Aus dem gesamten Bundesgebiet zieht es Abiturienten an die Elbe. Doch die Plätze sind knapp. Juristen rechnen mit einer Klagewelle.

Hamburg. Fast ein bisschen naiv sei sie damals gewesen, sagt Vanessa Kusch. Gerade mal an zwei Hochschulen habe sie sich nach dem Abitur (Note 2,1) beworben, sagt die 23-Jährige. In Bielefeld - und in ihrer Traumstadt Hamburg, wo sie seit 2009 Erziehungswissenschaften und Psychologie studiert. "Ich wusste gar nicht, was für ein großes Glück ich hatte." Sie ist froh, dass sie sich nicht zum Wintersemester bewerben musste. "Ich weiß von jüngeren Freunden, dass der Andrang riesig ist." 53 314 Abiturienten haben sich an der Universität Hamburg um 8473 Studienplätze beworben - das sind 16 493 oder 45 Prozent mehr Bewerber als im Vorjahr und so viele wie nie zuvor.

Durch den doppelten Abiturjahrgang in Bayern und Niedersachsen, woher es traditionell viele Studierende an die Elbe zieht, ist der Bewerber-Ansturm in diesem Jahr enorm. Nicht nur an der Universität Hamburg und der Technischen Universität Hamburg-Harburg, sondern auch an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), die einen Zuwachs von vier Prozent bei den Anmeldungen fürs Wintersemester verzeichnet - das entspricht 700 Bewerbern mehr als sonst. Insgesamt interessieren sich 17 700 junge Menschen für ein Studium an der HAW. "Ich finde es toll, dass sich so viele bewerben", sagt HAW-Präsident Michael Stawicki. Die Stadt brauche junge Fachkräfte, schon jetzt mangele es an Ingenieuren: "Die steigenden Bewerberzahlen müssten der Politik ein Ansporn sein, die Studienbedingungen in Hamburg weiter zu verbessern."

Beliebt bei jungen Menschen ist die Hansestadt ohnehin schon - auch die Universität konnte schon mit ihrem City-Campus punkten, als der bundesweite Ruf der Hochschule noch verhaltener ausfiel. Doch was zieht Abiturienten nach Hamburg, warum ist der Andrang so enorm hoch? "Da ich ursprünglich aus Kiel komme, wollte ich für mein Studium gerne im Norden bleiben", sagt die 21-jährige Lisa Teich.

Beworben hatte sich die junge Frau in Hamburg, Berlin, Braunschweig und Hannover. "Ich wollte unbedingt in einer Großstadt leben, die auch noch relativ nah am Meer liegt. Daher habe ich mich entschlossen, nach Hamburg zu gehen - und es hat geklappt", sagt die Studentin der Wirtschaftsingenieurwissenschaften an der HAW. Auch ihre Kommilitonin Suse Warnecke, 21, hatte sich an verschiedenen Hochschulen beworben. "Ich hatte Bewerbungen nach Berlin und Aachen geschickt, da ich unbedingt in eine Großstadt wollte. Hamburg war aber mit Abstand meine erste Wahl."

Ein Kompliment an die Hochschulen der Hansestadt, das auch der Wissenschaftsbehörde guttut. "Es freut uns natürlich sehr, dass Hamburg als Studienstandort so begehrt ist", sagte eine Sprecherin dem Abendblatt. Aus dem gesamten Bundesgebiet ziehe es traditionell junge Menschen an die Elbe. Wie Stefanie Rzehorz. Die 23-Jährige kommt ursprünglich aus Baden-Württemberg und studiert seit vergangenem Oktober BWL in Hamburg.

"Ich hatte mich an zwölf verschiedenen Universitäten beworben, unter anderem in Hamburg. Da ich hier schnell angenommen wurde und der Numerus clausus an anderen Universitäten teilweise sehr hoch war, fiel meine Wahl auf Hamburg."

Doch was tun eigentlich jene Abiturienten, die aufgrund ihres Notendurchschnitts nicht sofort einen Platz bekommen? Gerade in diesem Jahr, wenn sich zum Wintersemester allein an der Universität Hamburg bis zu sechs Bewerber um einen Studienplatz streiten? Juristen warnen schon jetzt vor einer Klagewelle, die auf die Hochschulen in Deutschland zukomme. "Die Zahl der Klagen wird um mindestens ein Drittel steigen", sagt der Hamburger Hochschulrechtler Dirk Naumann zu Grünberg. "So kann auch jemand mit der Note 3,0 noch einen Platz bekommen, obwohl dafür eigentlich ein Schnitt von 1,3 nötig wäre", sagt der Jurist, der eine auf Hochschulrecht spezialisierte Kanzlei führt.

Allerdings sei es schwierig, sich an der Universität Hamburg einzuklagen. "Das Verfahren muss nämlich bis zum ersten Studientag eingeleitet worden sein", so der Experte. Kurz gesagt: "Wer bis dahin nicht beim Gericht auf der Matte stand, hat keine Chance, vom Richter gehört zu werden." Auch dürfe höchstens ein Monat zwischen dem Datum des Ablehnungsschreibens der Universität und dem Einreichen der Klage liegen.

Darüber muss sich Gökhan Torkay keine Sorgen machen. Der 30-Jährige hat, wie die Mehrheit der Studierenden, auch ohne Klage einen Studienplatz gefunden. "An einer anderen Universität hatte ich mich nicht beworben, da ich aus Hamburg komme und die Uni einen guten Ruf hat. Toll, dass es geklappt hat."