Überraschend fordert Olaf Scholz in der Bürgerschaft gemeinsame Anstrengungen und ein Ende der im Klein-Klein verirrten Debatte.

Hamburg. Erst ein einziges Mal hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nach seiner Wahl in eine aktuelle Debatte der Bürgerschaft eingegriffen. Das war im April, nach der Explosion des Atomreaktors in Fukushima. Es ist ein deutliches Signal, dass Scholz es ausgerechnet beim Thema Wohnungsbau gestern wieder tat. Dem Thema also, das mit über den Erfolg der SPD-Legislaturperiode entscheiden wird. Scholz verdeutlichte mit seinem Auftritt nicht nur die Brisanz des Themas, sondern verlieh der (sich bis dahin im Klein-Klein verirrten Debatte) in der Aktuellen Stunde zusätzliche Bedeutung.

Der Bürgermeister betonte die gemeinsame Aufgabe der Politik, für ausreichenden Wohnraum zu sorgen. "Die Prognosen sagen mindestens 1,9 Millionen Einwohner in Hamburg für das Jahr 2030 voraus. Die ganze Politik in Hamburg muss sich verabreden, dass sie jedem, der in dieser Stadt eine Wohnung sucht, eine bezahlbare und attraktive Wohnung auch beschaffen wird. Diese gemeinsame Anstrengung muss jetzt von uns allen gemeinsam begonnen werden", sagte Scholz. Es dürfe "nicht gegeneinander geredet werden" , sondern das müsse die Politik "miteinander zustande bringen".

Dieser Appell kam nicht von ungefähr. Etwa eine Stunde lang hatten sich die Abgeordneten der Regierungs- und der Oppositionsfraktionen zuvor die Schuld an der aktuellen Misere im Wohnungsbau zugeschoben. Heike Sudmann (Die Linke) erklärte den Mietenspiegel zum Feindbild. Diesen versteht sie als "Instrument zur Mieterhöhung" und nicht als Schutz für die Mieter. Sudmann forderte die Saga/GWG auf, gleich komplett auf Mieterhöhungen zu verzichten. "Das kapitalistische System hat im Mietermarkt komplett versagt", so Sudmann. Deshalb will sie eine "Deckelung" der Mieten. "Wohnungen sind keine Ware. Wohnen muss ein soziales Grundrecht werden. Perspektivisch wünschen wir uns eine Verstaatlichung des Wohnraums", sagte Sudmann.

+++ Mietenspiegel +++

SPD-Wohnungspolitiker Andy Grote ging auf diesen "Anflug demokratischen Sozialismus" nicht weiter ein, sondern verwies stattdessen auf die "bisherigen Erfolge" der SPD-Regierung. "Nach einem halben Jahr beginnt die SPD-Politik Wirkung zu zeigen. Es gibt im Bereich Wohnungsbau eine Aufbruchstimmung in der Stadt, wie es sie lange nicht gegeben hat", so Grote. Mit Jutta Blankau habe Hamburg "endlich wieder eine richtige Wohnungsbausenatorin".

Jörg Hamann (CDU) warf der Regierung hingegen vor, die Zielzahl von 6000 neuen Wohnungen in der Stadt seien nur "Bruttozahlen". Die Abrisszahlen würden nicht gegengerechnet. "Wenn mit dem Bau gleichzeitig aber auch Wohnungen abgerissen werden, haben wir letztlich nicht mehr Wohnungen", so Hamann. Die Zahlen des Senats müssten bereinigt werden. Olaf Duge (GAL) beschränkte sich darauf, die Maßnahmen der SPD als abgeschriebene Ideen der Grünen zu bezeichnen. "Das sind altbekannte Maßnahmen der schwarz-grünen Regierung, die Sie lediglich fortführen. Wo bleiben Ihre Innovationen?", so Duge.

Und selbst Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) gelang es nicht, die Debatte mit ihrem Redebeitrag über die Schwelle der "Wer-hat-was-gemacht-und-was-macht-die-SPD-besser-Ebene" zu heben. Und so wiederholte sie das, was sie in den vergangenen Wochen so oft gesagt hat - und betonte die Bedeutung der Abkommen zwischen Senat, Bezirken und Wohnungswirtschaft, die Bedeutung von sozialen Erhaltensverordnungen gegen die Verdrängung von alteingesessenen Mietern und bemühte schließlich die Zahl der bis zum dritten Quartal ausgestellten Baugenehmigungen von mehr als 5000 als Beleg für den Erfolg der SPD in der Wohnungspolitik. Eine Tatsache, die Hans-Detlef Roock (CDU) einfach nur als "Quatsch" abtat. "Diese Verfahren brauchen viel länger, als die Abkommen mit den Bezirken bestehen", so Roock. Und gerade als Roock damit begann, Andy Grote vorzuwerfen, er säge am Senatorenstuhl von Jutta Blankau - und die Debatte damit vollends abzudriften drohte -, trat Olaf Scholz ans Pult.

Eines müsse ganz klar sein: "Wir dürfen nie wieder aufhören mit dem Wohnungsbau", warnte Scholz. Es dürfe nie wieder Jahre geben, in denen die Stadt unter die nun angestrebten Neubauzahlen zurückfalle.

Den Abgeordneten gab er mit auf den Weg: "Es tut sich niemand in diesem Raum einen Gefallen und niemand tut den Bürgern dieser Stadt einen Gefallen, wenn das, was wir als ernsthafte Debatte über den Wohnungsbau in Hamburg zustande bringen müssen, daherkommt als das übliche Sichbeschimpfen", so Scholz. Es müsse doch aber so sein, "dass die Bürger dieser Stadt den Eindruck haben, dass alle Abgeordneten dieses Hauses vor allem eines im Sinn haben, nämlich wie wir all denjenigen, die jetzt mit den hohen Mietpreisen nicht zurecht kommen, die eine Wohnung suchen und keine finden, die in einer Wohnungsschlange als Bewerber stehen - wie wir denen möglichst bald zu einer geeigneten Wohnung verhelfen können. Das ist unsere Aufgabe", sagte der Bürgermeister.