In der GAL geht es um die Frage des Spitzenkandidaten. Christa Goetsch wird es nach dem Volksentscheid vermutlich nicht.

Wer sich als Spitzenkandidat ins Gespräch bringen will, darf offiziell nicht darüber reden. "Ich bin kein Kandidat für die Präsidentschaft", sagte US-Senator Jasper Irving in dem Film "Löwen für Lämmer". Dabei zielte der junge Ehrgeizling mit seiner Strategie für den Krieg in Afghanistan einzig darauf ab, sich für das höchste amerikanische Amt zu profilieren.

Dass es auch in der GAL nicht nur Lämmer, sondern auch hungrige Löwen gibt, ist seit verdeckten Angriffen auf die Spitzenfrau, Christa Goetsch, sichtbar geworden. Nach dem verlorenen Volksentscheid zur Primarschule sei Goetsch für den Wahlkampf 2012 nicht mehr tragbar, zitierte "Die Tageszeitung" anonyme GALier. Seitdem ist die Diskussion über Nachfolger entbrannt. Auch wenn Parteichefin Katharina Fegebank sagt: "Wir reden erst über Inhalte, dann über Gesichter."

Nicht zu leugnen ist, dass mit der Schulsenatorin eine Politikerin, gegen deren Politik beim Volksentscheid 276 000 Bürger gestimmt hatten, nicht mehr als Zugpferd taugt. Obwohl Goetsch' Verdienste anerkannt werden, sind Vorwürfe, sie sei "ideologisch" nicht zu überhören. Das klingt, als wolle man ein altes Kapitel endlich schließen.

Zumal interne Spielchen nicht das Metier von Christa Goetsch sind. Sie ist ein Flaggschiff, kam erst spät in die Parteipolitik und profilierte sich über das Thema Schule. Machtspiele, das können andere GAL-Mitglieder besser.

Dabei geht es um nicht weniger als um eine Partei, die sich selbst sucht. Fundis gegen Realos, das war gestern. Heute geht es um den Streit der Anhänger eines schwarz-grünen oder rot-grünen Bündnisses. Die Zeit drängt: Während die Grünen in Umfragen bundesweit auf mehr als 20 Prozent fliegen, sind sie in Hamburg auf unter zehn Prozent abgestürzt. Die Wähler wollen wissen, wohin sich die GAL entwickelt.

Schon jetzt hagelt es intern Einwände von Mitgliedern, ob man Schulpolitik wirklich weitgehend von der Agenda nehmen sollte. Hintergrund ist ein Antrag unter anderem von Heike Opitz und der ehemaligen Abgeordneten Katja Husen, der Hochschulpolitik als Schwerpunkt sehen will. Heike Opitz ist übrigens mit GAL-Justizsenator Till Steffen verheiratet.

Dieser Antrag wurde auch von höchster Stelle gehört, der Landesvorstand übernahm viele Inhalte, die vom Parteitag schließlich abgesegnet wurden. Ein Schwerpunkt ist nun "Kita, Bildung, Hochschule". Über Schule als "programmatischen Baustein" müsse man noch diskutieren, heißt es nur.

In der GAL öffnet sich ein Vakuum. Zumal die Grünen vorsichtig sind, abermals mit Großprojekten in den Wahlkampf zu gehen. Man wolle sich eher an "Leitlinien" orientieren. So ist die Rede davon, vorsichtiger mit Maximalforderungen zu sein wie auch mit Projekten, die zwar Mehrheiten in der Partei, nicht aber in der Bevölkerung finden. Vize-Parteichef Anjes Tjarks schlägt vor, dass der Senat künftig vor einigen Projekten die Bevölkerung befragen soll.

Das klingt so schlüssig wie ängstlich, addiert man die jüngsten - für die Regierenden schlechten - Erfahrungen mit direkter Demokratie. Die SPD hat erst begonnen, Widerstände gegen das grüne Projekt Stadtbahn zu schüren.

Mit Stuttgart 21 steuern die grünen Parteifreunde in Baden-Württemberg indes auf eine Klemme zu, die das Trauma um das Kohlekraftwerk Moorburg noch übertreffen könnte. Aus der Opposition torpedieren sie das Projekt, in der Wählergunst stehen die Südwest-Grünen bei 30 Prozent. Sollten sie aber in die Regierung gewählt werden, kann es passieren, dass sie das Projekt nicht mehr stoppen können. Und in der Wählergunst so schlecht dastehen wie die GAL in Hamburg.

Um so etwas künftig zu vermeiden, sucht die GAL den großen Kommunizierer. Eine Spitze, die in zähen Gesprächen mit Bürgern vorab Mehrheiten beschafft. Ein Trumpf ist da Anja Hajduk. Die Umweltsenatorin hat die größte Kampferfahrung und gilt sogar in gegnerischen Parteien als äußerst kompetent. Deshalb ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie nach Berlin zurückkehrt, um dort höhere Aufgaben zu übernehmen.

Fraktionschef Jens Kerstan hat dagegen einen Nachteil: Er ist ein Mann, ebenso wie Justizsenator Till Steffen. Den Top-Platz nehmen traditionell Frauen ein.

Da fällt der Blick auf Landeschefin Katharina Fegebank. Die 33-Jährige wird innerhalb der Parteispitze als "begnadete Kommunikatorin" protegiert, würde also ins Profil passen. Sie hat allerdings keine parlamentarische Erfahrung. Um zumindest ihre Wahl in die Bürgerschaft sicherzustellen, bräuchte sie zudem einen eigenen Wahlkreis.

Pikant ist, dass Fegebank in Mitte wohnt, wo der GAL-Abgeordnete Farid Müller längst Lokalmatador ist. Der gibt sich betont entspannt: "Ich mache mir da keine Sorgen", sagt er.

Zumal Müller weiß, dass jene Änderungen des Wahlrechts in seine Karten spielen, die er als Beauftragter mit der Initiative "Mehr Demokratie" aushandelte. Bei den Wahlen 2012 darf der Wähler zwischen mehreren Kandidaten auswählen, unabhängig vom Listenplatz der Partei.

Diese Regelung schwächt übrigens parteiinternes Posten-Geschacher. Das dürfte das Rennen um die Spitzenkraft der GAL noch spannender machen.