Es geht um ein Jugendzentrum, das weiterhin arbeitet. Die Summe belief sich nach Abendblatt-Informationen auf mehr als 75.000 Euro.

Hamburg. Der Verein Jugendzentrum Horner Geest ist Geschichte. Er wurde am 19. März 2010 aus dem Vereinsregister des Amtsgerichts Hamburg gelöscht. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat dem nicht mehr existierenden Verein trotzdem noch in mindestens drei Fällen Geld überwiesen. Die Summe belief sich nach Abendblatt-Informationen auf mehr als 75.000 Euro.

Inzwischen hat der für die Bezirke zuständige Staatsrat Rolf Reincke (CDU) aus der Finanzbehörde die Innenrevision beauftragt. Diese soll sämtliche Zahlungen an das Jugendzentrum Horner Geest e. V. überprüfen: "Die vom Bezirksamt Mitte an das Jugendzentrum Horner Geest nach dem 19. März geleisteten Zahlungen waren nach dem Zuwendungsrecht nicht rechtmäßig", bestätigte Finanzbehörden-Sprecher Christoph Klamp auf Abendblatt-Anfrage. Ein Mitarbeiter der INEZ (Integrierte Erfassung und Bearbeitung von Zuwendungen) habe bereits am 24. Juni das Bezirksamt aufgefordert, noch ausstehende Auszahlungen bis zur vollständigen Klärung zu stoppen. Die Innenrevision soll nun "im Rahmen der ohnehin ständig laufenden Überprüfungen auch weitere Zuwendungen untersuchen, die das Bezirksamt Hamburg-Mitte an Träger getätigt hat", sagte Klamp.

Die Aufregung im Bezirk ist groß: Denn der Vorsitzende des nicht mehr eingetragenen Vereins ist Hansjörg Schmidt - und der ist SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte. Der CDU-Bezirksabgeordnete Nikolaus Haufler spricht von einem "Skandal ersten Ranges". Das sei eine "absolute Sonderbehandlung für führende Genossen. Bei jedem anderen Verein hätte man die Auszahlungen sofort gestoppt." Hintergrund: Der Bezirk wird seit Jahrzehnten von der SPD dominiert, auch Bezirksamtsleiter Markus Schreiber ist Sozialdemokrat.

Das Bezirksamt ist sich jedoch keiner Schuld bewusst: "Wir haben von Seiten der Behörde gründlich geprüft. Es gab keine Zweifel daran, dass das Geld dem beabsichtigten Zweck zugeführt wird. Deshalb, und um die wichtige Arbeit des Jugendzentrums nicht zu gefährden, wurden weitere Zahlungen geleistet", sagt Sprecher Lars Schmidt. Auch der Vereinsvorsitzende Hansjörg Schmidt beteuert: "Das Jugendzentrum hat seine Arbeit auch nach der Löschung des Vereins ganz normal weitergemacht. Das Geld wird wie immer ausschließlich für die Jugendarbeit verwendet."

Das Vereinsregister hatte die Löschung verfügt, weil der Verein wiederholt auf Schreiben des Vereinsregisters nicht reagiert habe, so eine Mitarbeiterin. "Der Verein wurde mehrfach aufgefordert, die Protokolle von Mitgliederversammlungen einzureichen. Aber das ist nicht geschehen", so die Mitarbeiterin des Vereinsregisters weiter. Dazu Hansjörg Schmidt: "Mir ist nicht bekannt, warum das Jugendzentrum Horner Geest aus dem Vereinsregister gelöscht wurde. Mein Fehler liegt darin, dass ich nach der Löschung nicht sofort aktiv geworden bin." Aber inzwischen sei alles geregelt und das Jugendzentrum werde schon in Kürze wieder in das Vereinsregister aufgenommen, so der Vereinsvorsitzende weiter.

Fakt ist: Erst nachdem die Finanzbehörde am 24. Juni um den Auszahlungsstopp gebeten hatte, wurde das Bezirksamt aktiv. Am 23. Juli verfügte der zuständige Jugendamtsleiter handschriftlich, dass die "Abschlagszahlungen" vorerst "eingestellt" werden sollten. Zeitgleich wurde der Verein durch das Bezirksamt via Einwurf-Einschreiben zu einer Stellungnahme bis zum 20. August aufgefordert. Am 19. August meldete sich Schmidt dann bei dem zuständigen Jugendamtsleiter und "entschuldigte sich für die Situation aufgrund eines Büroversehens und sicherte zu, eine erneute Eintragung in das Vereinsregister umgehend zu veranlassen", sagt Sprecher Lars Schmidt.

Das von Hansjörg Schmidt beauftragte Notariat legte mit Datum vom 17. August eine Antragskopie an das Amtsgericht Hamburg vor: "Die Argumentation des Vereinsvorsitzenden war plausibel. Darum haben wir den Zahlungsstopp aufgehoben", sagt Sprecher Lars Schmidt. So wurden am 25. August und am 26. Oktober mehr als 50 000 Euro überwiesen. Seit Jahresbeginn wurden sieben Zahlungen geleistet. Der Verein soll 2010 Zuwendungen von rund 225.000 Euro erhalten.

Die Zahlungen ziehen jetzt weitere Kreise: "Ich werde eine Kleine Anfrage an den Senat stellen. Außerdem werde ich die Sozialbehörde als fachliche Aufsicht um eine Prüfung bitten", kündigt Stephan Müller, Jugendexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, an. Müller erwartet eine lückenlose Aufklärung und kritisiert: "Das riecht nach rotem Filz. Hier wird der Bezirk offenbar als Beute benutzt." Der CDU-Abgeordnete Haufler sagt: "Das Fehlverhalten im Jugendamt hat anscheinend System. Jetzt muss alles ans Licht gebracht werden."