Martin Köttering erklärt, warum er sich im Ausschuss auszog

Uhlenhorst. "Das war eine ganz spontane Aktion", sagt Martin Köttering, Präsident der Hochschule für bildende Künste (HFBK) am Tag nach seiner spektakulären Aktion vor dem Wissenschaftsausschuss im Festsaal des Rathauses.

"Vor mir hatten schon vier, fünf andere Präsidenten mit vielen Zahlen brilliert und untermauert, warum weiteres Sparen bei den Hochschulen nicht mehr möglich ist." Bittere Zahlen hatte auch er reichlich dabei, erinnerte sich dann aber daran, dass die HFBK "nicht nur das Recht hat, sondern geradezu die Pflicht, eine andere Sprache zu finden. Ich wollte", sagt er am Tag danach, "ein einprägsames Bild dafür finden, dass es bei uns mittlerweile um Existenzen geht."

Als er am Dienstag aufgerufen wird, zieht er unter dem Motto "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" erst sein Jackett aus, dann sein Hemd und steht schließlich mit blankem Oberkörper vor dem Ausschuss. Riesiger Beifall und Jubel, das einfache Bild für den verwickelten Sachverhalt wird sofort verstanden: Hier geht es inzwischen um das letzte Hemd. Einige halten die Szene mit dem iPhone fest, so entsteht eine Art Bildikone des gegenwärtigen Protestes. Die großen Kameras waren zehn Minuten zuvor aus dem Saal verbannt worden.

Köttering legt Wert darauf, dass er ein fantasievolles, aber auch ernsthaftes und nachhaltiges Symbol des berechtigten Protests in die Welt gesetzt hat. "Das ist kein Kaspertheater." Mit anderen historischen Bildikonen des Studentenprotests, etwa dem berühmten "Busenattentat" von 1969 gegen den Frankfurter Philosophen Theodor W. Adorno, will er das nicht vergleichen - da ging es um ganz andere Inhalte.

Einen Hang dazu, sich per Kunst in öffentliche Debatten einzumischen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografie des seit 2002 amtierenden, "immer noch jüngsten und inzwischen auch dienstältesten" Hamburger Hochschulpräsidenten. 1964 geboren, studierte er Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim und Bath (England). 1992 wurde er Assistent des Leiters der documenta 9, Jan Hoet. "Da hab ich meinen Meister gemacht." Köttering hat in Nordhorn internationale Kunst präsentiert und gleichzeitig auf vielen Kanälen Politik und Kunst zusammengebracht.

Die HFBK in Hamburg, die er jetzt in seiner zweiten Amtszeit leitet, hat er völlig neu aufgestellt. "Wir konnten 80 Prozent der Professorenstellen neu besetzen, mit sehr guten, auch international renommierten Künstlern. Die Studienschwerpunkte sind durchlässig geworden: Malerei, Bildhauerei, Medien, Bühnenraum, Film, Design, Fotografie, Grafik und Kunstpädagogik. Schon zum zweitenmal in Folge ging der Bundeskunstpreis in diesem Jahr 2011 an eine Studierende der HFBK.

2009 veranstaltete Köttering in der HafenCity die Ausstellung "subvision", in der internationale Künstler Positionen zur sich dort neu entwickelnden Urbanität bezogen. Ob der aktuelle Protest der Studierenden noch weitere bildkräftige Aktionen der HFBK hervorbringt?

Der Mann, der seine Hochschule als berühmten und berüchtigten Ort produktiver Unruhe bezeichnet, der die Stadt vor Selbstgefälligkeit bewahren will, weiß um die Kreativität, Inspiration und Fantasie seiner 750 Studierenden. Und hofft, dass die Diskussionen in der Politik zu einem Entgegenkommen führen, das Hoffnung macht.