Gewerkschaften kritisieren Pläne des Schulsenators als “Alibi-Angebot“. Initiative kostet voraussichtlich “einstelligen Millionenbetrag“.

Hamburg. "Südkorea", dieses Wort fiel in der Kritik an Schulsenator Ties Rabe (SPD), der noch für dieses Jahr kostenlose Nachhilfe für alle Schüler mit schwachen Leistungen plant. "In diesem Land bieten die Schulen das Basisangebot, den Rest müssen Eltern dazukaufen", sagte Klaus Bullan, GEW-Vorsitzender, dem Abendblatt. Zwar zahlt laut SPD-Plänen der Staat die Förderstunden, doch Bullan erkennt darin eine Ausgliederung. "Die Förderung müssen Lehrer leisten, die ihre Schüler kennen, keine zugekauften Kräfte." Auch Helge Pepperling, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lehrerverband Hamburg, sagt: "Unterricht und Förderung müssen verzahnt sein, sonst ist das ein Alibi-Angebot." Der gemeinsame Appell dieser unterschiedlichen Gewerkschaften: Die Behörde soll mehr Lehrer einstellen, statt Extraprogramme aufzulegen.

Schulsenator Rabe plant zwar, den Schulen freie Hand bei der Organisation des Förderunterrichts zu lassen - er will aber nicht, dass zusätzliche Kräfte im normalen Unterricht einspringen. Rabe sagte dem Abendblatt, es sei neben Referendaren oder pensionierten Lehrern auch denkbar, private Anbieter zu nutzen. "Wichtig ist, dass die Angebote in den Schulen sind, damit die Wege für die Schüler kurz bleiben." Welche Schüler zur Nachhilfe sollen, das würden Lehrer "in Rücksprache mit den Schülern und Eltern" entscheiden. Wie die Zusatz-Budgets an die Schulen verteilt werden, sei noch unklar. "Die Schülerzahl wird dabei eine Rolle spielen."

Der Senat rechnet damit, dass annähernd 7000 Schüler (etwa fünf Prozent) die Gratis-Förderung nutzen werden. Einen "einstelligen Millionenbetrag" werde das jährlich kosten. Die Rechnung: Im Schnitt 2800 Schüler (rund zwei Prozent) haben bisher jährlich eine Klasse wiederholt. Das "Sitzenbleiben" wurde noch auf Beschluss des schwarz-grünen Senats abgeschafft. Rabe geht davon aus, dass doppelt so viele Schüler die Gratis-Förderung nutzen wie sonst eine Klasse wiederholt hätten. Laut Schulbehörde kostet jeder Schüler, der eine Klasse zurückgeht, die Stadt zusätzlich 6000 Euro - dieses Geld werde eingespart, mittelfristig belasten die Förderstunden den Haushalt nicht zusätzlich, sagte Rabe.

Bereits der schwarz-grüne Senat hatte verfügt, dass Schüler, die die "Leistungsanforderungen" nicht erfüllen, eine kostenlose Förderung bekommen. GAL-Schulpolitikerin Stefanie von Berg wirft dem SPD-Senat daher vor, eine "Mogelpackung" mit bereits bestehenden Ansprüchen geschnürt zu haben.

Rabe sagt, er gehe über bereits gefasste Beschlüsse hinaus. "Ich habe mehrere lose Fäden zu einem kräftigen Seil verschnürt." So werden auch Mittel aus dem Bildungspaket von Bundesministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur ersten Finanzierung verwendet. Anders als von GAL und CDU geplant, haben nach den Plänen Rabes bereits ab den Sommerferien sämtliche Schüler mit schwachen Leistungen einen Anspruch auf Nachhilfe; zuvor war geplant, diesen Anspruch mit der stufenweisen Abschaffung des "Sitzenbleibens" auszuweiten.

Voraussetzung für die kostenlosen Förderstunden ist nicht, dass die Eltern staatliche Transferleistungen beziehen. Anders beim Bildungspaket von Bundesministerin Ursula von der Leyen (CDU). Das Interesse an den Bildungshilfen scheint größer zu sein als vermutet: Gestern liefen in vielen Schulsekretariaten die Drähte heiß. Die Eltern haben viele Fragen.