Die Ferien können nicht nur nützlich sein, um Abstand zu gewinnen. Man kann sie auch nutzen, um Klarheit zu gewinnen und Gedanken zu ordnen.

Man kann den Urlaub nutzen, um Abstand zu gewinnen. Manche nutzen die Ferien aber auch, um Klarheit zu gewinnen. Anlass zu Zweitem hat Frank Schira, bis vor Kurzem als CDU-Landesvorsitzender und Chef der Bürgerschaftsfraktion der mächtigste Christdemokrat im Rathaus neben Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus. Als Schira jetzt mit seiner Frau in den Südtiroler Bergen wanderte, trieb ihn eine Frage um: Soll er als stellvertretender CDU-Landeschef kandidieren, nachdem er wegen des CDU-Wahldebakels seine Top-Posten doch gerade erst aufgegeben hatte?

Seit der Wahl des Altonaer Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg Mitte Juni zum Parteichef ist derjenige der vier Stellvertreter-Posten frei, den Weinberg vorher innehatte. Die politische Kleiderordnung in der Union ist recht einfach: Zur Austarierung des innerparteilichen Kräfteverhältnisses müsste Wandsbek bei der Nachwahl zum Zug kommen. Denn der größte Kreisverband der Elb-Union, Wandsbek, ist seit Schiras Rücktritt nicht mehr in der Parteispitze vertreten. Die drei Vize kommen aus der CDU Nord (Rechtspolitikerin Viviane Spethmann), Eimsbüttel (Bundestagsabgeordneter Rüdiger Kruse) und Altona (Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Karen Koop). "Die Entscheidung über einen Kandidaten liegt in der Autonomie des Kreisverbandes Wandsbek", sagt denn auch der neue Parteichef Weinberg.

Schira hat als Vorsitzender der Wandsbeker CDU den ersten Zugriff auf den Posten. Vor der Sommerpause hatte sich bei einer Reihe von Parteifreunden der Eindruck verfestigt, dass Schira ernsthaft mit dem Gedanken spielt, an die Parteispitze zurückzukehren. Und: Der "nette Frank" verfügt in seinem Sprengel nach wie vor über großen Rückhalt. Wäre aber eine Kandidatur nicht eine Art Rücktritt vom Rücktritt?

Vollständige Klarheit scheint der Alpen-Urlaub für Schira noch nicht gebracht zu haben. Aber immerhin eine Tendenz. "Ich würde es auch ganz charmant finden, wenn Frau Föcking kandidieren würde", sagte Schira am Freitag dem Abendblatt. Über das Thema wolle er mit seinen Wandsbeker Parteifreunden nach seiner Rückkehr sprechen. Die 47 Jahre alte promovierte Historikerin gehörte der Bürgerschaft bis zur Neuwahl an und verfehlte den Wiedereinzug ins Parlament nur um wenige Stimmen. Föcking, die dem CDU-Ortsverband Rahlstedt entstammt, gilt als Frau mit Zukunft in der CDU.

Föcking bestätigt Gespräche mit Schira und dem Rahlstedter CDU-Chef Karl-Heinz Warnholz über eine mögliche Kandidatur. "Aber noch ist nichts entschieden", sagt Föcking. "Ich freue mich, dass wir zwei denkbare und gute Kandidaten für das hohe Amt haben", sagt CDU-Urgestein Warnholz, enger politischer Weggefährte von Schira. Dessen Ortsverband Alstertal und Warnholz' Rahlstedter haben zusammen eine Mehrheit im CDU-Kreisverband. Mit anderen Worten: Gegen die beiden wird nichts laufen.

Es gibt etliche Parteifreunde, die eine Bewerbung Schiras um den Posten des Vize-Parteichefs für "nicht klug" hielten. Schira hat natürlich nicht vergessen, dass die Delegierten des CDU-Parteitags ihn schon einmal regelrecht abgestraft haben. Bei der Aufstellung der Landesliste für die Bürgerschaftswahl Anfang Januar erhielt der damalige Partei- und Fraktionschef nur 61 Prozent der Stimmen. Insofern trüge eine erneute Kandidatur für ein Spitzenamt durchaus ein Risiko in sich. Im Übrigen: Als Erster Vizepräsident der Bürgerschaft wird Schira ohnehin zu Vorstandssitzungen eingeladen. Und er bleibt auch als Vorsitzender des Kreisverbandes Wandsbek ein Machtfaktor in der Union. Der Reiz einer Kandidatur ist also, nüchtern betrachtet, für Schira durchaus begrenzt.

Von größerer Attraktivität ist da schon eine andere Perspektive, über die in den Hinterzimmern der Macht auch schon gesprochen wird. Schira könnte, so die Überlegung, bei der Bundestagswahl 2013 im Wahlkreis Wandsbek antreten. Voraussetzung wäre allerdings, dass der Jenfelder Abgeordnete Jürgen Klimke, der seit 2002 im Bundestag sitzt, nicht mehr kandidieren will. Parteiintern wird mit diesem Schritt Klimkes gerechnet, zumal er bei einer Kampfkandidatur gegen Schira wohl schlechte Karten hätte.

Ein Generationswechsel zeichnet sich im Wahlkreis Nord/Alstertal ab. Noch hat Dirk Fischer, der seit 1980 Abgeordneter ist und 2013 70 Jahre alt sein wird, seinen Verzicht nicht erklärt. Dennoch ist es ein offenes Geheimnis in der Union, dass Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus Fischer gern beerben würde. Schon zeichnet sich ein Gerangel um die Listenplätze ab, die für die Union angesichts der erstarkten SPD von Bedeutung sein könnten.

Weinberg wird Platz eins beanspruchen, Schira dürfte sich mit seiner Hausmacht auf Platz zwei durchsetzen, wenn er denn antritt. Spannend wäre dann, wer auf den möglicherweise schon unsicheren Platz vier abrutscht: Kruse oder Ahlhaus?