Fast hätte es geklappt. Bis Donnerstagnachmittag lief für die CDU-Frauen alles nach Plan. Einen Tag später sollte Karin Prien, stellvertretende Altonaer Kreisvorsitzende und Neu-Bürgerschaftsabgeordnete, ihre Kandidatur für den Landesvorsitz bekannt geben - mit der geschlossenen christdemokratischen Frauenschaft im Rücken. Der Raum im Hotel Steigenberger war schon bestellt. Doch aus dem Überraschungscoup wurde nichts. Hamburger Zeit satte zehn Stunden voraus, meldete Marita Meyer-Kainer, Vorsitzende der Frauenunion, fernmündlich aus Schanghai ihre Bewerbung an: "Die Zeit ist reif für eine Frau in diesem Amt."

Das heimische Frauen-Netzwerk reagierte irritiert, aber professionell. Prien ließ durchsickern, dass sie antreten werde. Öffentlich lobte sie tapfer den unverhofften Zuwachs auf dem Stimmzettel als "Quantensprung auf dem Weg zur offenen Bürgerpartei". Andere machten ihrem Ärger hinter vorgehaltener Hand Luft. Kontraproduktiv sei die Meyer-Kainer-Kandidatur, war noch eine der harmloseren Äußerungen im sich anbahnenden Zickenkrieg. Deutlicher war: "Die ist uns in die Kniekehlen gegrätscht."

Aber zwei Kandidatinnen sind besser als keine. Lange sah es so aus, als ob sich keine Frau für das Spitzenamt finden würde. Rückblende: Es war am Abend nach dem dramatischen Wahldebakel der CDU am 20. Februar. Parteichef Frank Schira hatte kaum seinen Rücktritt angekündigt, da bestürmten die versammelten Journalisten die Partei-Vize Marcus Weinberg und Rüdiger Kruse mit der Frage, ob sie sich um die Nachfolge bewerben würden. Die beiden Stellvertreterinnen, Viviane Spethmann und Karin Koop, standen unbeachtet daneben. "An uns denkt wieder niemand", sagte Koop, seit Jahren Vorkämpferin in Sachen Frauenförderung.

Doch die Frauen blieben nicht untätig. "Das Imperium schlägt zurück", sagt eine führende CDUlerin acht Wochen später. Seit Priens Kandidatur besteht erstmals die realistische Chance, dass künftig eine Frau an der Spitze der Konservativen steht. Für viele in der Partei, besonders aber die Männer, kommt das völlig überraschend. Und nicht nur das. Mit Prien würde auch eine entschiedene Gegnerin der Schulreform an die Macht kommen. Bislang war Marcus Weinberg, Bundestagsabgeordneter und ausdrücklicher Befürworter der Primarschule, über Wochen der einzige aussichtreiche Bewerber. Zwar gibt es mit Ex-Staatsrat Rolf Reincke und dem Rahlstedter Detlef Bandow-Tadsen zwei weitere männliche Kandidaten. Aber es ist der Coup der Frauen, der das Machtgefüge in der CDU gründlich aufmischt.

Dabei gingen die Frauen äußerst effektiv vor. Es fing an mit dem Beschluss der Partei, das Spitzenamt mittels einer Mitgliederbefragung zu besetzen. "Wir haben systematisch eine von uns ausgeguckt, die es machen kann", sagt eine aus dem dafür eilig gegründeten Frauen-Netzwerk. Es wurde telefoniert, gemailt, auch mal ein Kaffee zusammen getrunken. "Das war keine Kungelei. Es gab auch keine konspirativen Treffen, dafür hatten wir gar keine Zeit." Schnell kristallisierten sich Partei-Vize Spethmann und die Newcomerin Prien als Kandidatinnen heraus. Nachdem Spethmann aus beruflichen Gründen ablehnte, lief alles auf Prien hinaus. Die 45-Jährige ist Juristin mit Schwerpunkt Handels- und Gesellschaftsrecht, Mutter von drei Söhnen und kommt aus Blankenese. "Sie ist jung, unverbraucht und passt perfekt zum bürgerlichen Bild der CDU", so die Einschätzung.

Als die Auserkorene noch zögerte, verstärkten die CDU-Frauen den Druck. Allen voran Karen Koop. Sie selbst werde kandidieren, sollte sich keine jüngere Frau finden. Ihr Argument: "Wir Frauen dürfen nicht warten, sondern müssen Machtanspruch erheben und uns die Ämter nehmen." Der Appell wirkte. Prien sagte zu, nachdem sie sich das Plazet ihrer Familie geholt hatte. Um das Arbeitspensum im neuen Posten zu bewältigen, will sie sogar ihren Job als Anwältin aufgeben.

Alles war bestens vorbereitet - ganz ohne Männer. Und dann kam der Querschuss von Marita Meyer-Kainer. Diese, derzeit auf Reisen im fernen China, will nichts von einer anderen Frauen-Bewerbung gewusst haben. "Ich hatte mein Interesse angedeutet. Man hätte eher mit mir sprechen können." Genau das hatten die Netzwerkerinnen nicht getan. Dahinter steckt nicht zuletzt eine gepflegte Abneigung zwischen der jetzigen Chefin der Frauenunion und ihrer langjährigen Vorgängerin Koop. Zwar werden Meyer-Kainer keine großen Chancen eingeräumt. Aber die von Prien könnte sie schmälern.

"Das Rennen wird zwischen Weinberg und Prien entschieden", orakelt einer aus der CDU-Führungsriege. Dabei geht es nicht nur um die Frage Frau oder Mann. Es geht auch darum, ob die Partei Weinberg seinen glühenden Einsatz für die Von-Beust-Politik und die Primarschulreform vergessen kann. Karin Prien ist das genaue Gegenteil. Eine echte Richtungswahl also.