Der ehemalige erste Bürgermeister erreicht mit 70 Jahren die Altersgrenze als Notar. Er erringt Teilerfolg im politischen Streit um Kanzleigröße.

Altstadt. Es war ein Abschied im kleinen Kreis. Keine große Rede. Eher ein leicht wehmütiges Farewell unter Kollegen, nachdem die letzte Schlacht geschlagen ist. "Dies ist meine letzte Kammersitzung. Es war eine schöne Zeit", sagte Henning Voscherau, Altbürgermeister und so etwas wie der Inbegriff des Hamburger Notars, mindestens aber sein prominentester Vertreter. Rund 60 Notare applaudierten freundlich, aber nicht überschwänglich, wie es eben zu dem um Diskretion bemühten Berufsstand passt.

Voscherau wird am 13. August 70 Jahre alt. Er hat damit die Altersgrenze erreicht, die die Bundesnotarordnung vorschreibt. Insider berichten, dass er wohl gern weiter gearbeitet hätte. Aber eine solche "Lex Voscherau" wird es nicht geben. Bis zuletzt hat der Altbürgermeister, seit 1974 Notar, jedoch in einem anderen Punkt für seinen Berufsstand gekämpft - dabei auch den eigenen Vorteil im Blick gehabt - und schließlich einen Teilerfolg errungen. Künftig dürfen sich wieder bis zu fünf Notare in einer Kanzlei zusammenschließen. Für den Übergang sind sogar sechs Beurkunder erlaubt. Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) hat angekündigt, die Notarverordnung entsprechend zu ändern, nachdem sich die Notarkammer mit mehr als 80 Prozent Zustimmung für ihren Vorschlag ausgesprochen hatte. Derzeit liegt die Höchstgrenze bei drei Notaren pro Kanzlei.

Große Notariate mit sechs, ja sieben Sozien sind eine Hamburger Besonderheit in Deutschland. Die Großnotariate sind hoch spezialisiert - zum Beispiel auf internationales Vertragsrecht, wichtig an einem Standort mit weltweit operierenden Unternehmen wie Hamburg. Die großen Kanzleien sind in der Personalplanung flexibler, und sie zahlen auf Grund ihrer Größe und lukrativer Mandate ausgeschiedenen "alten" Sozien zum Teil sogar Pensionen. So lohnt es sich auch für die "alten Herren", sich für das gedeihliche Weiterbestehen der eigenen Kanzlei einzusetzen.

Mit der auf den ersten Blick marginalen Änderung der Notarverordnung dürfte eine sechsjährige turbulente Phase für die Hamburger Beurkunder zu Ende gehen. Turbulent waren die Jahre nicht zuletzt deswegen, weil den exklusiven Berufsstand eine beispiellose Politisierung erfasst hat, in deren Zentrum immer wieder ein Name auftauchte: Henning Voscherau.

Im Sommer 2005 hatte sich der damalige Justizsenator Roger Kusch (damals CDU) für alle Beteiligten überraschend entschlossen, die bis dahin unbegrenzte Zahl von Sozien in einem Notariat auf drei zu beschränken. Das entsprach durchaus der bundesweit üblichen Praxis, nur eben nicht dem Hamburger Sonderweg. Kusch begründete seinen Schritt damit, dass die Versorgung mit Notaren in der Fläche nicht gewährleistet sei, weil sich die Großnotariate in der City ballten.

Eine wirklich stichhaltige Begründung war das in einer Großstadt mit kurzen Wegen nicht. Wer einmal in seinem Leben einen Hauskauf notariell beglaubigen lässt, ist vermutlich bereit, dafür von Billstedt in die Innenstadt zu fahren. Zumal, wie Voscherau und andere sofort versicherten, Notare auch Hausbesuche machen.

So blieb an zugrunde liegender politischer Motivation vor allem eine übrig: Kuschs Vorstoß, unterstützt vom damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU), war eine Kampfansage an die Großnotariate. Nicht wenige Insider vermuteten damals, dass die Aktion auch eine Art Rache an Voscherau persönlich war. Voscherau, dessen Notariat am Alstertor mit sieben Sozien eines der größten ist, hatte sich im Wahlkampf bisweilen über von Beusts angeblich laxe Arbeitsmoral mokiert. Jetzt versuchte der Altbürgermeister im direkten Gespräch mit seinem Amtsnachfolger die Großnotariate zu retten. Doch vergeblich. Auch die massive Intervention der Handelskammer und von Unternehmensverbänden konnte von Beust nicht umstimmen.

"Das ziehen wir durch", lautete das Motto des Bürgermeisters. Der CDU-Senat beschloss im Juni 2005 die Änderung der Notarverordnung. Die Folge war eine Flut von Klagen: Eine zweistellige Zahl von Notaren ging und geht juristisch gegen die von Kusch durchgesetzten Änderungen vor. Voscherau und seine Sozien erhielten vom Bundesverfassungsgericht Bestandsschutz für ihr Großnotariat.

Das höchste Gericht nahm jedoch den Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Hamburger Notarverordnung nicht an. Es entwickelte sich ein rechtlicher Schwebezustand, in dem die Großnotariate die durch Todesfälle oder Pensionierungen fälligen Verkleinerungen durch Ausnahmeregelungen abzumildern versuchten.

Nachdem Kusch sehr schnell nicht mehr Justizsenator und von Beust seit vergangenem Jahr nicht mehr Bürgermeister war, fehlten die Triebfedern des politischen Konfrontationskurses. Die Zeit für einen Frieden mit den stets diskreten, aber nun in eigener Sache aufmüpfigen Notaren schien gekommen. Allein: Schwarz-Grün fehlte der gemeinsame Wille.

Vielleicht lag es daran, dass die CDU es nicht übers Herz brachte, den von ihr einmal eingeschlagenen Weg zu korrigieren. Die Lage änderte sich erst mit dem Machtwechsel hin zur SPD nach der Bürgerschaftswahl im Februar. Es ist klar, dass Voscherau sein Engagement nun noch einmal verstärkte. Zwar liegt der Schluss nahe, die neue Justizsenatorin Jana Schiedek habe mit ihrer Entscheidung für eine Begrenzung auf fünf Notare pro Kanzlei dem Drängen des prominenten Sozialdemokraten wenige Monate nach ihrer Amtsübernahme nachgegeben.

Doch so einfach ist die Lage nicht. Voscherau und die anderen Vertreter der Großnotariate hätten es am liebsten gesehen, wenn die Größenbeschränkung ganz gefallen wäre. So gesehen hat Schiedek selbstbewusst agiert.

Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass sie nach Informationen des Abendblatts ursprünglich auch eine Höchstgrenze von sechs Sozien erwogen hatte.

Das Fünfer-Notariat ist auch ein Entgegenkommen in Richtung der Einzel- und Zweierkanzleien, die sich von den "Großen" leicht an den Rand gedrängt fühlen. "Der Justizsenatorin ist ein Befreiungsschlag gelungen", sagt einer, der es wissen muss. Vielleicht kehrt ja tatsächlich wieder Frieden zwischen den Notaren und der Politik ein.