Der Schulsenator (SPD) stellte in der Bürgerschaft den Plan für Inklusion an Grund- und Stadtteilschulen vor. Kritik gibt es von der Opposition.

Hamburg. Das war eine Steilvorlage für die Opposition: Wenige Stunden vor der Haushaltsdebatte über die Schulpolitik in der Bürgerschaft hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) gestern sein Konzept für die Inklusion (Einschluss, die Red.) an allgemeinen Schulen vorgelegt. Das seit 2010 geltende Recht auf Inklusion ermöglicht Kindern mit Behinderungen, Regelschulen zu besuchen. Vor allem an Grund- und Stadtteilschulen hat das zu einer Verdreifachung der Kinder mit Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache und soziale Entwicklung (LSE) geführt - Tendenz steigend.

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"Wer darauf hofft, einem bestenfalls mittelmäßigen Konzept möglichst wenig Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, der stellt es am Tag der Haushaltsdebatte vor", ätzte die GAL-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. "Die Frage lautet: Will Senator Rabe mit der Inklusion von seinem Haushalt ablenken oder ist es umgekehrt? Ich glaube, er will von seinem Inklusionskonzept ablenken", höhnte Walter Scheuerl, parteiloses Mitglied der CDU-Fraktion.

Nach Rabes Vorschlag sollen möglichst nicht mehr als vier Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Grund- oder Stadtteilschulklasse unterrichtet werden. Jede Schule erhält für die Inklusionskinder pauschal eine Zuweisung von zusätzlichen Unterrichtsstunden. Eine durchschnittliche Grundschule bekommt rund 1,5 Stellen zusätzlich, eine (viel größere) Stadtteilschule acht Stellen für Sonder- und Sozialpädagogen. Im Wesentlichen werden die Pädagogen, die bislang an Sonder- und Förderschulen unterrichtet haben, an allgemeine Schulen versetzt.

"Senator Rabe will die seit vielen Jahren erfolgreich arbeitenden Integrationsklassen, integrativen Regelklassen und integrativen Förderzentren abschaffen", kritisierte Walter Scheuerl. Die finanzielle Ausstattung für die Inklusion sei schlechter als die der Integrationsklassen. Im Übrigen sei "eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip ein Rückschritt". Die FDP-Schulexpertin Anna von Treuenfels nannte das Konzept "nicht tragfähig".

Die Opposition nutzte die Haushaltsdebatte zum Generalangriff auf die Politik des Senators. Der CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann warf Rabe vor, den Elternwillen zu ignorieren. "Rabe versucht, eine Zwangs-Ganztagsschule durchzusetzen. Das geht an den Bedürfnissen vieler Eltern und Schüler vorbei", sagte Heinemann. Die CDU will den Eltern die Wahl zwischen ganztägigem und halbtägigem Unterricht an Grundschulen lassen.

Die Liste der Versäumnisse, die die Opposition dem Senator vorhielt, war lang: Der neue Schulentwicklungsplan sei lückenhaft, bei der Sanierung von Schulgebäuden fehle der Finanzierungsplan ebenso wie bei der Ganztagsbetreuung. Das Programm "kostenlose Nachhilfe" entpuppe sich als bürokratisches Monster. "Große Ankündigungen, wenig Ergebnisse", sagte Treuenfels.

Doch Rabe zeigt sich von der Kritik unbeeindruckt. Im Gegenteil. Er stellte um auf Angriff - und bewies Humor. CDU-Politiker Heinemann hatte Rabe die hohe Zahl von mehr als 300 Schulcontainern vorgehalten, in denen Kinder unterrichtet werden müssen. "Ich möchte die Container am liebsten schwarz-grün anmalen, damit jeder weiß, wie sie dahin gekommen sind", sagte Rabe in Anspielung auf den schwarz-grünen Vorgängersenat. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich merkte in einer Zwischenfrage an, dass die Container vor allem deswegen aufgestellt werden mussten, weil der Senat mit der SPD beschlossen hatte, die Grundschulklassen zu verkleinern. "Ohne den Druck der SPD hätte es doch keine kleineren Klassen gegeben", konterte Rabe.

Der Schulsenator bekannte sich ausdrücklich zum Schulfrieden, den CDU, SPD und GAL für die Dauer von zehn Jahren 2010 geschlossen hatten. "Maßhalten, Ruhe bewahren und nicht jeder Reformidee hinterherlaufen", sagte Rabe. "Meine Schulpolitik hat das Motto: lieber Harmoniesoße statt Pfefferspray", setzte der Senator unter dem Beifall der SPD-Abgeordneten hinzu.

Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn zeigte sich enttäuscht von der SPD-Bildungspolitik. "Olaf Scholz hat im Wahlkampf versprochen, die Schulen zu Palästen machen zu wollen. Davon sind wir noch weit entfernt", sagte Heyenn. Stattdessen seien die Schulen "immer noch der Experimentierkasten der Stadt". Es gebe mehrere Baustellen - "und zwar solche von der Qualität der Elbphilharmonie". Das schaffe "viel Unfrieden in den Schulen". Außerdem seien die Schulen "die Spardose der Stadt". Alle Neuerungen würden bestenfalls kostenneutral, also ohne Mehrausgaben, eingeführt.

Besonders kritisch sieht Heyenn die Abschaffung der Integrationsklassen und Integrativen Regelklassen durch das Inklusionsmodell. "Statt vier Sonderpädagogenstellen gibt es künftig nur noch 1,5 Stellen an einer durchschnittlichen Grundschule", monierte Heyenn. Die Idee der Inklusion unterstützt die Linken-Politikerin im Grundsatz und nannte sie "eine kleine Revolution für Hamburg". Heute wollen Gewerkschaften und Verbände für mehr Geld für die Inklusion demonstrieren. Der Senat plant in diesem Jahr für Schule und Berufsbildung Ausgaben in Höhe von 2,02 Milliarden Euro, für 2012 ist eine Steigerung auf 2,08 Milliarden vorgesehen.