Ole von Beust hat ihn wohl vermisst - und ließ sein gläsernes Möbelstück aus dem Bürgermeister-Büro holen. Scholz ist schreibtischlos.

Hamburg. Der Bundespräsident hat es vorgemacht. Die Weihnachtsansprache, seit Menschengedenken vom Schreibtisch aus an die Nation gerichtet, hielt Christian Wulff im vergangenen Dezember erstmals im Stehen. Eine Premiere, die gut ankam beim Volk. Präsentierte sich der oberste Mann im Staate doch ganz unkonventionell.

Dass Olaf Scholz sich Wulff zum Vorbild genommen hat, so weit will man nicht gehen. Ein Bürgermeister zu sein, der sich nicht hinter seinem Schreibtisch versteckt, hat dennoch ebenso eine hübsche Symbolkraft. Seit ein paar Tagen nämlich ist Olaf Scholz schreibtischlos. Bislang hatte er im Dienstzimmer im Rathaus an dem Tisch gesessen, den einst sein Vorvorgänger Ole von Beust mitgebracht und den dieser nach seinem Abgang einfach stehen gelassen hatte. Nachdem Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus übergangsweise daran saß, hat von Beust das Möbel jetzt abholen lassen. Hinterlassen hat er eine Lücke, ausgelegt mit (ziemlich scheußlichem) blaufarbenem Teppich.

Nun ist es nicht so, dass von Beust seinem sozialdemokratischen Nachfolger den Schreibtisch unter den Akten entrissen hätte. Die Abholung am frühen Donnerstagmorgen war im Terminkalender vermerkt und der Hausherr nicht zugegen. Als Scholz am späten Vormittag in seinem Büro aufschlug, gähnte ihm die Leere bereits entgegen.

Der ganze Vorgang soll, trotz all der politischen Brisanz, die man darin erkennen möchte, ziemlich unaufgeregt vonstatten gegangen sein. "Olaf Scholz ist seinen Möbeln gegenüber ganz unemotional", sagt ein Senatssprecher. Als ob man etwas anderes erwartet hätte.

Dabei handelte es sich eigentlich um ein sehr schönes Möbel, eine große Glasplatte mit silberfarbenen Beinen, modern, grazil und ohne viel Schnickschnack. Aus diesem Grund wollte Ole von Beust ihn wohl auch zurück, es heißt, er soll sehr an dem Möbel hängen. Vor gut zehn Jahren hatte von Beust den Schreibtisch seiner Fraktion abgekauft, nun soll das gute Stück in von Beusts neuem Büro an den Colonnaden seinen neuen Platz finden. Dort fehlte auch einer.

Olaf Scholz und seinem Laptop bleibt unterdessen der Konferenztisch des Dienstzimmers, im Gegensatz zum von beustschen Glasmöbel ein wuchtiger und antiquierter Einrichtungsgegenstand, sechs Quadratmeter groß, aus dunklem Holz mit Lederbezug. Gerüchten zufolge ein Relikt aus der Zeit von Christoph Ahlhaus. In diesem Fall steht der Abholtermin noch aus.

Ein Glück, dass Scholz relativ oft außerhalb seines Büros zu tun hat. Und ansonsten rückt, so will man es mal annehmen, im kargen Büro die Arbeit in den Vordergrund. Eine schöne Anekdote ist in diesem Zusammenhang aus Berlin überliefert. Noch Wochen nachdem Scholz Franz Müntefering 2007 als Arbeitsminister abgelöst hatte, soll dessen komplette Einrichtung im Büro gestanden haben. Beim Einzug ins Rathaus lautete dann auch des Bürgermeisters Credo: "Die Möbel kommen als Letztes."

Früher oder später, da darf man sicher sein, wird sich Scholz aber der Altlast aus dunklem Holz entledigen.