Die Träger hätten bei zu wenig Kontrolle angeblich freien Zugriff auf Steuergeld gehabt. Markus Schreiber, Bezirksamtsleiter Mitte, kritisiert die Verwaltung.

Hamburg. Im Streit um die steigenden Kosten in der Familienhilfe wird nun auch Kritik der Verwaltung an den Trägerorganisationen laut. "Ich habe das Gefühl, dass die Träger freien Zugriff auf Steuergeld hatten", sagt Markus Schreiber (SPD), Leiter des Bezirksamts Mitte. "Rechnungen von Klempnern sind detaillierter als die von Trägern." So sei es durchaus üblich, dass entsprechende Organisationen lediglich die Zahl der Stunden sowie den Stundensatz aufführten, einen Beweis, dass sie ihre Leistungen auch erbracht hätten, allerdings nicht. "So wussten wir nicht, ob die Mitarbeiter auch vor Ort waren."

Auch der Bezirksamtsleiter von Nord, Wolfgang Kopitzsch (SPD), berichtet von ähnlichen Erfahrungen. "Es gab Fälle, in denen die Träger im Prinzip selbst entscheiden konnten, wer welche Hilfe erhält." Und ein anderer führender Verwaltungsmitarbeiter, der nicht genannt werden möchte, berichtet dem Abendblatt über eine gewisse Ohnmacht gegenüber den Trägern. "Wir müssten viel stärker kontrollieren, was die genau machen und was die Maßnahmen bewirken. Aber dafür fehlt das Personal. Dann wird halt nur noch abgezeichnet - und das kostet." In kaum einem anderen Bereich der Stadt werde so viel Geld für so eine verhältnismäßig kleine Gruppe ausgegeben, das sei eigentlich unverantwortlich.

Auslöser dieser Äußerungen ist die Steigerung der Kosten für die sogenannten Hilfen zur Erziehung für Familien in Problemlagen. Gab die Stadt dafür 2001 noch rund 133 Millionen Euro im Jahr aus, sind es heute 100 Millionen Euro mehr. Vor diesem Hintergrund hat die Hamburger Sozialbehörde die Leitung einer Arbeitsgruppe von SPD-Staatssekretären übernommen, die das Kinder- und Jugendhilferecht derart ändern soll, dass die Ausgaben nicht noch weiter steigen.

Gabi Brasch, Vorstand der Hamburger Diakonie, bestreitet, dass sich die Träger praktisch in einer Art Selbstbedienung lukrative Aufträge ergattern würden. "Die Entscheidung über Familienhilfen fallen immer in den Jugendämtern und nicht bei den Trägern." Zwar sei es möglich, dass Entscheidungen der Ämter wegen Unterbesetzungen in Zeitnot getroffen würden oder sich die Beamten nicht intensiv genug mit den Familien beschäftigten. "Aber dass die Träger derartige Entscheidungen träfen, würde die Welt verkehren." Das sieht Michael Edele, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, des Dachverbands der Trägerorganisationen, genauso. "Genehmigen kann nur die Behörde."

Bezirksamtsleiter Schreiber jedenfalls hat für seinen Bezirk sogenannte Kontaktbögen eingeführt. Auf diesen müssen die betroffenen Familien die geleisteten Stunden der Trägerorganisationen abzeichnen. Träger, die sich diesem System verweigern, bekommen keine Folgeaufträge im Bezirk Mitte. Laut Schreiber sei ein Unternehmen überführt worden, welches mehr als die geleisteten Stunden abgerechnet habe.

Am Ende der Überlegungen der SPD-Arbeitsgruppe könnte die Abschaffung des Rechtsanspruchs auf derartige Hilfen stehen. Zumindest ist angedacht, Maßnahmen wie die aufwendige Entsendung von Sozialarbeitern und Pädagogen in entsprechende Familien durch andere zu ersetzen. So soll die Hilfe außerhalb der Familien, etwa in Form von Begegnungsstätten, angeboten werden.

"Aus fachlicher und finanzieller Sicht kommt es auf die richtige Hilfe zum richtigen Zeitpunkt an", sagt Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) dem Abendblatt. "Es gilt weder das Prinzip ,Viel Geld hilft auch viel', noch wollen wir das Budget für Hilfen absenken. Vielmehr wollen wir durch ein Umsteuern in dem Bereich Spielräume schaffen für andere Angebote der Jugend- und Familienhilfe."

Die GAL warnt vor der Abschaffung des Rechtsanspruchs, weil Hilfe dann nur nach Kassenlage genehmigt werden würde, so die Befürchtung. Das bezeichnet die SPD-Familienexpertin Melanie Leonhard als Panikmache. "Gerade die GAL trägt Mitverantwortung für die fahrlässige Unterfinanzierung bei den Hilfen zur Erziehung."

Mehmet Yildiz von den Linken sagt: "Man darf die Rechtsansprüche nicht aus Kostengründen kürzen."

Und Christoph de Vries (CDU) schlägt vor, das externe Angebot in den Rechtskatalog aufzunehmen. "Damit bestünde weiterhin ein Rechtsanspruch, aber die staatlichen Stellen hätten bei der Gewährung der Hilfsmaßnahme einen größeren Handlungsspielraum."