Staus, immer nur Staus: Geht es per Rad oder Bahn nicht schneller? Abendblatt-Reporter machten den Vergleichstest - mit überraschendem Ergebnis

Lokstedt: Rad

Hamburg. Ich starte um 8.30 Uhr am Brunsberg/ Ecke Lokstedter Steindamm. Auf dem roten StadtRad gleite ich im dritten Gang den Fahrradweg entlang. Der endet abrupt wegen einer Baustelle, ich weiche auf den Grünstreifen aus. Dann ist an einer roten Ampel auch schon Zeit für eine Verschnaufpause. Der Zustand der Fahrradwege ist teilweise eine Zumutung. Die Asphaltdecke wölbt sich. Aber dafür haben die Ampeln grün, und es geht zügig voran. Als ich schließlich von der Grindelallee in die Rentzelstraße abbiege, bin ich glücklich, auf dem Fahrrad zu sitzen. Denn die Autos stehen im Stau. Ich radele entspannt weiter. Doch plötzlich steht ein Auto auf dem Fahrradweg, ich muss ein Ausweichmanöver starten. Jetzt fahre ich an der Hamburg Messe vorbei, es geht bergab. Das Ziel kommt näher. Ich fahre noch ein Stück den Valentinskamp runter. Und schon habe ich die Caffamacherreihe erreicht. Nach 24 Minuten.

Lokstedt: Bahn

Um 8.30 Uhr starte ich an der Ecke Brunsberg/Lokstedter Steindamm. Eine Minute später habe ich die Haltestelle der Linie 5 erreicht. Schon um 8.34 Uhr kommt mein Bus. Glück gehabt. Oder doch nicht: Ich muss stehen. Aber da der Fahrgastraum immer voller wird, besteht wenigstens keine Gefahr, dass ich beim starken Bremsen des Fahrers umkippe. Der Hüne neben mir bröselt unaufhörlich etwas Franzbrötchen auf meine Schulter. Dazu steigt mir – sorry, nun wird' s unappetitlich – ein strenger Schweißgeruch in die Nase. Aber Flucht ist unmöglich. Ich mustere die Umstehenden und werfe jedem vorsichtshalber einen verurteilenden Blick zu. Nur die Sicht aus dem Fenster kann mich aufmuntern. Dort schieben sich die Autos zäh durch den Verkehr. Wir brausen auf der Sonderbusspur einfach an ihnen vorbei. Um 8.55 Uhr steige ich am Gänsemarkt aus. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter. 29 Minuten habe ich am Ende gebraucht – und war damit die Langsamste meines Teams.

Lokstedt: Auto

Es sind ja nur fünf Kilometer. Die dürften mit dem Wagen locker in nicht einmal zehn Minuten zu schaffen sein. Und während ich starte, tut mir der Kollege auf dem Fahrrad angesichts des Nieselregens ein wenig leid. Und tatsächlich läuft es anfangs überaus flüssig. Ich bin so zügig auf der Hoheluftchaussee unterwegs, dass ich meinen ursprünglichen Plan, über das Schanzenviertel zu fahren, verwerfe. Das ist immer dann eine gute Idee, wenn in den Messehallen Veranstaltungen sind. Aber ich bin so flott unterwegs, dass ich mich überheblich für den Weg über die Rentzelstraße entscheide. Ich bin leider nicht der einzige Autofahrer. Die übrigen wollen alle, wirklich alle, zur Aircraft Interiors Expo 2011 in den Messehallen. Jetzt ist Schritt-Tempo angesagt. Satte 25 Minuten bin ich unterwegs. Dafür weiß ich dank NDR Info aber das Neueste über den Zustand der FDP, das Atomkraftwerk in Fukushima und amüsiere mich bestens bei einem Telefongag von Oldie 95.

Neu Wulmstorf: Rad

Mitleidiger Blick der Kollegen am Startpunkt Rathaus Neu Wulmstorf: graue Wolken, Nieselregen – nicht gerade das beste Fahrradwetter, so scheint es. Die Wahrheit: Bei Schmuddelwetter weht meist frischer Südwestwind, der jetzt wie ein zugeschalteter Turbo wirkt. Mit Tempo 30, 34 und dann auch fast 40 fahre, nein, fliege ich dahin. Über Rübke quer durch Neuenfelde zum Airbusgelände. Wunderbar glatt ist der Asphalt dort. Dann kommt ein zweiter Radler mit gefährlich dünnen Reifen. Ich überhole, er überholt. Ich keuche, die Oberschenkel brennen. Nach 16 Kilometern und 30 Minuten schaffe ich die Fähre von Finkenwerder. Nun kommt der gemütliche Teil, Hafenrundfahrt inklusive. 30 Minuten tuckert das Schiff bis zu den Landungsbrücken. Man sitzt am Tisch, lässt Blick und Gedanken schweifen. Dann ein kurzes Stück – um 9.40 Uhr bin ich im Verlag. Nicht der schnellste, nicht der langsamste, aber mit Sicherheit der schönste Arbeitsweg heute.

