Der 2007 privatisierte Pflegeheim-Betreiber will nach Millionenverlust Gehälter kürzen. Schuld daran ist offenbar die zu geringe Auslastung.

Hamburg. "Unserem Unternehmen geht es schlecht." Dieser Satz stammt aus einem Schreiben, das die Geschäftsführung von Pflegen & Wohnen an ihre Mitarbeiter geschickt hat. Wie schlecht, das wird mit Zahlen belegt: Dem Unternehmen fehlten Einnahmen in Höhe von acht Millionen Euro pro Jahr, heißt es. 2009 habe das Unternehmen mehr als eine Million Euro Verlust gemacht, in diesem Jahr erwarte man ein Minus von 1,4 Millionen Euro. "So wird unser Unternehmen keinen Bestand haben!", so die Geschäftsführer.

Pflegen & Wohnen (P&W), der größte Betreiber von Pflegeheimen in Hamburg, den die Stadt 2007 an private Unternehmen verkauft hatte, befindet sich in einer "finanziellen Notlage". Das bestätigte Geschäftsführer Johannes Kamm dem Abendblatt. Betroffen sind vor allem die Pflegekräfte: Halbierung des Weihnachtsgeldes, Arbeitszeitverlängerung, weniger Stufen der Einkommenserhöhung, so lauten einige der von P&W geplanten Maßnahmen.

Schuld daran sei die zu geringe Auslastung - rund 86 Prozent - in den zwölf Einrichtungen, so Kamm. Und die begründet er mit den besonderen Umständen: "Wir mussten nach der Privatisierung erst lernen, verkaufsfähig zu sein und zu werben", sagt Kamm. Zudem habe man fünf Häuser neu bauen und eines komplett renovieren müssen und diese in der Zeit nur schwer belegen können. Die sechs alten Einrichtungen seien unterdessen sehr unattraktiv. Die Auslastung sei dramatisch eingebrochen. "An Einschnitten aufseiten der Beschäftigten führt kein Weg vorbei", sagt Kamm. Sonst wisse man nicht, wie es weitergehen solle.

Doch darüber ist bereits ein erbitterter Streit mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di entbrannt. Den bestehenden Tarifvertrag hat P&W zum Ende des Jahres gekündigt - weil Ver.di trotz der schlechten Prognosen keine tariflichen Anpassungen akzeptiert habe, heißt es. Die Gewerkschaft hingegen spricht von inakzeptablen Forderungen. "Es gibt keine verlässliche Tarifpartnerschaft mehr", sagt Gewerkschaftssekretär Norbert Proske.

Auf einer Ver.di-Mitgliederversammlung gestern Abend machten sich rund 100 der insgesamt 1500 P&W-Mitarbeiter Luft - und griffen ihren Arbeitgeber zugleich schwer an. "Es ist eine Schweinerei, dass beim Personal gespart werden soll", sagt eine Pflegehelferin, die anonym bleiben möchte. Die Arbeitsbedingungen seien ohnehin schlecht. "Viele Mitarbeiter verzichten auf ihre Pausen, weil die Arbeit sonst kaum zu schaffen ist", sagt die 46-Jährige. Zudem leisteten Kollegen freiwillig Überstunden. Und bekämen dann zu hören, sie arbeiteten nicht schnell genug. Aufgrund des Personalmangels laufe die Pflege der Bewohner auf Akkordarbeit hinaus. "Ein weiteres Problem ist, dass viele Leute von Zeitarbeitsfirmen bei uns arbeiten", sagt sie. Aber von denen hätten die meisten keine Ahnung von dem Beruf.

Auch der Betriebsratsvorsitzende Rolf in der Stroth übt Kritik. "Den Mitarbeitern kurz vor Weihnachten ins Portemonnaie zu greifen ist sehr fragwürdig", sagt er. "Die Eigentümer und Ver.di müssen einen Kompromiss finden." Betriebsrätin Angelika Stiller sieht das ähnlich: Die Geschäftsführung habe dafür zu sorgen, das Vertrauen in die Firma neu aufzubauen. Ansonsten müsse das Unternehmen damit rechnen, Mitarbeiter zu verlieren.

Seit rund vier Jahren gehört die Pflegen & Wohnen Betriebs GmbH mit ihren zwölf Einrichtungen zu gleichen Teilen der Vitanas GmbH in Berlin, einem der größten privaten Pflegeheimbetreiber in Deutschland, sowie der Hamburger Unternehmensgruppe Andreas Franke, die auch in der Immobilienverwaltung tätig ist. Die meisten Grundstücke verkauften sie an Immobiliengesellschaften weiter. Die Stadt erhielt damals 70 Millionen Euro. SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf kritisiert den Verkauf stark: "Der Betrieb war gesund, die Stadt hätte damit wichtige Standards setzen können", sagt Kienscherf. Heute gebe es keine Kostentransparenz mehr, das Geschäft gehe auf Kosten der Pfleger und zu Pflegenden. Er fordert den Senat auf, sich mit dem Betreiber an einen Tisch zu setzen. Den Vorwurf der "Gewinnmacherei" weist P&W-Geschäftsführer Kamm zurück: Bisher habe es nur eine Gewinnausschüttung gegeben, eine "sehr geringe".