Hamburg/Berlin. Das Warten lohnt sich nicht. Das muss irgendwann auch die Moderatorin einsehen. "Ich finde", meint Luc Jochimsen dann nach einem letzten entmutigten Blick auf die Tür, "jeder, der den Weg an diesem grauenhaften Regentag hier hergefunden hat, verdient ein goldenes Lorbeerblatt." Tatsächlich muss die "Galerie der Schlumper" nicht gerade wegen Überfüllung geschlossen werden. Etwa zwei Dutzend Hamburger haben sich an diesem trüben Sonntagmittag aufgemacht, um sich anzuhören, was die Linkspartei zur Hamburger Kulturpolitik zu sagen hat.

Wie sich im Laufe der Diskussion herausstellen wird, handelt es sich bei der Hälfte der Gäste allerdings um Parteimitglieder, die gar nicht mehr bekehrt werden müssen. So sehen sie eben aus, die Mühen der Ebene, die in einem Wahlkampf beackert werden muss.

Und dann streikt auch noch die Technik. Sodass die Veranstaltung nicht mit dem Film von der großen Demo eröffnet werden kann, die die Linkspartei Ende Oktober unter den Fenstern des CDU-Kultursenators Reinhard Stuth veranstaltete. Das ist bitter, denn schließlich sollte der Film doch dokumentieren, dass die Linkspartei einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Dass sie Kultur jetzt auch als "Grundnahrungsmittel" (Jochimsen) begreift und das Soziale nicht länger gegen die Kultur ausspielen will, wenn es ums Geld geht.

Zum Beweis für diese 180-Grad-Wende sitzt ja Günter Oppermann mit auf der Bühne. Der Betriebsratsvorsitzende vom Deutschen Schauspielhaus, der irgendwann sagt, dass das finanziell bedrohte Haus an der Kirchenallee mehr sei als "eine Selbstbefriedigungsbude für die bürgerliche Oberschicht". Dass Jürgen Bönig vom Museum der Arbeit dann freien Eintritt zu allen Museen und Theatern der Stadt fordert, weil sich "der Steuerzahler" die Tickets quasi nicht leisten könne, wirkt allerdings wie ein kleiner Rückfall in alte Klassenkampfzeiten.

Acht Abgeordnete stellt die Linke zurzeit in der Hamburgischen Bürgerschaft. Nach dem 20. Februar sollen es mehr werden. Mit acht Prozent rechnet Norbert Hackbusch dieses Mal. "Mindestens." Er räumt allerdings ein, "dass es immer kompliziert ist, wenn die SPD in der Opposition war und die Wähler die Sozialdemokraten in rosigerem Licht sehen, als sie es verdient haben". Hackbusch hat übrigens schon früher in der Bürgerschaft gesessen. Für die Grün-Alternative Liste, aus der er 1999 aus Protest gegen den deutschen Kosovo-Einsatz ausgetreten ist. Für diese alte Heimat hat der 56-Jährige nicht mehr viel übrig. "Die GAL", meint er lächelnd, "ist inzwischen so wie ihre Wahlplakate: blassgrün."

Tatsächlich geht es mit der Linkspartei in Hamburg gerade aufwärts. Nach den im Januar prognostizierten fünf Prozent sind es jetzt schon sechs. Dora Heyenn, die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der Linken, spricht von "Luft nach oben". Schließlich habe sich ihre Partei in Hamburg bereits eine stabile Stammwählerschaft erarbeitet. "Das", so die 60-Jährige, die ihrerseits 1999 aus der SPD austrat, "ist eine sehr gute Ausgangsbasis."

Wie überall muss sich die Linke in Hamburg noch von dem Querschuss erholen, den die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch Anfang Januar losgelassen hat. Damals schrieb Lötzsch in einem Beitrag für die marxistische "Junge Welt" in Berlin: "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung."

