Sie ist erst 21 und hatte nie damit gerechnet, in die Bürgerschaft zu kommen. Kammeyer bekennt: “Im ersten Moment war ich völlig überfordert.“

Hamburg. Als sie von ihrem Mandat erfuhr, hat sie erst einmal Migräne bekommen. Der Rest des Tages war gelaufen. Annkathrin Kammeyer erzählt das ohne falsche Scham, sie redet sowieso sehr offen, nicht unbedarft, aber unbefangen. "Im ersten Moment war ich völlig überfordert", sagt Kammeyer.

Man ist erleichtert, das zu hören. Nicht das mit der Migräne natürlich, aber dass Annkathrin Kammeyer ist, was sie ist: 21 Jahre alt, und damit nicht nur die jüngste Abgeordnete der neuen Bürgerschaft, sondern die jüngste Hamburger Parlamentarierin aller Zeiten. Und anders als viele Altersgenossen es vielleicht tun würden, versteckt sie ihre Ehrfurcht nicht hinter einer Fassade aus gekünstelter Coolness. Das macht Kammeyer, die im Blümchenkleid zur SPD-Fraktionssitzung kommt, erfrischend authentisch. "Ich frage mich jedes Mal, ob es bald völlig normal sein wird, ins Rathaus zu spazieren", sagt Kammeyer und guckt hoch Richtung Rathausturm.

So war das alles eben nicht geplant, mit Listenplatz 46. Bürgerschaft ja - aber doch eher in 20 Jahren. Daher findet die junge Frau es legitim, wenn andere ihr noch nicht so viel zutrauen. "Ich kann es akzeptieren, wenn mir die Älteren auch mal sagen würden 'Mien Deern, wir machen das jetzt so'", sagt Annkathrin Kammeyer. Sie sei zwar nicht schüchtern ("definitiv nicht") und beschreibt sich selbst mit dem schönen Wort "keck". Dass sie sich inhaltlich aber noch reinarbeiten müsse, das sei ja klar.

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Hochschulpolitik soll ihre Domäne werden, sie studiert selbst - Politik - und war im AStA. Daher kommen wohl auch ihre 3235 Wählerstimmen, sie wüsste nicht, wer sie sonst gewählt haben solle. Außer ihren Freunden natürlich. Und so sieht Annkathrin Kammeyer es auch als ihre Verantwortung, in der Bürgerschaft die "Stimme der Jugend" zu sein. Der Plan der SPD, die Kita- und Studiengebühren abzuschaffen, ist für sie das wichtigste Ziel.

"Lebenserfahrung ist wichtig, die Lebensrealität der Jugend zu kennen aber auch", sagt die junge Frau.

Sie selbst ist behütet aufgewachsen, wenngleich in einem "sozial eher schwächeren Stadtteil", in Horn. Ihre Eltern, ein Systemanalytiker bei der Lufthansa und eine Buchhalterin, legten Wert auf die Bildung der Kinder, früher wurden bei Kammeyers Bücher vorgelesen, später über Politik diskutiert. Über Chancengleichheit und Solidarität, "typisch sozialdemokratisch eben", wie Annkathrin Kammeyer sagt, und das prägt. Nachdem dann erst ihr drei Jahre älterer Bruder Christian und anschließend ihre Mutter in die Partei eintraten, war die Mitgliedschaft für die damals 16-Jährige nur konsequent.

Zwei Jahre später, noch vor ihrem Abitur am Charlotte-Paulsen-Gymnasium, arbeitete sie im Abgeordnetenbüro von Michael Neumann, ihr politischer "Ziehvater" aber ist Hansjörg Schmidt, mit 36 Jahren auch nicht gerade einer der Älteren und ebenfalls neu in der Bürgerschaft.

Und falls es mit der Politikerkarriere doch nicht klappt? Dann könnte Kammeyer sich vorstellen, Journalistin zu werden. Nicht für Politik, für Sport. Die St.-Pauli-Dauerkarte hat sie seit zehn Jahren. Vielleicht würde sie es in zehn Jahren aber auch einfach noch mal als Bürgerschaftsabgeordnete versuchen. Kammeyer: "Ich bin ja noch jung."