Seit 6 Uhr sind 75 Autos auf Hamburgs Straßen durch das Winterwetter verunglückt. Am Montag ereigneten sich 400 Glätte-Unfälle.

Hamburg. 75 Verkehrsunfälle in vier Stunden - das ist die vorläufige Bilanz der Hamburger Polizei für diesen Morgen. Im Saalehafen auf dem Kleinen Grasbrook kam ein Autokran ins Schlittern und fiel auf die Seite, der Fahrer blieb unverletzt. Im Vergleich mit dem gestrigen Tag ist die Lage auf den Straßen aber noch relativ ruhig: 50 Unfälle pro Stunde zählte die Polizei gestern. Insgesamt verunglückten am Montag auf glatten Straßen rund 400 Autos.

Wie nur drei Zentimeter Schnee ein solches Chaos anrichten konnten, erklärt Diplom-Meteorologe Clemens Grohs vom Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation: "Nach den Schneefällen war es mit Temperaturen um ein Grad Celsius sehr mild, am Nachmittag wurde es dann kälter und der Schneematsch ist überfroren in eine feste Eisdecke."

Seit 2 Uhr nachts sind 80 Streuwagenfahrerinnen und -fahrer auf Hauptverkehrsstraßen und auf Strecken mit Buslinienverkehr unterwegs und streuen die Fahrbahnen mit Salz.

Seit 3 Uhr räumen und streuen weitere 400 Einsatzkräfte Zebrastreifem, Kreuzungen, Bushaltestellen, einige Radwege und anliegerfreie Gehwege. Insgesamt werden in Hamburg jeden Tag rund 6000 Kilometer Fahrbahnen gestreut und geräumt. Trotz des Einsatzes müssen Autofahrer an diesem Dienstag aber mit glatten Straßen rechnen.

Meteorologe Grohs erwartet zunächst keine weiteren Schneefälle. Für ein oder zwei Stunden könne sogar die Sonne scheinen. Erst am Mitwochmorgen sei mit einzelnen Schneeflocken zu rechnen.

Richtig winterlich werde dann der Donnerstag: Während des morgendlichen Berufsverkehrs sei mit starken Schneefällen zu rechnen. Grohs erwartet bis zu zehn Zentimeter Neuschnee.

Auf der A 2 bei Hannover mussten Autofahrer in der vergangenen Nacht stundenlang in einem 20 Kilometer langen Stau ausharren. Am Autobahndreieck Hannover West waren mehrere Lastwagen liegengeblieben, hatten sich im Schneematsch festgefahren oder auf eisglatter Fahrbahn gedreht. Dadurch staute sich der Verkehr zwischen 21 Uhr und 4 Uhr morgens auf rund 20 Kilometern Länge. Die Feuerwehr versorgte die wartenden Autofahrer mit Decken, Heißgetränken und Treibstoff. Auch die A 7 musste kurzfristig gesperrt werden, weil ein Sattelzug ins Schleudern geraten war und die Fahrbahn blockierte.

Freuen konnten sich hingegen Schüler in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Rotenburg. Dort fiel der Unterricht wegen der Schneemengen am Dienstag aus.

SO IST DIE LAGE IN NORDDEUTSCHLAND

Lesen Sie dazu den Abendblatt-Bericht:

Dicke Flocken - dicke Probleme

So ist das in dieser Stadt. Der Schnee fällt in dicken Flocken - und sorgt für noch dickere Probleme auf den Straßen in der Hamburger Innenstadt, den Stadtteilen und Randbezirken. Am Montag registrierte die Hamburger Polizei allein zwischen 11.30 und 16 Uhr mehr als 300 Verkehrsunfälle, im abendlichen Berufsverkehr kamen noch einmal gut 100 Unfälle hinzu.

Meist blieb es dabei bei Blechschäden. Die Staus hielten sich bis zum späten Abend. Auf manchen Ausfallstraßen ging im Berufsverkehr kaum noch etwas. "Es reicht bis zum Stillstand. Und das in der gesamten Stadt", sagte ein Mitarbeiter der Verkehrsleitzentrale. Ein Autofahrer berichtete entnervt, er habe für eine gerade mal sechs Kilometer lange Strecke von der Innenstadt bis nach Eimsbüttel fast eine ganze Stunde benötigt. Auch Fußgänger blieben nicht verschont: Immer wieder stürzten Menschen auf glatten Bürgersteigen.

Obwohl die starken Niederschläge und Minusgrade zeitlich und mengenmäßig relativ genau prognostiziert worden waren, hatte die Stadtreinigung die Straßen nicht präventiv abgestreut. Sprecher Andree Möller erklärt: "Es war Schnee angesagt - und so ist es ja auch gekommen. Anders als bei gefrierendem Regen lässt sich Schneeglätte kaum durch vorsorgliches Streuen unterbinden. Dafür ist einfach zu viel Luft im Schnee." Die Flocken legten sich auf das Streugut, wenn man bei Schnee versuche, vorab zu streuen.