Neu Wulmstorf: Bahn

Meine Geschichte ist schnell erzählt. Der Fußmarsch vom Neu Wulmstorfer Rathaus zur S-Bahn-Station dauert bescheidene fünf Minuten. Und obwohl mir die erste Bahn ihre Türen vor der Nase zuschlägt, erreicht schon fünf Minuten später – anders als in der Zehn-Minuten-Taktung vorgesehen – der nächste Zug der Linie S 3 das Gleis. Mit frisch erworbenem Kaffee und einer Zeitung in der Hand fechte ich einen kurzen Kampf mit dem langsamsten Fahrkartenautomaten Hamburgs aus, was mich unnötig in zeitliche Bedrängnis bringt. Doch dann sitze ich bequem, der Zug ist mittelvoll, und über Harburg steuern wir planmäßig alle zwölf Haltestellen bis zur Stadthausbrücke an. Kurzzeitig wird es eng, aber ernsthaft stehen muss niemand. Entspannt, belesen und ohne umgestiegen zu sein, verlasse ich die Bahn, schreite den Weg zum Verlag ab – und bin 9.30 Uhr, eine Stunde nach Testbeginn, tatsächlich Gruppenprimus. Wie gesagt: schnell erzählt.

Neu Wulmstorf: Auto

Ich bin zuversichtlich, als ich um 8.30 Uhr den Zündschlüssel umdrehe. 28 Kilometer – das schaffe ich auch zur Rushhour in einer halben Stunde. Nach 17 Minuten die ernüchternde Realität, Stop-and-Go auf der A 7. Ich wechsele von der rechten auf die mittlere Spur, fädele mich links ein und wieder zurück. Trotzdem geht’s bei mir immer am langsamsten voran. Neidvoll blicke ich den Motorradfahrern hinterher, die sich an der Autokolonne vorbeischlängeln. Ja, ich kann am Stau nichts ändern, aber genauso wenig kann ich gelassen bleiben. Ich bin genervt von meinen Vordermännern und fluche im Zwei-Minuten-Takt. Entspannungsübungen sollen ja helfen, im Stau ruhig zu bleiben. Aber ich will mich überhaupt nicht entspannen – ich will Gas geben. Im Elbtunnel endlich der Lichtblick: Der Verkehr flutscht. Doch kurz vorm Ziel rolle ich wieder ins Chaos. Die Feldstraße ist dicht. Als ich mein Auto um 9.55 Uhr parke, weiß ich: Der Tag kann nur noch besser werden.

Hummelsbüttel: Rad

Da mein eigenes Rennrad noch nicht aus seinem Winterschlaf erwacht ist, habe ich mir für die etwa 12 Kilometer lange Etappe vom Karpfenteich zum Axel-Springer-Platz ein StadtRad besorgt. Das ist zwar praktisch, aber im holprigen Terrain nicht wirklich eine Alternative zum ungleich leichteren Trekkingrad. Man fühlt sich mit dem wuchtigen Rad wie ein Koloss auf den schmalen Radwegen. Ich trete dennoch ordentlich in die Pedale, werde aber ständig überholt. Nicht nur das deprimiert: Die Radwege sind rissig und wellig, teilweise zugeparkt. Deshalb weiche ich, so oft es geht, auf die Straße aus. Hier läuft das Rad, aber die Autofahrer drängeln. Der Nieselregen tut sein Übriges – die Radtour ist nicht wirklich spaßig. Am Ende komme ich wider Erwarten als Erster meiner Hummelsbüttel-Gruppe nach gut 47 Minuten an – mit dem eigenen Rad eine echte Alternative zum Auto und zur U 1.

Hummelsbüttel: Bahn

Um 8.40 Uhr gehe ich vom Karpfenteich los zum Bus. An der Bushaltestelle Heinrich-Traun-Platz muss ich warten. Mit zwei Minuten Verspätung kommt die Linie 179 um 8.53 Uhr. Stehen muss ich nicht. Genügend Plätze gibt's noch im hinteren Bereich. Die kurze Fahrt geht bis zur U- und S-Bahn- Haltestelle Ohlsdorf. Auweia, die U 1 fährt mir um 9.01 Uhr vor der Nase weg. Fünf Minuten Zeit sind es bis zur nächsten Bahn, ich kaufe erst mal einen Kaffee. Die Bahn um 9.06 Uhr fährt pünktlich ein. Überfüllt ist sie nicht. Das ändert sich, je weiter ich Richtung Innenstadt fahre. Woher kommen plötzlich all die Fahrgäste? Dennoch muss nicht jeder stehen, die Luft wird nicht stickig, und es gibt keine lauten Unterhaltungen. Herrlich, noch ein wenig Ruhe. Viele sind in ihre Bücher vertieft. Zeit, den Kaffee auszutrinken. Um 9.22 Uhr ertönt die Durchsage: Stephansplatz. Acht Minuten später bin ich zu Fuß am Axel-Springer-Platz – als Zweite meines Teams.

Hummelsbüttel: Auto

Vor meinem Umzug in die Stadt bin ich jahrelang von hier aus in die Redaktion gefahren – aus zeitlichen und ökologischen Gründen fast immer mit Bus und Bahn. Für den Test fahre ich die Strecke mit dem Auto. Ergebnis: 52 Minuten Fahrzeit bis zum Verlag, 20 Minuten Parkplatzsuche. Wer sich das freiwillig jeden Tag antut, muss bessere Nerven haben als ich. Und mehr Zeit. Zwölf Minuten verbringe ich in Staus vor den Ampeln an Rathenaustraße und Bebelallee. Ein Blick in die Nachbarautos zeigt: Fast alle sind nur mit einer Person besetzt. Auf der Sierichstraße ist das Verkehrsaufkommen stark, wird heute aber nicht von vielen Zweite-Reihe- Parkern behindert. Das Chaos beginnt an der Alster. Zehn Minuten dauert es, bis ich mich vom Schwanenwik bis zum Hotel Atlantic geschoben habe. Weitere vier, bis ich an der Binnenalster bin. Um 9.32 Uhr erreiche ich den Verlag. Einen Parkplatz finde ich um 9.47 Uhr. Fünf Minuten später bin ich in der Redaktion.