Senator Ties Rabe denkt über ein neues System für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach. Schulen seien in angespannter Lage.

Hamburg. Die allgemeinbildenden Schulen erleben derzeit einen Ansturm von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Hintergrund ist der in Hamburg 2009 geschaffene Rechtsanspruch auf Inklusion - Einschluss - dieser Kinder an den Regelschulen. Die Zahl der Jungen und Mädchen mit Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache, soziale und emotionale Entwicklung (LSE) hat sich in den bislang für die Inklusion geöffneten Klassen 1, 2, 5 und 6 seitdem auf aktuell 579 Kinder versechsfacht.

"Dieser Ansturm hat viele Schulen in eine angespannte Lage gebracht", räumte Schulsenator Ties Rabe (SPD) jetzt ein. Manche Eltern seien "sehr aufgeregt" und Lehrer bisweilen an der Grenze dessen, was sie leisten könnten. Rabe hält dem schwarz-grünen Vorgängersenat vor, die weitreichende Inklusionsreform nicht ausreichend vorbereitet und finanziert zu haben.

Der SPD-Politiker deutete erstmals an, wie die Inklusion vor allem der LSE-Kinder künftig organisiert werden soll. Rabe hält viel von einer für alle Schulen gleichen Verteilung der erforderlichen zusätzlichen Förderstunden, unabhängig von der konkreten Zahl der Inklusionskinder. Das würde bedeuten, dass Hunderte von Gutachten, die derzeit zur Ermittlung des Förderbedarfs erstellt werden müssen, entfallen könnten. Problematisch sind die Gutachten überdies, weil die Diagnoseverfahren zum Teil umstritten sind.

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Richtschnur für das Inklusionskonzept könnten die Vorschläge der Erziehungswissenschaftler Prof. Klaus Klemm und Prof. Ulf Preuss-Lausitz für Nordrhein-Westfalen und Bremen sein. Die Bildungsforscher halten drei Förderstunden pro Kind und Woche für sinnvoll. Diesen Wert hat Hamburg bereits erreicht. Das ist aber deutlich weniger als die sieben Förderstunden, die die Integrativen Regelklassen erhalten, die es seit den 90er-Jahren gibt.

Klemm und Preuss-Lausitz setzen für die Kinder mit LSE-Förderbedarf eine Quote von 4,6 Prozent eines Schülerjahrgangs pauschal für alle Schulen fest. In Hamburg liegt der Anteil der Kinder mit Förderbedarf an den Regelschulen aber schon bei 6,6 Prozent.

"Das Gutachten von Klemm und Preuss-Lausitz gibt Hinweise, in welche Richtung es sich entwickeln könnte", sagte Rabe. Wichtig sei ihm aber, dass Schulen in sozialen Brennpunkten deutlich mehr Förderstunden erhalten als andere Standorte. Bis zum Jahreswechsel will Rabe ein Förderkonzept vorlegen, das vom nächsten Schuljahr an umgesetzt werden soll. Gestern hat der 26-köpfige Beirat Inklusion seine Arbeit aufgenommen.