Mittlerweile Tradition: Bei der Morgensprache spielen Wirtschaftsgrößen mittelalterliche Treffen Hamburger Kaufleute in London nach.

Hamburg. Wann wird ein Ereignis zur Tradition? Aus Sicht des Veranstalters womöglich dann, wenn man es nur oft genug erwähnt, dass es mittlerweile Tradition ist. Bereits in seiner Begrüßung zur "Hamburger Morgensprache" im Börsensaal der Handelskammer bemühte Jürgen Graessner, der ehemalige Protokollchef der Senatskanzlei, dieses Wort. Er begrüßte den sogenannten Zwölferrat, bestehend aus Hamburger Wirtschaftsgrößen, die in roten Umhängen auftraten.

Das Festprogramm soll an die Vertretung der Hanse in London - den "Stalhof" - erinnern. Keimzelle des Plans war ein traditionsreiches Londoner Kontor, in dem vor vielen Hundert Jahren Kaufleute aus Hamburg zusammentrafen, um mit ihren Geschäftspartnern zu beraten. Sie arbeiteten in den Gebäuden des legendären "Stalhofs", wo sie die Tuche auf ihre Qualität prüften, um sie dann abzustempeln ("stalen"). In einer Urkunde von 1266 verlieh der englische König Heinrich III. den Hamburger Kaufleuten das Recht, eine Hanse als Schutzgemeinschaft zu bilden. Die Kaufleute lebten nach klaren Regeln, die im Statutenbuch festgelegt wurden. Das älteste Exemplar liegt in der Commerzbibliothek.

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Doch anders als etwa das Matthiae-Mahl, das seit 1356 besteht, fand die Morgensprache erst zum siebten Mal statt. Jens Peter Breitengroß übernahm den Vorsitz des Zwölferrats von seinem Vorgänger Karl Joachim Dreyer und überreichte Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer ein Kreuz.

In einer Art Darbietung las Breitengroß die Neuigkeiten des vergangenen Jahres vor. Etwa, dass Ole von Beust (CDU) nicht mehr Bürgermeister sei, sein Nachfolger Christoph Ahlhaus (CDU) auch nicht mehr, und dass der aktuelle Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) heiße. Die übrigen elf Mitglieder des Rats schauspielerten und taten erstaunt. Das Ganze sollte schließlich im mittelalterlichen London spielen.

In seiner Antrittsrede ließ Breitengroß das Motiv für die Heraufbeschwörung der vermeintlichen Tradition durchscheinen. Als er Peter Braun, den Präsidenten der Bremer Eiswette, einem tatsächlichen Brauchtum, begrüßte. "Bremen hat im Bereich historische Ereignisse die Nase vorn", sagte der Vizepräses der Handelskammer Hamburg vor den rund 220 Gästen, die jeweils 190 Euro Eintritt gezahlt hatten.

Unter ihnen waren Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und Hochbahnchef Günter Elste. Der frühere Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU), der zum ersten Mal an der Morgensprache teilnahm, konnte der Veranstaltung durchaus Positives abgewinnen. "Eine Wiederbelebung der Tradition ist gut."

Die Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt (SPD) sagte in ihrer Rede, dass die Handelskammer mit der Morgensprache die Bedeutung der Tradition für den Handel in Hamburg unterstreiche, bevor EU-Kommissar Günther Oettinger den Hamburg-European Friendship Award erhielt. Nur der Vorstand eines großen Hamburger Unternehmens, der seinen Namen in diesem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen möchte, sagte: "Es hatte schon seinen Grund, warum ich bislang zur Morgensprache einen Termin hatte. Diesmal konnte ich nicht mehr absagen."