Die als Vizechefin der Bundespartei nominierte Aydan Özoguz setzt auf leise Töne. Özoguz soll sich um Bereich Integration und Migration kümmern.

Hamburg/Berlin. Aydan Özoguz ist in mancher Hinsicht der Gegenentwurf zum herrschenden Politikertypus: keine Bugwelle, kein fortgesetztes Heischen um mediale Aufmerksamkeit mit mehr oder weniger ausgegorenen Vorschlägen. Ruhig, sachlich, ja beinahe bedächtig bearbeitet die 44 alte Jahre Bundestagsabgeordnete aus Hamburg ihre Themen: Familie, Jugendschutz, die digitale Gesellschaft und selbstverständlich Integration und Migration.

Dass auch der leise Weg in der Ellbogengesellschaft Politik Erfolg versprechend sein kann, zeigt nun die Nominierung der Anglistin zur stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-SPD - einer Partei, der sie überhaupt erst seit 2004 angehört. Der Hamburger SPD-Landesvorstand hat Özoguz, die Integrationsbeauftragte der Bundestagsfraktion ist, einstimmig für die Wahl am 4. Dezember nominiert. Özoguz soll den fünften Vizeposten besetzen, der neu geschaffen wird und gezielt für den Bereich Integration und Migration vorgesehen ist. "Meine Lebenserfahrung zeigt, dass man im Bereich Integration mit Poltern meist keine Fortschritte erzielt", lautet Özoguz' ebenso lakonischer wie selbstbewusster Kommentar.

Sich selbst zu loben, wie manch anderer es tun würde, liegt Özoguz jedoch nicht. "Parteichef Sigmar Gabriel müsste beantworten, warum ich gefragt wurde", sagt die Hamburgerin im Gespräch mit dem Abendblatt. "Es ist aber kein Geheimnis, dass es nicht so viele Abgeordnete gibt, die einen Migrationshintergrund haben." Das klingt nun wieder sehr bescheiden.

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Andere loben dafür umso mehr die Politikerin, die mit Innensenator Michael Neumann (SPD) verheiratet und Mutter einer acht Jahre alten Tochter ist. "Aydan Özoguz ist eine hoch angesehene Politikerin", sagt Bürgermeister und SPD-Landeschef Olaf Scholz. Özoguz beschränke sich in ihrer Arbeit nicht auf das Thema Zuwanderung. "Sie ist auf diesem Feld aber dennoch eine der anerkanntesten Politikerinnen", so Scholz. SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Andreas Dressel nennt Özoguz sogar "das zentrale Gesicht der SPD bundesweit für Integration und Migration".

Aus der SPD ist zu hören, dass die Hamburgerin, die mit ihrer Familie im Rahlstedter Ortsteil Oldenfelde wohnt, die Wunschkandidatin der Parteispitze für diesen Posten war. Das sonst in der SPD hochsensible Thema des Länderproporzes scheint die Parteistrategen in diesem Fall wenig zu kümmern. Denn mit Scholz kandidiert noch ein zweiter Hamburger für einen der fünf Stellvertreter-Posten. Scholz soll auf Bundesebene deutlich gemacht haben, dass er Özoguz' Kandidatur ausdrücklich unterstützt, andererseits aber erwartet, dass es keine Gegenkandidaturen gibt - etwa aus Gründen des Länderproporzes. Offensichtlich gilt Scholz manchen in der SPD nach seinem Wahlsieg als Hoffnungsträger, sodass sie den größeren Hamburger Einfluss akzeptieren.

Als Özoguz 2001 in die Bürgerschaft einzog, war sie als einzige Abgeordnete türkischer Herkunft eine Art Pionierin. "Mittlerweile sitzen mehr als eine Handvoll Abgeordnete in der Bürgerschaft, die keine deutsche Abstammung haben", sagt Özoguz und sieht das auch als einen Erfolg ihrer Arbeit an. Sie machte sich schnell einen Namen als integrationspolitische Sprecherin der SPD. Doch 2008 wurde Özoguz "Opfer" des neuen Wahlrechts. Der im Wahlkreis Rahlstedt bekanntere Ole Buschhüter setzte sich gegen sie durch und verhinderte ihren Wiedereinzug.

Die eklatante Schwäche der SPD bei der Bundestagswahl 2009 führte zu ihrem Comeback: Weil die SPD nur drei der sechs Hamburger Direktmandate holte, zog Özoguz über die Landesliste in den Bundestag ein. Özoguz galt längst als senatorabel. Aber als Scholz im Frühjahr sein Kabinett zusammenstellte, hatte sie keine Chance auf einen Posten. Ihr Mann war als Innensenator gesetzt, und Eheleute gemeinsam im Senat - das geht nicht. Manche sahen das als zweiten Rückschlag, der nun aber durch ein mögliches Aufrücken in die Parteispitze geheilt würde.

"Es wäre zweifellos eine große Herausforderung für mich. Ich habe mich schon gefragt, ob ich die inhaltliche Bandbreite bewältigen könnte", sagt Özoguz. Schon jetzt ist es auch nicht einfach für die Hamburgerin, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. "Ich werde es eben ausprobieren." Dann werde sie sehen, ob es klappe. "Am Ende darf die Familie nicht zu kurz kommen", stellt sie aber klar.