Dennoch sei man vorbereitet gewesen: "Die Wagen waren vor Beginn der Niederschläge komplett beladen, unsere Mitarbeiter saßen in den Dienststellen. Sie sind mit der ersten Flocke ausgerückt. Ein normaler Durchgang, bei dem sämtliche Hauptverkehrsstraßen abgestreut werden, dauert allerdings dreieinhalb bis vier Stunden." Stunden, in denen Haupt- und Nebenstraßen gestern unter einer festgefahrenen Schneedecke verschwanden und vielerorts kaum noch zu befahren waren. Insgesamt rückten rund 200 Streufahrzeuge aus, 800 Mitarbeiter der Stadtreinigung waren im Einsatz, um Zebrastreifen, Kreuzungen, Bushaltestellen, Rad- und Gehwege zu räumen.

Laut Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum hatten auch die Busse im Hamburger Stadtgebiet massive Verspätung. Kreienbaum: "Vor allem im Süden der Stadt fuhren die Busse sehr unregelmäßig. Aber auch in allen anderen Stadtteilen konnten wir die Fahrpläne kaum einhalten. Dafür war später einfach zu viel Verkehr unterwegs."

Wie in der Innenstadt war es auch auf den Autobahnen. Unter anderem auf der Autobahn 7 stand der Verkehr komplett. Zwischen Waltershof und dem Kreuz Hamburg-Nordwest ging es beiderseits kaum noch voran. Auf der Autobahn 23, auf schleswig-holsteinischem Gebiet, standen die Autos auf bis zu 20 Kilometern Länge. Der Berufsverkehr hatte zu einem Zeitpunkt eingesetzt, als die Hauptverkehrsstraßen noch nicht komplett abgestreut waren.

Auf der Autobahn 24 zwischen Gudow und Hornbek (Kreis Herzogtum Lauenburg) kam es am Nachmittag sogar zu einer Massenkarambolage, nachdem sich ein Lastwagen auf der spiegelglatten Fahrbahn quergestellt hatte. Ein Sattelschlepper und sieben Autos konnten darauf nicht mehr rechtzeitig bremsen und krachten ineinander. Die Polizei sperrte die Fahrbahn Richtung Hamburg bis zum frühen Abend. Auch auf der Hansalinie in Richtung Hamburg hieß es gestern für mehrere Stunden: Nichts geht mehr. Auf Höhe der Anschlussstelle Stuckenborstel war ein Lkw mit einem Reifenschaden liegen geblieben. Hinter dem Lastwagen stauten sich mehrere Schwertransporter, für die Pkws gab es daher kein Durchkommen. Auf den Umleitungsstrecken - insbesondere auf der B 75 in Richtung Scheeßel - ging es teilweise nur im Schritttempo voran.

Doch selbst die Boliden unter den Räumfahrzeugen hatten mit diesem Wetter arge Probleme. Auf der Autobahn 1, zwischen Hamburg und Lübeck, steckten sie wegen des heftigen Schneetreibens zeitweise fest, in der Lübecker Innenstadt kamen 15 Busse wegen der extremen Glätte gar nicht voran - mit der Folge, dass auch die Räumfahrzeuge in den Stau gerieten und nicht streuen konnten. Allein während des rund zwei Stunden dauernden, heftigen Schneefalls krachte es im Kreisgebiet Segeberg rund 20-mal.

Zwar herrschte fast überall im Norden dichtes Schneetreiben, der meiste Neuschnee fiel mit fünf Zentimetern jedoch in der Hansestadt. Etwas weiter südlich erwischte es den Landkreis Rotenburg besonders schlimm: Dort schätzte die Polizei die Schneedecke gestern auf rund 15 Zentimeter. Bis Donnerstag soll es zwar aufklaren, danach könne jedoch wieder viel Schnee niederkommen, sagte eine Sprecherin des Deutschen Wetterdienstes.

Einen bei allem Chaos positiven Ausblick wagte gestern Frank Böttcher. Der Meteorologe und Leiter des Hamburger Instituts für Wetter- und Klimakommunikation sieht gute Chancen für eine weiße Weihnacht. Böttcher: "Vor allem in Norddeutschland steigt die Wahrscheinlichkeit. So liege die prozentuale Chance für Kiel bei über 55 Prozent, für Hamburg bei 50 und mehr Prozent, für Köln bei unter 45 Prozent und für München unter 40 Prozent, sagt Böttcher.

Konkrete Prognosen für die Schneehöhen seien aber noch nicht möglich. Per Definition ist weiße Weihnachten dann gegeben, wenn eine geschlossene Schneedecke von mindestens einem Zentimeter vorliegt - egal, ob es Heiligabend regnet, taut oder weiter schneit.