Bürgermeister Olaf Scholz wollte zuerst die Hälfte der Posten mit Frauen besetzen. Doch das stellte sich als gar nicht einfach heraus.

Es war meist schon dunkel in Berlin, als die Kollegen sich näherkamen. Im Ministerium für Arbeit brannte spät abends noch Licht, mit der Kurzarbeit hatte Minister Olaf Scholz reichlich zu tun. Da freute er sich über Gesellschaft, die eine Bürotür weiter saß: Detlef Scheele, Staatssekretär. Die beiden waren einer Meinung, wie die Politik der Agenda 2010 fortzusetzen sei. Lange Arbeitstage sind ähnlich wie davor Schuljahre: Man verbringt so viel Zeit miteinander, dass man sich in Vertrautheit schätzt oder ablehnt. Scholz und Scheele blieben verbunden, der Mann dürfte als Schattensenator für Arbeit und Soziales gesetzt gewesen sein.

Detlef Scheele ist damit eine Ausnahme in der neuen Regierung, auch wenn das Team ebenfalls kräftig auf alten Bekanntschaften beruht. "Ich habe so viele Gespräche geführt, dass es sich nicht lohnt, sich daran zu erinnern", sagt Bürgermeister Scholz. Eine Antwort, die zweierlei beinhaltet. Seine Absicht, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Und das Eingeständnis, dass nicht alle Senatoren erste Wahl sind.

Wie beim neu geschaffenen Posten für Gesundheit und Verbraucherschutz. Der bei den Wählern beliebte Altonaer Arzt Mathias Petersen wollte seine Praxis nicht aufgeben, schon gar nicht für diese kleine Behörde. Carola Reimann (SPD), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, blieb lieber in Berlin, weil sie in ihrem Wahlkreis in Braunschweig "tief verwurzelt" ist. Die künftige Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks ereilt die Anfrage offenbar in letzter Minute. Bei ihrem Arbeitgeber, der Versicherung AOK, herrschte am Tag der Verkündung "Überraschung auf allen Fluren" über den Fortgang der Chefin. Immerhin, Kontakt hatte Prüfer-Storcks aber schon mit ihren neuen Mitarbeitern: Zur Schweinegrippe-Pandemie recherchierte sie damals auch in Hamburg.

Zuerst legte Scholz fest, die Hälfte der Posten mit Frauen zu besetzen. Das war nicht einfach. "Wo Frauen an sich zweifeln, haben Männer oft Hornhaut", war zu hören. Wenige Personen waren beteiligt. Wenn etwas durchsickerte, wäre das Leck schnell zu finden. Und die Kreisfürsten sind beteiligt. Mit Michael Neumann (Inneres), Jana Schiedek (Justiz), Carola Veit (wohl Bürgerschaftspräsidentin) und Dirk Kienscherf (parlamentarischer Geschäftsführer) kommen vier Personalien aus Mitte, der Heimat des Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs.

Die meisten Überlegungen mündeten vor wenigen Tagen in finale Anrufe. "Wollen Sie Senator werden?", hört der Angerufene dann. Da steigt der Blutdruck. Wer gerade im Supermarkt einkaufen würde, sähe die Wurstpackungen im Kühlregal verschwimmen.

Für die Justizbehörde suchte Scholz auch in den Gerichten. Ob es Absagen hagelte, ist unklar. In Parteikreisen heißt es, man habe sich für eine Politikerin entschieden, gegen einen "Mann aus dem Apparat". Ergebnis ist die größte Überraschung: Jana Schiedek, ehemalige Rechtsexpertin der SPD-Fraktion. Ob die 36-jährige Juristin es mit Richtern aufnehmen könne, wird in SPD-Kreisen vereinzelt bezweifelt. Allerdings war ihr Vorgänger Till Steffen (GAL) auch nicht älter. Anstelle von Schulsenator Ties Rabe waren "mehrere Damen" im Fadenkreuz. Scholz verlangte, dass die Personalie den "Scheuerl-Test" besteht, also für Schulfrieden steht. Entlastung brachte das Gerücht, seine Ehefrau Britta Ernst würde nach Bremen wechseln und dafür die dortige Schulsenatorin hierher. "Rote Heringe lenken von der Diskussion ab", sagt ein Insider.

Für Jutta Blankau, bisher Chefin der IG Metall Küste, sprach wohl, dass sie als Stadtentwicklungssenatorin die "Haare auf den Zähnen" habe, um den Bau von 6000 Wohnungen durchzusetzen. Allerdings war Staatsrat Michael Sachs auch als Behördenchef im Gespräch. Wurde hier Spielraum gelassen, um die Quote zu erfüllen, sollte eine andere Dame ausfallen?

Harsche Kritik erntete das Manöver, Dorothee Stapelfeldt erst zur Bürgerschaftspräsidentin wählen zu lassen, sie später aber zur Wissenschaftssenatorin zu berufen. Die CDU habe in "parlamentarischer Tradition" diesem Vorschlag zugestimmt, sagte der CDU-Abgeordnete Robert Heinemann. "Jetzt müssen wir feststellen, dass das Präsidentenamt offenbar als Zwischenparkplatz für angehende Senatorinnen missbraucht wird." Auch aus SPD-Kreisen ist zu hören, dass ein solches Vorgehen "die Ausnahme" bleiben müsse. Wie bei den meisten Kandidaten ist davon auszugehen, dass Stapelfeldt erst spät von ihrer Senatoren-Zukunft wusste. Vielleicht wollte Scholz aber eine starke Kandidatin haben, um einer Bewerbung von Matthias Petersen vorzubeugen. Petersen war 2007 Anwärter auf die Spitzenkandidatur, wären die Stimmzettel nicht geklaut worden.

Der neue Senat bietet wenige Überraschungen, dafür viele Hamburger Gesichter. "Es geht nicht um Glamour, sondern um gutes Regieren", war zu hören. Olaf Scholz kennt die meisten Senatoren jedenfalls lange. Das verbindet.