Schon 1000 Stadträder gibt es an 70 Stationen in Hamburg. 16 Mitarbeiter sorgen dafür, dass immer genug fahrtüchtige Velos am richtigen Ort sind.

Hamburg. Sport braucht Gerd Lackner nach Feierabend nicht mehr zu machen. Zumindest nicht, um seine Fitness zu verbessern. Denn wer täglich acht Stunden lang mit einem 60 Kilo schweren Servicefahrrad durch die Hamburger Innenstadt fährt, "der weiß am Abend, was er getan hat", sagt Lackner und lacht. "Ich fahre eine komplette Werkstatt durch die Gegend - da kommt einiges an Gewicht zusammen."

Lackner trägt über seinem Blaumann eine rote Jacke - passend zur Farbe der signalroten Räder, die in Reih und Glied an den vielen Stationen in der Hansestadt stehen und darauf warten, dass sie von Hamburgern oder Touristen ausgeliehen werden. Das StadtRad ist beliebt in Hamburg. Egal, ob es Anzugträger sind, die bei Sonnenschein auf dem Rad von einem Geschäftstermin zum anderen fahren, oder die Ausflügler, die lieber mit dem roten Leihfahrrad vom Jungfernstieg in die HafenCity radeln statt den Bus zu nehmen. Gerd Lackner sorgt mit seinen 15 Kollegen vom StadtRad-Team dafür, dass die Räder ständig fahrtüchtig sind und immer zum Ausleihen bereitstehen - das kann man durchaus als logistisches Meisterwerk bezeichnen.

"Die kleineren Reparaturen kann ich direkt an den Stationen durchführen", sagt der gelernte Elektriker, der seit August das StadtRad-Team unterstützt. "Und es ist in vielen Fällen praktischer, wenn ich nicht mit dem Kleintransporter durch die Stadt fahre." Passenderweise ist auch er täglich mit dem Rad unterwegs. Seines besitzt aber drei Räder, nur so kann die rollende Werkstatt auch transportiert werden. Sie enthält alles, was für die schnellen, kleinen Reparaturen benötigt wird. Dann müssen die Räder nämlich nicht in die Werkstatt gebracht werden. Schraubenschlüssel, Ersatzklingeln oder neue Lampen - all das zaubert Lackner aus der großen Kiste, die auf seinem Spezialfahrrad montiert ist, der rollenden Werkstatt.

Seit Juli 2009 gibt es das StadtRad in Hamburg. An derzeit 70 Stationen können 1000 Räder geliehen werden - ganz unkompliziert, an einem Terminal mithilfe einer EC- oder Kreditkarte. Der Betreiber Deutsche Bahn verzeichnet bis zu 5000 Fahrten pro Tag und es gibt 55 000 registrierte Kunden. "Ich kann von meiner Zentrale mithilfe eines Computerprogramms sehen, wie viele Fahrräder an welchem Standort stehen, das ist nämlich alles vernetzt", sagt Thomas Jäger, der Disponent und damit Kopf des Teams. "Morgens werden die Stationen in den äußeren Wohngebieten von den Nutzern leergeräumt, und die Räder landen dann alle in der Innenstadt, wo die Leute arbeiten. Deshalb fahren wir dann tagsüber mit unseren Sprintern die vielen Fahrräder durch die Stadt, um das auszugleichen." Ein Rad kann an jeder beliebigen Station abgestellt werden. Räder mit größeren Schäden werden von denselben Mitarbeitern eingesammelt und in die Werkstatt gebracht, wo sie dann komplett durchgecheckt werden.

Weil die Räder großen Strapazen ausgesetzt sind, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht an den Stationen stehen, müssen sie besonders robust sein. "25 Kilogramm schwer, sieben Gänge, ein Dynamo für das Licht und ein verstellbarer Sattel", sagt Jäger. "Das Rad ist für alle geeignet." Zudem sind die Räder gerade mit neuen, widerstandsfähigeren Reifen ausgestattet - das Glasgranulat hatte ihnen im vergangenen Winter zugesetzt. Ansonsten wird mit den Fahrrädern extrem pfleglich umgegangen - mutwillige Beschädigung gibt es so gut wie gar nicht. An schlechten Tagen werden höchstens 50 Schäden angemeldet - vom platten Reifen bis zur kaputten Gangschaltung. "Wir bekommen auch immer alle unsere Fahrräder wieder", sagt Thomas Jäger stolz. "Die Leute loggen sich mit ihren Daten ein, und wenn nach zwei Tagen das Fahrrad nirgendwo abgegeben wurde, können wir es zurückverfolgen. So kann keines verloren gehen."

Wenn die Fahrräder mit ihrem Schloss wieder an einer Station angedockt werden, meldet sich der Kunde damit automatisch wieder ab. Dann hört auch die Uhr auf zu zählen, die Leihgebühr wird minutengenau abgerechnet und monatlich vom Konto abgebucht. Die erste halbe Stunde ist übrigens umsonst, danach kostet jede Minute vier Cent, nach einer Stunde je acht Cent. Der Höchstbetrag für die Ausleihe pro Tag sind 12 Euro.

Und weil das StadtRad immer beliebter wird, sollen bis zum Ende des Jahres sieben weitere Stationen gebaut, drei bestehende erweitert werden. 2011 geht es dann weiter mit dem Ausbau - sodass das Stadtrad-Team vielleicht irgendwann auch in den Randgebieten unterwegs ist.