Viele Hamburgerinnen heirateten nach 1945 englische Soldaten. Beim Abendblatt haben sich Zeitzeugen und Angehörige gemeldet.

Hamburg. Am 15. Juni stellten wir das Buch des Historikers Michael Ahrens über die britische Besatzung vor, die das Leben und den Alltag in Hamburg von 1945 bis 1958 bestimmt hat. Außerdem druckten wir auf Wunsch des Autors den folgendem Aufruf ab: "Wer kann Auskunft über das Schicksal von Hamburgerinnen geben, die britische Soldaten geheiratet haben? Vielleicht sind Ihre Großmutter, Tante oder Schwester auf diese Weise Engländerinnen geworden?"

In einem Interview (siehe unten) erzählt Ahrens, auf welche Resonanz der Abendblatt-Aufruf in den letzten Monaten gestoßen ist. Heute lassen wir einige der Zeitzeugen, die sich bei uns gemeldet haben, zu Wort kommen:

Ingrid Schwarzer (Jahrgang 1931):

"Meine Cousine Margot bewarb sich als Haushaltshilfe bei einem englischen Major. Besonders Dave, der Fahrer des Majors, versuchte sie immer wieder zum Tanzen einzuladen - eines Tages verliebte sie sich in Dave und sie heirateten 1947. Sie zogen in einen kleinen Ort im Süden Englands und bekamen zwei Kinder - und alles wäre so schön gewesen, wenn Margot nicht so schreckliches Heimweh nach Blankenese gehabt hätte. Ihre Briefe nach Hause wurden immer trauriger, bis Dave es nicht mehr ansehen konnte und mit ihr zurück nach Deutschland ging."

Dieter von Specht (Jahrgang 1925):

"Die zumeist schmuck aussehenden Soldaten zogen verständlicherweise so manches deutsche Fräulein an. Kaffee, Tee und Zigaretten. All das war natürlich sehr verlockend. Wir jungen deutschen Männer fanden das zunächst empörend, haben uns dann aber schnell daran gewöhnt. Anders bei den älteren Menschen: Viele konnten sich nicht damit abfinden, wie die jungen 'Gören' mit dem ,Feind' umgingen."

Evelyn Brown (Jahrgang 1951)

"Meine Eltern lernten sich 1946 kennen, mein Vater war hier stationiert. Beide haben nach vielen Hindernissen 1948 geheiratet (...) Als mein Vater seiner Familie in England mitteilte, dass er eine Deutsche heiraten wird, hat die Familie den Kontakt abgebrochen - wobei die Familie meiner Mutter sehr dafür war. (...) Es war eine wunderbare Ehe."

Ellen Schabaker (Jahrgang 1932):

"Die Tommys, wie sie genannt wurden, waren zu uns Kindern nett. Es gab mal Schokolade, dann schneeweißes Brot. Das vergisst man nicht. Als die Soldaten eine Weile da waren, fing es mit den deutschen Mädchen an. In Planten un Blomen traf man sich. Wir Kinder haben die Treffen beobachtet. Das war natürliche Aufklärung."

Eleonore Carass (Jahrgang 1926):

"Ich habe meinen Mann, der bei den Royal Engineers arbeitete, 1948 kennengelernt. Wir haben uns nicht lange gekannt, als er mich fragte, ob ich ihn heiraten möchte. Ich mochte. Er musste seinen Vorgesetzten sagen, dass er eine Deutsche heiraten wolle. Darauf hatte man ihm Urlaub gegeben, um zu Hause mit seinen Eltern darüber zu sprechen. Mein Mann antwortete, wenn er alt genug sei zu kämpfen, sei er auch alt genug zu entscheiden, wen er heiraten wolle. Er fuhr nicht heim und blieb in Hamburg, wo wir am 28. Mai 1949 geheiratet haben."

Erika Germer (Jahrgang 1925):

"1947 wurde ich als erste Deutsche in der Blankeneser Kirche mit einem englischen Soldaten der 11. Air Formation Signals getraut. Ich bin dann mit ihm nach England gegangen, aber leider hat unsere Ehe nicht lange gehalten. Später kam ich nach Hamburg zurück."

Michael Commentz (Jahrg. 1947): "Meine Mutter hatte 1945 einen englischen Offizier kennengelernt und sich mit ihm im selben Jahr verlobt. (...) Mein Vater hat sich nach meiner Geburt 1947 unter einem Vorwand aus dem Staube gemacht. (...) Meine Mutter hat nie wieder geheiratet. Ich bin heute nicht mehr böse oder nachtragend - es waren damals andere Zeiten."

Irmgard Schulz (Jahrgang 1935):

"Der BFN brachte 'unsere' Musik. In Planten un Blomen auf einer bestimmten Wiese lagen die Soldaten mit ihren deutschen Mädchen zum Knutschen. Wenn ich dort vorbeigehe, sehe ich heute noch dieses Bild vor mir."

Regina Ahrens (Jahrgang 1960):

"Meine Tante hatte die Handelsschule besucht. Dank ihrer Ausbildung und Sprachkenntnisse bekam sie Kontakt zu englischen Soldaten und verliebte sich in meinen Onkel Roy. Dann ist meine Tante eine hundertfünfzigprozentige Engländerin geworden, aber in England ist sie lange Zeit als Deutsche nicht anerkannt worden."

Sonja Carhart (Jahrgang 1946):

"Meine Mutter hatte viele Angehörige im Feuersturm verloren. Die wollte mit den Engländern nicht wirklich näher zu tun haben, aber wie es so ist, die Liebe schlug ein wie ein Blitz. Im August 1945 fuhr meine Mutter mit dem Fahrrad durch Niendorf und fuhr meinen Vater beinahe um - es war Liebe auf den ersten Blick. Natürlich wussten beide, dass es nicht einfach werden würde. Mein Vater war noch - unglücklich - in England verheiratet. Meine Eltern konnten sich anfangs nur mühsam verständigen. Mutti hatte große Angst vor der Familie, die meinen Vater aber schnell akzeptierte. Erst 1957 wurde mein Vater frei, um zu heiraten."