Drei Großunternehmen sind für das Pilotprojekt im Gespräch. Das Ziel besteht darin, dass Beschäftigte auch mit 67 noch gerne zur Arbeit gehen.

Hamburg. Einen Namen hat das neue Vorhaben noch nicht. Der Einfachheit halber sprechen Handelskammer und "Zeit"-Stiftung deswegen vom "Helmut-Schmidt-Projekt". Es war vor etwa einem Jahr, als der Altkanzler den entscheidenden Anstoß gab. In einer Sitzung des Kuratoriums der "Zeit"-Stiftung, dem Schmidt angehört, warf der 92-jährige Buchautor und "Zeit"-Herausgeber die Frage auf, welche Modelle des Berufswechsels denn vorstellbar seien, damit Arbeitnehmer "auch mit 66, 67 Jahren noch gerne arbeiten".

Dabei spielt die demografische Entwicklung Deutschlands eine wichtige Rolle. "Wir werden immer älter, und glücklicherweise bleiben wir immer länger fit und gesund. Das Renteneintrittsalter wird dieser Tatsache seit einiger Zeit schrittweise angepasst", sagt Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der "Zeit"-Stiftung. Doch gerade in besonders belastenden Berufen, physisch wie psychisch, können nicht alle Beschäftigten bis zur Rente durchhalten.

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Schmidts Überlegung fiel auf fruchtbaren Boden. "Wir sind der Anregung nachgegangen", sagt Göring. Herausgekommen sei "ein sehr konkretes, eng umrissenes Hamburger Projekt, das vielleicht zum Modell für eine ganze Branche werden kann". Der Altkanzler hatte frühzeitig auch die Handelskammer angesprochen, um Unternehmen für das Projekt zu gewinnen. "Das Thema treibt Helmut Schmidt um", sagt Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz.

Vermutlich werden sich drei große Hamburger Unternehmen - darunter der Kupferproduzent Aurubis auf der Veddel - an dem Pilotprojekt beteiligen. Die "Zeit"-Stiftung hat zur Begleitung das Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ins Boot geholt. Das Institut hat bereits ein Projekt zur Umschulung von stationär arbeitenden Krankenpflegern zu Dokumentationsassistenten in Berlin untersucht.

Zustimmung kommt aus den Reihen der Gewerkschaften. Sofern die Finanzierung geklärt sei, sieht etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die innerbetriebliche Umschulung als Chance: "Denn Betriebe müssen ihre Verantwortung gegenüber ihren Angestellten ernst nehmen", sagt DGB-Sprecher Felix Hoffmann. "Und wenn sie es auf diese Weise tun - gut so." Wer lange in einem Unternehmen gearbeitet hat, dürfe nicht vor die Tür gesetzt werden, wenn er aufgrund von Verschleißerscheinungen seinen bisherigen Job nicht mehr machen kann. Dann sei Flexibilität von beiden Seiten gefragt.

Gerade vor dem Hintergrund der Burn-out-Debatte sei altersgerechtes Arbeiten die Antwort auf Zukunftsfragen, sagt Ver.di-Bezirksleiter Wolfgang Rose: "Um das heutige Rentenalter innerhalb eines Unternehmens zu erreichen, sind solche Überlegungen notwendig. Nur so wird die letzte aktive Phase des Arbeitslebens nicht infrage gestellt." Gefordert seien auch staatliche Stellen wie die Agentur für Arbeit, um den Betrieben zu helfen. Rose: "Das Projekt ist ein Modell mit Zukunft."

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin schätzt die aus Arbeitsunfähigkeit resultierenden volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle auf insgesamt 43 Milliarden Euro pro Jahr. Insbesondere ältere Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor und dem produzierenden Gewerbe sind demnach häufiger anfällig für körperliche und seelische Ausfallerscheinungen. Knochen- oder Bänderleiden sowie Verletzungen und psychische Krankheiten führen diese Statistik an.

Lärm, Staub und Hitze - bei Unternehmen wie dem Stahlproduzenten ArcelorMittal sind Schichtarbeiter über Jahre hohen Beanspruchungen ausgesetzt, weshalb innerbetrieblich bereits daran gearbeitet wird, Arbeitnehmer so lange wie möglich zu halten, wie der Personalverantwortliche Hans Magnus Frankenberg sagt: "Mit unserem Werksarzt suchen wir ständig den besten Weg für Mitarbeiter, die aus verschiedenen Gründen ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können." Versetzung, Hilfsmittel am Arbeitsplatz oder Anpassung der Arbeitszeit seien gängige Methoden. "Aber eine Patentlösung haben wir auch noch nicht gefunden." Deshalb sei das Modell von "Zeit"-Stiftung und Handelskammer von Interesse für den 574 Mitarbeiter zählenden Betrieb. "Wenngleich wir natürlich nicht jedem einen Bürojob am Schreibtisch anbieten können", sagt Frankenberg. Begabung und Bereitschaft des Einzelnen müssten beachtet werden.

Ins gleiche Horn stößt Arne Weber, Inhaber und Geschäftführer der 250 Mann starken Baufirma H.C. Hagemann: "Die Idee ist absolut sinnvoll. Aber es muss auch daran gedacht werden, dass wir einen Mangel an erfahrenen Fachkräften bekommen werden, wenn alle einen Bürojob wollen." Die Herausforderung sei dann, neue Fachkräfte zu akquirieren.

In seinem Unternehmen versucht Weber bereits Wege zu finden, ältere Arbeitnehmer ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen. "Mannschaften für nicht so schwierige Arbeiten oder Lkw-Umschulungen haben wir bereits. Denn Leute, die für uns jahrelang den Buckel hingehalten haben, bleiben auch im Unternehmen, wenn es körperlich nicht mehr geht." Botengänge oder Schreibarbeit könne er sich für diese Mitarbeiter vorstellen. "Wir werden uns das Projekt interessiert anschauen und für uns lernen", sagt Weber.

Das "Helmut-Schmidt-Projekt" soll im Januar starten.