Es war die Woche des Christoph Ahlhaus, des Oppositionspolitikers Christoph Ahlhaus, muss man hinzufügen. Sicher: An der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte Ahlhaus als Bürgermeister eine Reihe von Integrationsprojekten in der Stadt. Doch die größte Aufmerksamkeit erzielte der CDU-Politiker dadurch, dass er nun mit dem stärksten Kritiker der schwarz-grünen Senatspolitik gemeinsame Sache machen will. Ahlhaus holte sich mit dem Primarschulgegner und Anwalt Walter Scheuerl die personifizierte Opposition ins Wahlkampfboot.

Deutlicher kann man sich nicht von dem abwenden, was eben noch als die eigene politische Überzeugung gelten durfte. Aber die 180-Grad-Wende ist ja gewollt. Bedenklich muss dabei stimmen, wie Scheuerl seine Bereitschaft untermalt hat, an prominenter Stelle auf der CDU-Liste als Parteiloser zur Bürgerschaftswahl zu kandidieren. Er könne sich eine Mitgliedschaft in der CDU nicht vorstellen, weil er von der Partei "bitter enttäuscht worden" sei. "Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren", sagte Scheuerl.

Ahlhaus und Partei- und Fraktionsvize Frank Schira saßen während dieser Abfuhr erster Klasse ihres Hoffnungsträgers schweigend daneben. Es soll Christdemokraten geben, die diese Szene als zutiefst entwürdigend empfunden haben.

Für Scheuerl ist die Union ein bequemes Mittel zum Zweck, künftig ein Forum als Abgeordneter der Bürgerschaft zu haben. "Jeder Hamburger hat jetzt die Möglichkeit, mir seine Stimme zu geben", sagte Scheuerl und machte damit deutlich, dass er vor allem für sich selbst Wahlkampf machen will.

Scheuerl ist damit nach jetziger Lage der Einzige aus der Riege der Aktiven der Anti-Primarschul-Initiative "Wir wollen lernen" (WWL), der in die Politik wechselt. Beim entscheidenden WWL-Treffen im Restaurant Mediterano in der Altstadt am Mittwoch gab es eine klare Mehrheit für Scheuerls Kandidatur. Entscheidend dürfte dabei auch gewesen sein, dass es einer erheblichen organisatorischen Anstrengung der zumeist berufstätigen Menschen bedurft hätte, eine Kampagne auf die Beine zu stellen. Außerdem war die Rede von Kosten in Höhe von 200 000 Euro, die aus Spenden aufgebracht werden müssten. Es gab allerdings eine kleinere Gruppe von WWL-Unterstützern, die sehr energisch für die Parteigründung mit der Perspektive stritten, selbst in die Bürgerschaft zu gehen.

Dass sich Ahlhaus als Bürgermeister wie ein Oppositionspolitiker verhält, zeigte sich nicht nur beim Scheuerl-Coup, sondern auch an einer anderen Stelle in dieser Woche. In ungewöhnlich scharfer Form und ins Persönliche gehend attackierte Ahlhaus seinen SPD-Konkurrenten Olaf Scholz. Üblicherweise muss der Herausforderer den Amtsinhaber angreifen. Doch das Umfragetief für die Union zwingt Ahlhaus zur Offensive.

Scholz sei ein "Hinterzimmerstratege" und "Parteisoldat durch und durch", sagte Ahlhaus in seiner Rede zur Nominierung als Spitzenkandidat auf dem CDU-Parteitag. Doch den größten Lacherfolg bei seinen Parteifreunden erzielte der CDU-Mann, dem seine Herkunft aus Heidelberg bisweilen vorgehalten wird, als er sagte, Scholz sei auch nicht in Hamburg, sondern in Osnabrück geboren. "Olaf Scholz lebt vermutlich schon länger hier, aber er ist ja auch älter", sagte der 41-Jährige über den 52-Jährigen. Da gab es donnernden Applaus. "Die billigsten Nummern laufen am besten", sagte ein Christdemokrat mit leicht zynischem Unterton.

Mit der SPD hat Ahlhaus den Hauptgegner der CDU im bevorstehenden Wahlkampf in den Blick genommen. Unter der Hand gehen aber die "Aufräumarbeiten" der Union in den von der GAL verlassenen Behörden weiter. Prominentestes Opfer war in dieser Woche der Chefplaner in der Schulbehörde, Hans-Peter de Lorent (GAL). Er war neben Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) das bekannteste Gesicht der gescheiterten Primarschule. De Lorent muss die Senatorenetage im 16. Stock der Schulbehörde an der Hamburger Straße verlassen und wird Projektleiter im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Die Versetzung de Lorents kann als eine Art vertrauensbildender Maßnahme mit Blick auf Walter Scheuerl gesehen werden. Wenn die CDU, was derzeit nicht wahrscheinlich ist, nach der Bürgerschaftswahl den nächsten Schulsenator stellen kann, würde der wohl Walter Scheuerl heißen.

Ahlhaus und Schira fahren einen klaren Kurs der Rückbesinnung auf konservative Werte und damit auch auf die Hinwendung zur CDU-Kernwählerschaft. Das ist die Lehre aus der gescheiterten Primarschulreform, wegen der sich ein Teil der Stammklientel von der Union abgewendet hat. Der Kurswechsel ist naheliegend, aber auch riskant. Die CDU vernachlässigt die Wählerschichten, die der liberale Ole von Beust als Bürgermeister der Partei erschlossen hatte. "Wir müssen ein Angebot an die Mitte der Gesellschaft machen, sonst landen wir bei den Gartenpartys", sagt ein Christdemokrat. Die Partys seien zwar schön, aber "da kommen nur die eigenen Leute". Die Gartenparty-Quote der CDU dürfte ungefähr bei 25 Prozent der Wählerstimmen liegen, plus Scheuerl-Effekt.

Dass der schwarz-grüne Wille bei Ahlhaus und Schira schon erschöpft war, bevor es zum Koalitionsbruch kam, belegt eine Begebenheit vor drei, vier Wochen. Die Grünen drängten Ahlhaus zu einem schwarz-grünen Aufbruchssignal, nach einer gemeinsamen Idee, dem lahmenden Bündnis aufzuhelfen. Der Vorschlag der CDU lautete, an einem autofreien Sonntag die City innerhalb des Rings 1 für Autos zu sperren.

Statt eines von den Grünen erhofften Fanfarenstoßes gab es nur ein laues Lüftchen. Den Grünen wurde klar, dass das weniger als Signal des schwarz-grünen Aufbruchs, sondern mehr als Ende einer Idee gemeint war.