Nach zwei Jahren ist Harmonie zwischen den Koalitionspartnern selten gworden. Die eigene Meinung wird klar geäußert - auch auf Kosten des Regierungspartners.

Doch. Sie können auch einer Meinung sein. Als GAL-Landeschefin Katharina Fegebank Mitte der Woche vorschlug, den Botanischen Garten nach Loki Schmidt zu benennen, stimmte CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira spontan zu. Harmonie geht also, aber immer seltener.

In den ersten zwei Jahren ihres bundesweit einzigartigen Bündnisses haben sich Schwarze und Grüne lieber auf die Zunge gebissen, als den Koalitionspartner öffentlich zu kritisieren. Jetzt gilt das Prinzip: Die eigene Meinung muss auf jeden Fall heraus - auch und gerade auf Kosten des Koalitionspartners. Nach dem verlorenen Volksentscheid zur Primarschule mit der Folge beidseitiger Ernüchterung - aus unterschiedlichen Gründen - sind CDU und GAL auf sich selbst zurückgeworfen. Die Basis der Grünen will endlich Erfolge sehen in einer ungeliebten Koalition. Und der christdemokratische Unterbau fragt sich, ob der Preis für den Machterhalt - das inhaltliche Entgegenkommen in Richtung GAL - nicht zu hoch war.

Zwei Beispiele aus dieser Woche: Im Abendblatt-Interview rückt die Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) von CDU-Vormann Schira ab. Der hatte die Verhandlungen der Stadt mit den muslimischen Vereinen über einen Grundlagenvertrag unter anderem mit einem Bekenntnis zum Existenzrecht Israels befrachten wollen. "Das gehört nicht in eine solche Vereinbarung", stellte Goetsch kategorisch klar.

Und umgekehrt: Kaum hatte Justizsenator Till Steffen (GAL) ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare gefordert, kritisierte die Union den Alleingang des Senators. "Das ist kein Konsens in der schwarz-grünen Koalition", sagte CDU-Fraktionsvize Wolfgang Beuß. Seine Kollegin Viviane Spethmann sprach von einem "völlig abstrusen" Vorstoß. Eine gemeinsame Bundesratsinitiative zu diesem Thema werde es selbstverständlich nicht geben. Wer so redet, will nicht gleich das Ende der Koalition, er erwartet nur nicht mehr viel vom anderen.

Die eigenen Positionen sind in diesem Bündnis wichtiger geworden als die gemeinsamen. Der Druck, den die jeweilige Basis auf die Spitzenkräfte ausübt, hat deutlich zugenommen.

Das führt zu Nervosität und Gereiztheit der Matadore im Rathaus. Die Anspannung hat sich längst auf die wöchentliche Senatsvorbesprechung gelegt. Teilnehmer berichten davon, dass GAL-Fraktionschef Jens Kerstan Woche um Woche griesgrämiger in dem erlauchten Kreis erscheint. Nun gibt es tatsächlich Themen, die berechtigt für schlechte Laune unter den Regierenden sorgen. Ein Stichwort lautet HSH Nordbank. Es war Kerstan, der in der Koalition Dampf gemacht hat, den Fall des skandalumwitterten HSH-Vorstandschefs Dirk Jens Nonnenmacher endlich anzugehen. Und er hatte dabei nicht zuletzt seine Parteifreunde im Blick, die klare Worte verlangen und kein Verständnis mehr für Nachsicht gegenüber dem Bankmanager haben.

Doch gelegentliche Ausbrüche leistet sich auch Kerstans CDU-Pendant Schira. Auch seine Abgeordneten fordern mehr Mitsprache als noch zu Beginn des Bündnisses und zu Zeiten des "Oberchefs" (Schira) Ole von Beust. Die Union weiß allerdings um die sensible Gefechtslage. Die Grünen haben mit der SPD und eventuell der Linken eine Alternative zum CDU-Bündnis. Wen haben aber die Christdemokraten als potenziellen Bündnispartner außer einer FDP, die an die Fünf-Prozent-Marke festgekettet zu sein scheint? Niemand.

Mit anderen Worten: Zu weit darf es die CDU gegenüber der GAL nicht treiben. Der CDU-Landesvorstand hat sich am Montag nach intensiver Diskussion über die politische Lage denn auch darauf verständigt, künftig mehr Rücksicht auf die Grünen zu nehmen. Dahinter steht auch die Einschätzung, dass der Druck bei den Grünen noch größer ist als im eigenen Lager. Nicht ganz zu Unrecht verweisen die CDUler darauf, dass sie die große Personalrochade bereits hinter sich gebracht haben und die Führungsfrage mit Christoph Ahlhaus als Bürgermeister und eben Schira auf absehbare Zeit geklärt ist. Anders bei der GAL, wo zum Beispiel offen ist, wer nächste Spitzenkandidatin wird. Personalfragen beinhalten bei den Grünen aber immer auch Fragen der politischen Ausrichtung. "Da kämpft doch im Moment jeder gegen jeden", sagt ein CDU-Vorstandsmitglied.

Vorerst binden die schlechten Umfragewerte die ungleichen Koalitionspartner aneinander. Wer den Bruch riskieren will, der muss schon einen sehr guten Grund haben, um die Wähler überzeugen zu können und so dem Umfragetief zu entkommen. Im Grunde geht es beiden Seiten schon jetzt darum, eine möglichst gute Ausgangsposition für den nächsten Urnengang aufzubauen. Eine Neuauflage von Schwarz-Grün ist auch deswegen wohl ausgeschlossen.

So wird das Gesetz der Serie wohl Bestand haben: Seit 1987 haben die Hamburger keinen einzigen Senat bei einer Wahl im Amt bestätigt. Immer gab es eine neue Konstellation. Zuletzt gelang das Kunststück einer Bestätigung des Senats durch die Wahl dem damaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und seiner SPD 1987. Das klappte auch nur, weil der Senat damals ewig war. Das heißt, die SPD hatte die Mehrheit zunächst verloren, konnte aber im Amt bleiben, weil die rechnerische Mehrheit von CDU und GAL gegen sie nicht zustande kam. Ein halbes Jahr später ließ die SPD noch einmal wählen - dann mit dem erwünschten Erfolg.

Wie flexibel die Hamburger sind, zeigt auch die Tatsache, dass es in 23 Jahren nicht eine Wiederholung einer Regierungskonstellation gab. Und es sind noch einige Kombinationen offen.