Die CDU verspricht, 2013 ohne Kredite auszukommen. Aber der von ihr geführte Senat plant, rund 700 Millionen Euro pro Jahr aufzunehmen.

Hamburg. Das Thema ist nicht besonders sexy und daher für den Wahlkampf eher ungeeignet: Finanzpolitik. Dennoch wird es für den künftigen Senat, egal, wer ihn stellt, ganz oben auf der Agenda stehen - aus einem einfachen Grund: Spätestens von 2020 an darf Hamburg keine neuen Schulden mehr machen, das ist eine gesetzliche Vorgabe an alle Bundesländer. Was für eine harte Nuss das ist, zeigt die Tatsache, dass die Schulden der Stadt allein in den vergangenen beiden Jahren von 22 auf 25 Milliarden Euro gestiegen sind, also um etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Im SPD-Wahlprogramm steht der Punkt "Solide Finanzen" daher an Platz eins, im CDU-Programm kommt "Solide Finanzpolitik in Zeiten knapper Kassen" gleich hinter Wirtschaft und Arbeit auf Rang zwei. Der Kampf um die Deutungshoheit ist voll entbrannt.

Während Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) seinem Herausforderer Olaf Scholz (SPD) vorhält, er verspreche zu viel und sage nicht, wie das finanziert werden soll - erst gestern hatte Ahlhaus Scholz im Abendblatt "Wahlbetrug" vorgeworfen -, wirft ein Satz in besagtem Programm die Frage nach der Seriosität der CDU-Finanzpolitik auf. "Wir halten an unserer soliden Haushaltspolitik fest und werden an dem ab 2013 gültigen Hamburger Schuldenverbot ... weiterhin festhalten", steht dort. Ein edler Vorsatz - er steht aber in krassem Widerspruch zur offiziellen Finanzplanung des CDU-geführten Senats. Die sieht nämlich vor, 2013 noch knapp 680 Millionen Euro neue Schulden zu machen, auch 2014 sollen noch gut 685 Millionen Euro an Krediten aufgenommen werden.

"Das ist ein durchsichtiges politisches PR-Manöver", kritisiert SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher. "Die CDU will so tun, als könne man das Schuldenverbot 2013 einhalten. In Wirklichkeit plant sie etwas völlig anderes, nämlich fast 700 Millionen Euro Schulden zu machen, das haben wir ja schwarz auf weiß."

Tatsache ist, dass es die CDU war, die 2007 der Stadt ein freiwilliges Schuldenverbot ab 2013 verordnete und damit über das erst ab 2020 geltende gesetzliche Verbot hinausging - die hohen Steuereinnahmen gaben damals Anlass zu der Hoffnung, das Ziel zu erreichen. Doch dann trat die spendierfreudige CDU/GAL-Koalition an, es kam die Finanzkrise, und statt schuldenfreier Haushalte gab es schon 2009 eine Rekordverschuldung. Spätestens da war klar, dass das Schuldenverbot ab 2013 kaum noch zu halten war.

Entsprechend gab die Finanzbehörde - seit zehn Jahren CDU-geführt - noch am 7. Dezember 2010, also eine Woche nach dem Ende von Schwarz-Grün und mitten in der Aufstellung des CDU-Wahlprogramms, eine Drucksache in die Behördenabstimmung, mit der das Inkrafttreten der "Hamburger Schuldenbremse" von 2013 auf 2015 verschoben werden sollte. Am 21. Dezember sollte der Senat darüber entscheiden. Hat er aber nicht.

Warum nicht? "Die Fraktionen der Bürgerschaft haben sich parteiübergreifend darauf verständigt, die Beratungen zum Haushalt 2011/2012 bis nach der Wahl am 20. Februar ruhen zu lassen", sagte Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Daher habe sich der Senat dafür entschieden, die ursprünglich geplante Verschiebung des Schuldenverbots nicht mehr vor der Wahl in die Bürgerschaft einzubringen. Das habe bis zur Aufstellung des nächsten Doppelhaushalts 2013/2014 Zeit, so Stricker. Mit anderen Worten: Zwischen Finanzplanung und Gesetz - in dem nach wie vor das ab 2013 geltende Schuldenverbot steht - gibt es zwar gewisse Widersprüche, aber das zu regeln, wird dem nächsten Senat überlassen.

Das kommt bei der SPD, die in Umfragen derzeit weit vor der CDU liegt und wenig Neigung hat, sich mit dieser Hinterlassenschaft herumzuschlagen, naturgemäß nicht gut an. "Ein klarer Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung", meint Tschentscher. "Der Senat muss eine Finanzplanung vorlegen, die der Rechtslage entspricht." Und die besage halt, dass Schuldenmachen ab 2013 verboten ist.

CDU-Finanzexperte Thies Goldberg hat eine Erklärung für den Widerspruch zwischen den Zahlen der Regierung und den Zielen der Regierungspartei: "Die Finanzplanung des Senats ist älter als unser Wahlprogramm. Mittlerweile gibt es die berechtigte Hoffnung, dass die wirtschaftliche Erholung deutlich schneller voranschreitet als bislang erwartet." Möglicherweise erreiche die Stadt 2013 bei den Steuereinnahmen schon wieder das Rekordniveau von 2008. Goldberg: "Den Anlass, die Schuldenbremse 2013 aufzuheben, gibt es daher nicht mehr."

Der Bürgermeister ist noch optimistischer: Wenn die Steuern wieder sprudeln, will Ahlhaus sogar seine größte Sparmaßnahme kassieren: die Kürzung des Weihnachtsgeldes für Beamte um 100 Millionen Euro. Pro Jahr.