Ein mit 245 Passagieren besetzter Ferienflieger muss den Steigflug abbrechen und ein Triebwerk abschalten. Piloten kehren um.

Hamburg. Der Condor-Ferienflieger hatte Sekunden zuvor die Startbahn verlassen. Er setzte gerade steil zu seinem Höhenflug an, als die in die Sitze gepressten Passagiere durch einen Knall auf der linken Flügelseite und die folgende Erschütterung aus ihrem frühmorgendlichen Dämmerzustand gerissen wurden. Die Meldung im Cockpit der voll besetzten Boeing 757-300 folgte unverzüglich: Probleme am linken Triebwerk, warnte ein Signallicht. Die Piloten wussten genau, was zu tun ist: Sie schalteten die betroffene Turbine in den Leerlauf und setzten zum Rückflug nach Hamburg an.

Ein sogenannter Vogelschlag beendete gestern Morgen kurz vor 7.30 Uhr jäh den Traum von Sonnenstunden am Roten Meer für 245 Passagiere: Ein oder mehrere Vögel hatten den Weg ihres metallenen Bruders auf seinem Flug in das ägyptische Touristenmekka Hurghada gekreuzt und waren in die Turbine eingesogen worden, wo sie beträchtlichen Schaden anrichteten.

Wie hoch der Schaden ist, ist noch nicht bekannt. Die Lufthansa Technik untersuchte die Maschine gleich nach ihrer erfolgreichen Landung in einer Werft. Die Ergebnisse des gründlichen Checks stehen aber noch aus.

Mit qualmenden Reifen setzte der Mittelstreckenflieger Minuten nach seinem Start auf Runway 05/23 auf, empfangen von einem Großaufgebot der Flughafenfeuerwehr. Die Piloten waren nach der Kollision noch auf knapp 2000 Meter Höhe gestiegen und in einer großen Schleife nach Hamburg zurückgekehrt. Die Landung war hart: Die für einen Flug von knapp fünf Stunden betankte Maschine hatte kaum Kerosin verbraucht und damit kaum Gewicht verloren, was die Piloten zum bereits defekten Triebwerk zusätzlich forderte. Dennoch wurde kein Passagier verletzt.

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Kollisionen mit Vögeln sind im Luftverkehr an der Tagesordnung. In den meisten Fällen enden sie mit einer Beule im Blechkleid des Fliegers. Geraten Vögel allerdings in die Triebwerke, kann das dramatische Auswirkungen haben: Im Januar 2009 musste ein Flugzeug im New Yorker Hudson River notlanden. Alle 155 Insassen wurden gerettet, kamen mit dem Schrecken davon. "Wenn eine kleine Amsel in ein Triebwerk fliegt, macht das vielleicht noch nichts, aber bei größeren Vögeln oder ganzen Schwärmen ist es, um es mal bildlich auszudrücken, als wenn man Obst in den Mixer wirft", erklärte gestern eine Sprecherin der Pilotenvereinigung Cockpit. Kollisionen mit Vögeln seien grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. "Das kommt ein paarmal im Jahr vor, meist bei Start oder Landung", insbesondere bei unter 3000 Meter Höhe. Als Ursache für schwere Unfälle in Deutschland aber spiele Vogelschlag nach Angaben der Flugunfalluntersuchungsstelle in Braunschweig keine Rolle. Die Schäden gehen jedoch in die Millionen.

Am Hamburg Airport werden jährlich knapp 30 Kollisionen gezählt, "sechs- bis achtmal kommt es zu Schäden an den Triebwerken", sagt Sprecherin Stefanie Harder - so wie gestern bei Flug Condor 1032, dessen Piloten sich daraufhin zu einer sogenannten Sicherheitslandung entschlossen. Obwohl: Die Boeing 757-300 hätte - rein technisch gesehen - den Weg nach Ägypten auch mit nur einem Triebwerk geschafft. "Der Pilot hat alles richtig gemacht und eine Standardsituation aufgearbeitet", sagte Harder. "Und das hat er richtig gut gemacht." Laut Pilotenvereinigung werden angehende Flugzeugkapitäne bereits in der Ausbildung an Simulatoren auf Triebwerksausfälle durch Vogelschlag vorbereitet. Sicherheitslandungen seien Routine.

Der Hamburger Flughafen hat ein ganzes Maßnahmenpaket entwickelt, um Vögel vom Flughafen fernzuhalten und das Risiko von Vogelschlägen auf ein Minimum zu reduzieren: Mit rund 300 Hektar besitzt er eine der größten zusammenhängenden Grünflächen in Hamburg, die von Mäusebussarden, Turmfalken, Kiebitzen, Graureihern, Tauben, Möwen- und Krähenarten bevölkert wird. "Wir versuchen es den Vögeln so unattraktiv wie möglich zu machen", sagt Sprecherin Harder. Verantwortlich ist ein eigener Förster, der dem Federvieh auf den Leib rücken soll. Nahe gelegene Wasserflächen werden mit Netzen überspannt, um Wasservögel abzuhalten; Grünflächen nicht gedüngt, um das Nahrungsangebot klein zu halten. Beerentragende Bäume oder Büsche sind tabu. Zudem wird Gras raspelkurz gemäht, um keine Fluchträume zu bieten. Nicht zuletzt sind die Flugzeug-Lotsen in den "Follow me"-Wagen mit Signalpistolen ausgerüstet, um notfalls ganze Schwärme zu vertreiben.

Die Airport-Feuerwehr hatte gestern nicht viel zu tun: Die beim Flughafen angestellten Brandbekämpfer kühlten die qualmenden Reifen der Boeing und fuhren mit ihren Speziallöschfahrzeugen der Marke Ziegler Z8- 138 km/h Spitze und ein bis zu 90 Meter langer Löschstrahl - zurück in die Wache. Nördlich des Landebahnkreuzes gelegen, kann die Feuerwehr von dort aus jeden Punkt des Flughafens innerhalb von nur drei Minuten erreichen.

Bis 15.50 Uhr mussten die 245 Passagiere noch nach ihrem Nothalt auf dem Flughafen ausharren. Dann hoben sie mit einer Ersatzmaschine erneut in Richtung Ägypten ab. Abschrecken ließ sich von dem morgendlichen Vorfall niemand - die Maschine war voll besetzt, kein Urlauber blieb zurück.