsnachfolgerin des NSLB das Haus.

Nach allgemeiner Einschätzung von Experten war der Kaufpreis von 40 000 Reichsmark auffallend niedrig. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass die jüdischen Eigentümer unter dem Druck der NS-Verfolgung das Haus unter Wert verkauft haben. Andererseits haben die Erben der Vorbesitzer nach 1945 offensichtlich keinen Antrag auf Rückübertragung der "Ro 19" gestellt, wohl aber für andere Gebäude. Alle Versuche einer GEW-internen Oppositionsgruppe, sich von dem Haus mit der unguten Geschichte zu trennen, sind bislang fehlgeschlagen.

Ro 19 ist "ein arisiertes Gebäude"

Für Ruben Herzberg ist der Fall klar. "Es handelt sich um ein arisiertes Gebäude", sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Nachdem alle Versuche, mit der GEW zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, gescheitert waren, hatte sich Herzberg im Dezember 2008 in einem Brief an Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz gewandt. Ausführlich schilderte Herzberg die Problematik der Immobilie. "Ich bitte die Universität, ihre Pläne bezüglich der langfristigen Anmietung des Gebäudes Ro 19 zu überdenken", schrieb Herzberg.

Die Antwort der Präsidentin fiel damals relativ kurz aus. "Die Verantwortung den Studierenden gegenüber (die sich zum Teil die Studiengebühren vom Munde absparen müssen) erlaubt es gegenwärtig nicht, auf angemietete Flächen zu verzichten! Im Gegenteil: Die Universität hat einen dringenden zusätzlichen Flächenbedarf kurzzeitig zu befriedigen", schrieb Auweter-Kurtz.

"Wir sind empört darüber, dass Frau Auweter-Kurtz geantwortet hat, ohne auf das Thema Arisierung einzugehen", sagte Herzberg. Der GEW wirft Herzberg vor, "klammheimlich vollendete Tatsachen" schaffen zu wollen.

GEW-Geschäftsführer Dirk Mescher bestätigte, dass die Gespräche über einen langfristigen Mietvertrag mit der Universität kurz vor dem Abschluss stünden. Dass Auweter-Kurtz nun plötzlich einen anderen Kurs fährt, könnte auch damit zu tun haben, dass sie durch den Streit mit Professoren über ihre Amtsführung genug andere Probleme hat.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte die GEW frühzeitig aufgefordert, sich von dem Gebäude zu trennen. "Wir hoffen, dass GEW und Jüdische Gemeinde noch zu einer gemeinsamen Lösung kommen", sagte Senatssprecherin Kristin Breuer.