Mitgliedsgewerkschaft Ver.di erhebt schwere Vorwürfe gegen christlichen Arbeitgeber wegen Verdachts auf Schwarzarbeit und Betrug.

Hamburg. Eine neue Wohnung braucht Klaus Schulz (Name geändert) gar nicht erst zu suchen. Er bekäme keinen Mietvertrag. Einen Kredit für eine neue Couchgarnitur erhielte er auch nicht. Nicht etwa, weil Schulze kein Einkommen hätte, sondern weil sein Chef den Arbeitsvertrag immer nur um ein Jahr verlängert, kann Schulz keine Sicherheiten bieten. Sein Chef ist nicht irgendwer. Es handelt sich um Pastor Torsten Schweda, den Vorstandsvorsitzenden der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Alten Eichen.

+++Moralischer Bankrott+++

+++Vorwurf Steuerbetrug: Anzeige gegen die Diakonie Alten Eichen+++

Schulze will seinen wahren Namen nicht veröffentlicht sehen. Er fürchtet um seinen Job bei der Alten Eichen Service GmbH im Bereich der Technik und Hausmeisterei, einer ausgegliederten Gesellschaft der Diakonissenanstalt. Er hat Angst davor, dass sein Vertrag nicht noch einmal verlängert wird. "In meinem Alter bekomme ich doch keine neue Arbeitsstelle mehr", sagt er. Er hat Angst vor einem christlichen Arbeitgeber. Einem Arbeitgeber, der Beschäftigungsmethoden verfolgt, die laut Ver.di gegen geltendes Recht verstoßen. "Es ist nämlich nicht rechtens, einen Einjahresvertrag ohne einen Sachgrund mehr als einmal zu verlängern", sagt Arnold Rekittke, Gewerkschaftssekretär von Ver.di. Ein Sachgrund, etwa eine Schwangerschaftsvertretung, lag bei Schulz nicht vor.

"Schweda macht hier die Gesetze", so lautet ein geflügeltes Wort bei Alten Eichen. Die wiederholte Verlängerung von Einjahresverträgen ist nicht der einzige Umstand, der Ver.di ein Dorn im Auge ist. Die Arbeitnehmervertreter prangern an, dass die Einrichtung mit angeblich dauerhafter Leiharbeit gegen das Kirchenarbeitsrecht verstößt. So hat die Diakonissenanstalt eine eigene Zeitarbeitsfirma, deren Beschäftigte laut Schweda "zu 95 Prozent" in den Einrichtungen von Alten Eichen beschäftigt sind. Beschäftigung von Leiharbeitern lehnt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zwar nicht grundsätzlich ab. So sei sie zum Überbrücken etwa bei "kurzzeitigem Beschäftigungsbedarf" erlaubt. Aber "die auf Dauer angelegte Beschäftigung von Leiharbeiternehmern (...) ist mit dem Kirchenarbeitsrecht nicht vereinbar", heißt es etwa im Jahr 2006 formulierten Leitbild der EKD.

Viel stärker noch als der vermeintliche Verstoß gegen das Kirchenarbeitsrecht aber wiegt der Vorwurf des Sozialversicherungs- und Steuerbetrugs. Da Pfleger, die auf der 400-Euro-Basis beschäftigt werden, für dieselbe Tätigkeit zusätzlich Aufwandsentschädigungen erhalten, spricht Rekittke von "Schwarzarbeit". Der Gewerkschafter hat deshalb Strafanzeige gegen Verantwortliche der Diakonissenanstalt erstattet. "Die Anzeige ist bei uns eingegangen", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. "Sie wird nun an die Wirtschaftsabteilung weitergeleitet, um dort geprüft zu werden." Schweda kündigte an, "bei einer Verlautbarung von offizieller Seite (...) mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten und alles zu ihrer Unterstützung und zur Aufklärung der erhobenen Vorwürfe Erforderliche" zu tun.

Strafrechtlich relevant könnte ein weiteres Konstrukt in Pastor Schwedas weit verzweigtem Firmengeflecht sein. Klaus Schulz hat neben seiner Beschäftigung bei der Alten Eichen Service GmbH im Bereich der Technik und Hausmeisterei auch einen Vertrag für geringfügig Beschäftigte bei der Diakoniestation Alten Eichen gGmbH. Er bekommt 200 Euro für einen sogenannten Minijob, für den er nach eigener Aussage keine zusätzliche Arbeit verrichtet. Gewerkschafter Rekittke hält das für "nicht zulässig". Wenn ein Arbeitgeber demselben Arbeitnehmer einen Minijob für dieselbe Tätigkeit anbietet, begehe er nach seiner Überzeugung Sozialversicherungsbetrug.

Unterstützung bekommt er vom Arbeitsrechtler Rolf Geffken: "Es handelt sich um einen Betrieb, egal, wie viele Gesellschaften es sind. Wenn die Gesellschaften denselben Geschäftsführer haben, dann gibt es ein einheitliches Direktionsrecht." Es bestehe dann der Verdacht des sogenannten Formenmissbrauchs und damit des Sozialversicherungsbetrugs. Diesen streitet Pastor Schweda ab. "In beiden Fällen werden Sozialversicherungsbeiträge gezahlt."

Gewerkschafter Rekittke kritisiert weiter die Entlohnung von Klaus Schulz, die bei einer 40-Stunden-Woche 1400 Euro verdient. "Dabei beträgt das Einstiegsgehalt laut Kirchlichem Tarifvertrag Diakonie 1719 Euro bei 35 Stunden sowie Sonn- und Feiertagszuschläge. Das ist nichts anderes als Lohndrückerei." Pastor Schweda widerspricht diesem Vorwurf. Er hat auch guten Grund, schließlich hat Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der EKD, bei Niedriglöhnen mit dem Ausschluss aus der Diakonie gedroht.

Rekittke hat bereits vor einem Jahr die Diakonie Hamburg aufgefordert, diese Arbeitspraktiken abzustellen, aber bis heute keine Antwort erhalten. "Das wundert mich nicht. Der Aufsichtsratschef heißt ja auch Pastor Torsten Schweda."