Landespolitik-Redakteur Philip Volkmann-Schluck schaut hinter die Kulissen des Rathauses.

Es ist ein trügerischer Zustand, wenn sich auf dem Bildschirm dieses bunte Rädchen dreht. Computern passiert das, wenn zu viele Programme gleichzeitig laufen. Man weiß nicht, ob die Kiste abschmiert, per Mausklick ist keine Bedienung möglich. Dabei beherrscht Elektronik das Multitasking recht gut, verglichen mit Menschen. Studien zufolge haben weibliche Gehirne damit aber weniger Probleme als männliche. So gesehen sind die Bedingungen nicht gut im Senat: Seit die grünen Partner ihre Behörden verlassen haben, mussten die CDU-Senatoren übernehmen. Einzige Frau ist Herlind Gundelach, die sich als "Super-Gundi" gleich um drei Behörden kümmert. Auch Männer müssen multitasken.

Steht die Verwaltung also kurz vorm Absturz? Rattert es nur noch im Hintergrund?

Heikel ist die Aufgabe von Innensenator Heino Vahldieck: Er leitet auch die Justizbehörde. Den Polizeiapparat und die Rechtsprechung in einer Hand, da sollten Alarmglocken klingeln bei den Schützern der Gewaltenteilung. Was, wenn die Staatsanwaltschaft gegen einen Polizisten ermittelt? "Die rechtlichen Bedenken sind dem Senat bekannt und im Vorfeld geprüft worden", heißt es. Beruhigend klingt immerhin, dass die Behörden eigenständig arbeiten, mit getrennten Präsidialstäben.

Vor zehn Jahren erst wollte Wolfgang Clement (SPD), Nordrhein-Westfalens damaliger Ministerpräsident, das Innen- und Justizministerium zusammenlegen. Kritiker sagten, die "Exekutive" wolle in das Haus der dritten Gewalt eindringen. Zu hören war sogar der Vergleich mit Gestapo-Strukturen. Das Landesverfassungsgericht erteilte Clement eine Watsche: verfassungswidrig.

So weit wird es in Hamburg nicht kommen, denn es gibt zwar eine Personalunion, aber keine Zusammenlegung. Viel gestalten wird Vahldieck bis zu den Wahlen ohnehin nicht. Als freundlicher Pragmatiker bekannt, soll er Mitarbeitern gesagt haben, es sei keine aktive Justizpolitik zu erwarten. Gerichte und Strafvollzug laufen also im Hintergrund, während sich das politische Rädchen dreht wie bei einem überlasteten Computer.

Der Zweite Bürgermeister muss hungrig sein. Wenn Dietrich Wersich mal wieder aus dem Fahrstuhl seiner Sozialbehörde tritt, durch die Halle des Einkaufszentrums in der Hamburger Straße läuft, vorbei an Kaffee und Croissants, dann bleibt keine Zeit für "die Versuchungen", wie er sagt. Rein in den nächsten Fahrstuhl, zum 16. Stock, wo ein zweiter Schreibtisch mit weiteren Aufgaben auf ihn wartet: in der Schulbehörde, die Wersich nun ebenfalls leitet. Nun ist er nicht nur zuständig für Findelkinder, Dioxin in Eiern, in der Kälte erfrorene Obdachlose, nicht nur für das Repräsentative des Zweiten Bürgermeisters, der auch mal einen Schützenkönig empfängt, sondern auch für alle Schulen. "Die Zahl der Akten hat sich vervielfältigt", sagt Wersich. Es klingt fast bescheiden, als habe er Glück gehabt, dass die Amtsstuben in einem Gebäude sind.

Bei dieser aberwitzigen Arbeitslast überrascht es, dass grüne Insider der Schulbehörde dem CDU-Politiker eine faire und gründliche Arbeit bescheinigen. Auch wenn das Gastschulabkommen mit Schleswig-Holstein nicht vom Himmel gefallen sei und Wersich auch "reife Früchte ernte", etwa mehr Rechte für behinderte Schüler, so dürfte er viele Mitarbeiter hinter sich wissen. In dieser Behörde wird aktiv Politik gemacht. Was auch daran liegen mag, dass Wersich in seiner Partei weiter für den schwarz-grünen Geist des ehemaligen Bürgermeisters Ole von Beust steht und Befürworter der Primarschule war. Dem Abendblatt sagte Wersich: "Die Idee von Schwarz-Grün ist nicht tot, sie kann Milieus zusammenbringen", aber er fügt hinzu: "Das ist nun aber keine Option, da die jetzigen Akteure der GAL ihre Verlässlichkeit eingebüßt haben." Man muss Wersich zu den liberaleren Vertretern seiner Partei rechnen, die unter Bürgermeister Christoph Ahlhaus wieder im konservativen Lager fischt. Vielleicht darf er deshalb nur auf dem zehnten Listenplatz kandidieren.

In Zwiegesprächen übt sich Herlind Gundelach. Als Senatorin für Wissenschaft, Stadtplanung und Finanzen könnte sie sich den Neubau der Universität in einem Handstreich genehmigen. Tut sie aber nicht, weil ihr Finanz-Ego über das Wissenschafts-Ego siegt. "Ich frage mich dann, welche Behörde federführend ist", sagt Gundelach, die sich den Herausforderungen einer multiplen Persönlichkeit laut Beobachtern geradezu freudig stellt.

Hatte Gundelach als Wissenschaftssenatorin von der Finanzbehörde einen Geldtopf zur Planung der Uni-Sanierung beantragt, nach dem Prinzip "was man hat, das hat man", lehnte sie ihren eigenen Antrag als Finanzsenatorin nun ab. Die Konzepte seien noch nicht ausgebrütet genug, argumentierte sie sich selbst gegenüber. Das Geld bleibt vorerst in der Finanzbehörde.

Gundelach ist als Arbeitstier bekannt, schon mit nur einem Amt nahm sie oft Akten mit nach Hause. "Dann kann ich wenigstens ein Gläschen Wein dabei trinken", sagt sie. Nun hat sie an diesen Abenden mindestens zwei Besucher, die Senatoren für Finanzen und Stadtplanung. Ist vielleicht spaßiger, als alleine zu arbeiten.