Universitäten sind unzureichend auf Erstsemester vorbereitet

Es ist ein Rekord mit Ansage: Die Hochschulen verzeichnen für das Wintersemester so viele Bewerbungen von Abiturienten wie nie zuvor. Allein an der Universität Hamburg haben sich knapp 16 500 Bewerber oder rund 45 Prozent mehr beworben als im Vorjahr - damit kommen auf einen Studienplatz jetzt 6,3 Interessenten. Der Ansturm mag als Kompliment an eine für junge Menschen attraktive Stadt interpretiert werden. Weniger romantisch betrachtet, ist die hohe Bewerberzahl aber den doppelten Abitur-Jahrgängen in Niedersachsen geschuldet. Auch das Ende der Wehrpflicht und der bisher ausbleibende Erfolg des Bundesfreiwilligendienstes tragen dazu bei, dass die meisten Abiturienten bis zur Immatrikulation keine Zeit verstreichen lassen.

Die Doppeljahrgänge waren als Folge des G8-Schulsystems absehbar, und die Abschaffung der Wehrpflicht wurde nicht erst gestern beschlossen. Die Entwicklung ist also ungefähr so überraschend wie Heiligabend am 24. Dezember. Dennoch sind einige Hochschulen nur sehr unzureichend auf die vielen neuen Erstsemester vorbereitet. Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) soll der Christian-Albrechts-Universität bereits den Ratssaal als "Ausweichmöglichkeit" angeboten haben. Und die Studierenden, die bald in einem Kieler Kinosaal sitzen, dürften sich wie im falschen Film fühlen. Nicht immer geht Probieren über Studieren - manchmal hilft ein konkreter (Raum-)Plan. Gute Lehre erfordert eine gute Infrastruktur. Insofern hat Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen recht, wenn er fordert, die Hochschule nicht durch Einsparungen zu belasten. Die Länder sind überfordert, der Bund muss die Universitäten stärker unterstützen.

Zumal es Handlungsbedarf gibt. Noch im Herbst wurde in einer OECD-Studie beklagt, dass Deutschland im internationalen Vergleich zu wenige Hochschulabsolventen hervorbringe und insbesondere bei Ingenieuren ein Fachkräftemangel drohe. Die positive Nachricht: Die Abiturienten, die sich für das Wintersemester beworben haben, wollen nicht alle irgendetwas mit Medien machen. Auch die Technische Universität (TU) Hamburg hat 25 Prozent mehr Bewerber als im Vorjahr. Ein Fehler im System ist allerdings, dass trotz des Ansturms am Ende wieder unzählige Studienplätze in allen Bereichen unbesetzt bleiben dürften, weil sich die Abiturienten an mehreren Hochschulen parallel bewerben. Als viele Plätze noch zentral vergeben wurden, gab es das nicht.