Dieser Satz wirkte wie Donnerhall, und dass Lötzsch anschließend trotzig verkündete, ihre Partei dürfe sich von anderen "keine Denkverbote" auferlegen lassen, machte die Sache nicht besser. Angesichts der bundesweit abwärts rauschenden Umfragezahlen sah sich Gregor Gysi als letzter aktiver Alt-Star der Partei genötigt einzugreifen. Als Politiker müsse man berücksichtigen, "dass andere unter dem Begriff Kommunismus Stalin verstehen oder an die Mauer denken", rügte der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion. Der Begriff Kommunismus werde deshalb im neuen Grundsatzprogramm, das im Herbst zur Verabschiedung anstehe, nicht vorkommen. Und schon gar nicht in der "politischen Praxis". Seine Partei, so Gregor Gysi weiter, habe sich schließlich die Verwirklichung des demokratischen Sozialismus auf ihre Fahnen geschrieben.

In Hamburg war man über die Äußerungen der Parteivorsitzenden besonders unglücklich. Schließlich hatte es hier größte Anstrengungen gekostet, die Linke vom Ruch des Sektierertums zu befreien, der die Vorgängerpartei PDS an der Elbe umgeben hatte. Pragmatisch treten die Genossen in Hamburg auf. Zwar ist in ihrem "Manifest für ein menschenwürdiges Hamburg" noch von der "sozialen Spaltung zwischen denen, die den Reichtum produzieren oder gar von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen sind, und jenen, die den Reichtum besitzen", die Rede, aber jenseits solchen Empörungstons ist Hamburgs Linke längst im politischen Alltag angekommen.

Und da geht es ihr um gebührenfreie Kitas, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und, neuerdings, eben auch um den Kampf für die Kultur. Also für das Deutsche Schauspielhaus, für die Aufstockung des Museums-Etats und gegen die Elbphilharmonie. "In dem Fall hätte die Politik sagen sollen: 'Hamburgs Millionären und Milliardären ist es unbenommen, etwas zu bauen, woran die Reichen Spaß haben'", hat die Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen am Sonntag gemeint. Und Hackbusch, der dem Kulturausschuss in der Hamburgischen Bürgerschaft vorsitzt, hat erklärt, seine Partei werde alles daransetzen, dass der neue Senat den Elbphilharmonie-Untersuchungsausschuss nach der Wahl nicht einfach ad acta lege.

Die Linke spricht im Zusammenhang mit der Kostenexplosion gerne von einer "organisierten Verantwortungslosigkeit", darüber hinaus hält sie sich zugute, einer Regierung zum Abgang verholfen und einen wie Senator Stuth "aus seinem Sessel gefegt" zu haben. Darauf, so Norbert Hackbusch, könne man stolz sein.

Allerdings steht für die Linke bei den vorgezogenen Neuwahlen am 20. Februar auch viel auf dem Spiel. Von den sieben Wahlen, die die Partei in diesem Jahr bestehen muss, ist Hamburg der erste und wichtigste Prüfstein. Würden Heyenn, Hackbusch und Co. den Wiedereinzug in die Bürgerschaft verpassen, käme die Partei, die im Westen gerade erst richtig Fuß gefasst hat, dort wieder ins Wanken.

Ginge Hamburg verloren, wäre das ein böses Omen für die Landtagswahlen, die Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stattfinden. Und was danach käme, kann man sich leicht ausmalen: neue Flügelkämpfe. Und die mühsam beruhigte Debatte um die beiden Parteivorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch würde auch wieder aufflammen.

Apropos Lötzsch. Die (Ost-)Berlinerin wird von ihren Genossen bislang offenbar aus dem Hamburger Wahlkampf herausgehalten. Erst in letzter Minute, am 18. Februar, ist ein Auftritt der glücklos agierenden Parteichefin vorgesehen. Allerdings soll, so ist zu hören, Gesine Lötzsch dann Gregor Gysi an die Seite gestellt werden. Sicherheitshalber.