Der Historiker Michael Ahrens über seine Forschungen zur britischen Besatzungszeit

Hamburger Abendblatt:

Wie war die Resonanz auf den Abendblatt-Aufruf?

Michael Ahrens:

Wenn man davon ausgeht, dass die etwa 1000 Hamburgerinnen, die damals britische Soldaten geheiratet haben, heute zwischen Mitte 80 und Mitte 90 sind, sofern sie überhaupt noch leben, war das Echo enorm. Wir haben über 100 Rückmeldungen bekommen. Wir haben auch zehn Zuschriften direkt aus Großbritannien bekommen, die offenbar von Bekannten über die Abendblatt-Anfrage informiert worden sind.

Waren es, soweit Sie das auf der Grundlage des Materials beurteilen können, überwiegend glückliche Ehen?

Ahrens:

Repräsentativ sind diese Rückmeldungen natürlich nicht, aber die große Mehrheit der Zuschriften war positiv. Da ist von Liebe auf den ersten Blick die Rede oder davon, dass man es nie bereut oder den Mann fürs Leben gefunden habe. Aber es gibt auch einige wenige kritische Stimmen von Menschen, die die Ehe bereut haben.

War es nicht ohnehin eine schwierige Ausgangslage, so unmittelbar nach Kriegsende einen Angehörigen aus dem ehemaligen Feindesland zu heiraten und dorthin zu gehen?

Ahrens

: Das galt für beide Seiten. Man kann aber sagen, dass in diesen Fällen die Liebe stärker war als der Hass. Manche haben schon im Spätsommer 1945, weniger als ein halbes Jahr nach Kriegsende, ihren späteren Ehemann kennengelernt. Vielleicht kann man aber auch sagen, dass die Menschen nun besonders offen und bereit dazu waren, sich ohne Vorurteile zu begegnen, weil sie wollten, dass die Zeiten des Hasses endgültig vorbei sein sollten.

Wie haben denn die Familien, Freunde, Nachbarn und Bekannte auf solche Beziehungen reagiert?

Ahrens:

Das gibt es sehr unterschiedliche Berichte. Einige wenige haben geschrieben, dass sie es bis heute nicht verstehen können, dass deutsche Frauen damals britische Soldaten geheiratet haben. Einmal ist auch das Wort "Besatzerhure" gefallen. Diese Ablehnung gab es auch ein England. So wird in einem Brief berichtet, dass eine englische Familie ihren eigenen Sohn verstoßen hat, weil er eine Deutsche heiraten wollte. Andererseits haben englische Familien schon 1946/47 ihre deutschen Schwiegertöchter mit offenen Armen aufgenommen. Es gab also sehr unterschiedliche Reaktionen, überwiegend ist aber eine zögerliche Akzeptanz und Aufnahme.

Wie wichtig war die Zustimmung der Familien?

Ahrens:

Englische Männer mussten damals ihre Eltern fragen, ob sie eine bestimmte Frau heiraten dürfen. In einem der Briefe wird aber berichtet, dass ein junger englischer Soldat seinem Vorgesetzten mitteilt, das nicht zu tun. Er sagte: Wenn ich im Krieg gekämpft habe, wieso soll ich dann noch meine Eltern fragen, ob ich die Liebe meines Lebens heiraten darf? Er hat es nicht getan, sondern einfach geheiratet. Diese Geschichte hat mich besonders berührt. Viele junge Soldaten hatten sich über die Kriegserlebnisse weiterentwickelt und emanzipiert. Sie waren dadurch schnell "erwachsen" geworden und nahmen ihr Schicksal - wie in diesem Fall - selbst in die Hand. Das Kriegsende war für diese Briten ein persönlicher Befreiungsschlag. Dass sie den Mut hatten, eine Deutsche zu heiraten, war der beste Beweis dafür.

Haben die in England lebenden Hamburgerinnen später Kontakte in ihre alte Heimatstadt aufrechterhalten?

Ahrens:

Nach allem, was wir aus den Briefen wissen, gibt es teilweise bis heute einen intensiven Briefwechsel und auch einen lebhaften Reiseverkehr. Die Kinder und Kindeskinder sind inzwischen manchmal in die ganze Welt verstreut.

Wie werden Sie mit dem zugeschickten Material weiter umgehen?

Ahrens:

Ich werde weiter auswerten, wie die Erfahrungen auf beiden Seiten gewesen sind. Auch das NDR-Fernsehen wird berichten. Jetzt geht es auch darum, die Zeit zu nutzen. Noch kann man mit diesen alten Menschen sprechen, viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. Ich bin auch mit dem Museum für Hamburgische Geschichte im Gespräch über eine mögliche Ausstellung zur britischen Besatzungszeit in Hamburg.