Weitere Fragen der EU zur Umweltverträglichkeit könnten den Start der Elbvertiefung erneut verzögern. Opposition kritisiert Bürgermeister.

Hamburg. Die geplante Elbvertiefung könnte sich erneut verzögern. Grund sind neue Fragen der EU-Kommission zu der Maßnahme. Dabei geht es unter anderem um die Verschiebung der Salzwassergrenze in Richtung Hamburg und die Auswirkungen auf Flora und Fauna. Während die federführende Behörde, die Wasserschifffahrtsdirektion Nord (WSD) des Bundes, sowie der Hamburger Senat davon ausgehen, dass die Nachfragen das Verfahren nicht verzögern werden und die Baggerarbeiten wie geplant Anfang 2012 beginnen können, gehen Opposition und Naturschutzverbände von weiteren Verzögerungen aus und werten den Vorgang als Schlappe für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

"Die EU hat wenige Nachfragen gestellt", sagte WSD-Sprecherin Claudia Thoma. Für die Verschiebung der Salzwassergrenze interessiere sich Brüssel vor allem mit Blick auf den Schierlingswasserfenchel. Diese äußerst seltene Pflanze kommt nur noch an der Unterelbe vor und gilt als besonders schützenswert. Auf Salzwasser reagiert sie sehr sensibel. Die Antworten zu dem Thema lägen allerdings bereits vor, so Thoma. "Wir werden sie jetzt sehr schnell absenden und rechnen mit einer zügigen Antwort der EU." Die Prognose, um den Jahreswechsel mit der Elbvertiefung beginnen zu können, habe sich "nicht geändert".

+++ Studie: Hamburger Hafen braucht dringend Elbvertiefung +++

+++ Elbvertiefung: Behörde weist Vorwürfe zurück +++

+++ Kritische Gutachten zur Elbvertiefung unterschlagen? +++

Auch der Senat rechnet nicht mit Verzögerungen. "Die EU-Kommission hat Fragen gestellt, und diese Fragen werden ordentlich beantwortet", sagte Senatssprecher Christoph Holstein. "Wir sind wie bisher optimistisch, dass die Elbvertiefung bald losgehen kann." Die Fahrrinne soll um bis zu einen Meter vertieft werden, sodass Schiffe mit 13,50 Meter Tiefgang Hamburg tideunabhängig erreichen können. Das Planverfahren dauert schon fünf Jahre an. Außer einer positiven Stellungnahme der EU fehlt auch noch das Einvernehmen Niedersachsens. An der Unterelbe gibt es Bedenken hinsichtlich der Deichsicherheit und der Auswirkungen einer möglichen stärkeren Versalzung der Elbe auf die Obstanbaugebiete.

Obwohl die Planungshoheit beim Bund liegt, hatte sich Bürgermeister Olaf Scholz mehrfach persönlich für die Elbvertiefung eingesetzt. Unter anderem hatte er sich in Brüssel mit EU-Umweltkommissar Janez Potocnik und dem EU-Generaldirektor Karl Falkenberg getroffen. Zudem hatte er Potocnik in einem Brief weitere Ausgleichsmaßnahmen zugunsten des Schierlingswasserfenchels gemeldet.

Aus Sicht der Opposition sind die Nachfragen der EU daher eine schwere Schlappe für den Senatschef. "Bürgermeister Scholz hat sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt, als er den Beginn der Elbvertiefung für spätestens Anfang 2012 angekündigt hat", sagte Anjes Tjarks (GAL). "Das Datum ist nicht zu halten, dies wäre für Herrn Scholz die erste krachende Niederlage." Tjarks wirft Senat und WSD vor, ein kritisches Gutachten über die Verschiebung der Brackwasserzone um 13 Kilometer zurückgehalten zu haben. Das räche sich nun: "Das Schönreden der Elbvertiefung muss ein Ende haben."

Thomas-Sönke Kluth (FDP) verweist darauf, dass der Senat im Juli selbst erklärt hatte, er habe die Antworten auf frühere EU-Fragen extra vorab in Brüssel präsentiert, "um eine zeitintensive Nachfrage der EU-Kommission sicher auszuschließen". Das habe nicht ausgereicht, so Kluth, der das Scholz ankreidet. "Wenn der Bürgermeister die Elbvertiefung zur Chefsache macht, so düpiert das nicht nur Wirtschaftssenator Horch, sondern ist vor allem ein deutliches Alarmzeichen, dass es erhebliche Probleme beim Zeitplan gibt."

Auch Karin Prien (CDU) hält dem Senat vor, dass er alle Befürchtungen bezüglich einer weiteren Verschiebung brüsk zurückgewiesen hatte. "Weder Bürgermeister Scholz noch Senator Horch wussten Bescheid, dass es seitens der EU noch offene Fragen gibt", so Prien. Das sei "absolut nicht nachvollziehbar". Manfred Braasch vom Umweltschutzverband BUND sieht seine Bedenken gegen die Elbvertiefung bestätigt. "Die Unterlagen für die EU waren nicht ausreichend. Jetzt gibt es eine neue Schleife und der Zeitplan gerät leicht ins Wanken."