Die Landespastorin und Leiterin des Diakonischen Werks Annegrethe Stoltenberg spricht im Interview über die Vorwürfe gegen Alten Eichen.

Hamburg. Nach der massiven Kritik an der Beschäftigungspraxis der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Alten Eichen zeigt sich der Vorstand zu Zugeständnissen bereit. Die Gewerkschaft Ver.di hatte, wie berichtet, moniert, dass etwa Einjahresverträge ohne Sachgründe mehr als einmal verlängert worden waren.

Nun heißt es: "Wir werden auf diese Kritik im Einzelfall eingehen und gegebenenfalls mit betroffenen Mitarbeitern über eine Veränderung sprechen." Man prüfe zudem, das niedrigere Lohnniveau von Zeitarbeitern an den "im Rahmen eines in der Kirche und Diakonie angewandten Tarifvertrags" anzupassen.

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Ver.di hatte Strafanzeige wegen des Verdachts des Sozialversicherungs- und Steuerbetrugs gegen Alten Eichen gestellt. Diesen Vorwurf weist das Unternehmen zurück. Die Einrichtung ließ auch wissen, dass deren Stiftungsrat "eine weitere externe Überprüfung" der Vorwürfe veranlasst habe. Das Abendblatt sprach mit Annegrethe Stoltenberg, Landespastorin und Leiterin des Diakonischen Werks Hamburg - dem Dachverband der wirtschaftlich eigenständigen Diakonissenanstalt - über die Vorwürfe.

Hamburger Abendblatt: Gibt es Schwarzarbeit in der Diakonie?

Annegrethe Stoltenberg: Nein. Nach unseren Erkenntnissen gibt es die bei der Diakonie und auch bei Alten Eichen nicht.

Das können Sie abschließend sagen?

Wir haben Alten Eichen gebeten, die Vorwürfe aufzuklären, und das natürlich angefragt.

Pastor Torsten Schweda, der Chef von Alten Eichen, soll also die Vorwürfe gegen seine Einrichtung prüfen. Halten Sie es in diesem Zusammenhang nicht für problematisch, dass er gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Diakonischen Werks Hamburg ist und damit die oberste Prüfinstanz ihrer Einrichtung?

Nein. Es geht hier um rechtlich klar definierte Vorwürfe, die externe Juristen im Auftrag von Alten Eichen prüfen.

Verstößt es gegen die Grundsätze der evangelischen Kirche, jemanden in einer Service-Gesellschaft zu beschäftigen, der weniger verdient, mehr arbeiten muss und keine Sonn- und Feiertagszuschläge erhält als jemand, der fest bei Alten Eichen angestellt ist?

Zu Alten Eichen kann ich in dieser Frage keine Auskunft geben. Wenn Sie mich allgemein fragen, lautet die Antwort: Wenn er oder sie die gleiche Arbeit macht, ja.

Handelt es sich bei diesem Angestelltenverhältnis um Lohndumping?

Das kann ich bisher nicht überprüfen. Und nach meiner bisherigen Kenntnis ist es nicht so.

Halten Sie es grundsätzlich für richtig, dass eine Tochtergesellschaft der Diakonie Alten Eichen schlechtere Löhne zahlt als das Hauptunternehmen?

Wir halten Zeitarbeitsfirmen für notwendig. Es ist aber nicht richtig, wenn Zeitarbeit für Lohnabsenkung genutzt wird. Wenn uns solche Fälle bekannt werden, gehen wir diesen nach.

In Alten Eichen werden Leiharbeiter in der Pflege schlechter bezahlt als Festangestellte. Werden Sie das unterbinden?

Wenn dem so ist, werden wir Alten Eichen auffordern, das zu ändern.

Gilt das für alle Subunternehmen?

Gewisse Bereiche wie Wäscherei und Küche sind bei kirchentariflicher Bezahlung nicht refinanzierbar. Deshalb mussten wir wie alle anderen Anbieter outsourcen.

Aber Outsourcing mit schlechteren Löhnen widerspricht den Grundsätzen der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Hier haben wir in der Tat einen Konflikt mit dem Beschluss der EKD. Die Zielvorstellung teilen wir voll und ganz, halten den Beschluss aber zurzeit nicht für flächendeckend umsetzbar, da weite Teile der Sozialwirtschaft in den letzten 15 Jahren aufgrund des wirtschaftlichen Drucks outsourcen mussten.

Sind Ihnen aus anderen Einrichtungen des Diakonischen Werks Hamburg ähnliche Vorwürfe beziehungsweise Praktiken wie in Alten Eichen bekannt?

Nein. Und ich wehre mich dagegen, dass die Diakonie so dargestellt wird, als würde sie Arbeitnehmer systematisch ausbeuten. Die Diakonie ist in Hamburg der einzige verbliebene Wohlfahrtsverband, der flächendeckend nach Tarif oder tarifähnlichen Arbeitsverträgen bezahlt.

Der wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen ist zweifellos in den vergangenen Jahren größer geworden. Wenn man wirtschaftlich nur noch mit Methoden wie Outsourcing und Leiharbeit mithalten kann, müssen Sie dann nicht das Engagement der Diakonie infrage stellen?

Das ist eine Frage, die mich ständig bewegt. Unsere Mitarbeiter haben ihren Beruf ergriffen, um Menschen zu helfen. Doch das System, zum Beispiel der Pflegeversicherung, zwingt uns zu immer rationelleren Methoden, sodass für das Zwischenmenschliche immer weniger Raum bleibt. Wir müssen immer aufs Neue darauf achten, dass der diakonische Gedanke - die Fürsorge für Patienten und für Mitarbeiter - nicht auf der Strecke bleibt.