In Österreich war wieder mal alles anders. Als die 18-jährige Kosovarin Arigona Zogaj abgeschoben werden sollte, drohte sie öffentlich mit Selbstmord.

Sie war als Kriegsflüchtling im Alter von zehn Jahren zugewandert, galt als vorbildlich integriert, ein breites bürgerliches Bündnis kämpfte für sie. Doch in Bierzelt-Reden schimpften rechte Politiker über die "Göre", die dem Staat auf der Nase herumtanze und verschwinden müsse, damit wieder "a Ruah" einkehre. In diesem Sommer, drei Jahre später, musste sie Österreich schließlich doch verlassen.

Die Gesetze hatten sich trotz politischer Debatten nicht geändert.

Im Fall von Kate Amayo, der stillen Spitzenabiturientin aus Ghana, forderte niemand öffentlich ihre Abschiebung, von den Rechtsradikalen der NPD mal abgesehen. In der Härtefallkommission entschieden CDU, GAL, SPD und Linke einstimmig, dass sie bleiben müsse. Was aber nicht ändert, dass Amayo zuvor vier Jahre lang mit ihrem Anwalt gegen die Abschiebung kämpfen musste.

Was also bleibt? Es scheint, als müssten Politiker aller Neigungen nun für Gesetze plädieren, die zumindest ähnlich vorbildlichen Zuwanderern diesen erniedrigenden Weg ersparen.

Wenn Politik so einfach wäre. Der unmittelbarste Vorschlag kam von der Opposition: Die Hamburger Sozialdemokraten ließen ihren Genossen, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), nach Hamburg kommen, um sein Modell zu präsentieren: Es hält per schlichter Arbeitsanweisung die Behörden dazu an, flexibler zu entscheiden, damit individuelle Integrationsleistungen nicht mit dem Verweis auf "Recht und Gesetz" ignoriert werden.

Pikant: ein Vorschlag, dem in Bremen sogar die oppositionelle Union zustimmte. Perspektivlosigkeit, sagte der dortige CDU-Politiker Wilhelm Hinners, sei eine der Hauptursachen für misslungene Integration. "Darum ist die Beseitigung von unnötigen Hürden auf dem Weg zu einer Ausbildung, die Perspektiven bietet, ein guter Ansatz."

Gut 100 Kilometer weiter in nordöstlicher Richtung, in der Hamburger CDU, klingt das anders. Man habe rechtliche Vorbehalte, sagt Innenpolitiker Kai Voet van Vormizeele.

Ernsthaften Austausch zwischen den Parteifreunden, das bestätigen Unionspolitiker, hat es über die Ländergrenzen nicht gegeben. Was wohl auch banale Parteien-Strategie ist: Bringt die Opposition einen Antrag, sogar mit Schützenhilfe aus einem anderen Bundesland, wird dieser abgeschmettert. Zumal sich Innenpolitiker Voet van Vormizeele beschwert, dass der Bremer Innensenator zwar Vorschläge unterbreite, aber nicht kooperiere. "Wir haben Informationen aus Bremen angefordert, aber nicht erhalten."

Die GAL drückt ihre Ablehnung anders aus: Man müsse die "längst bekannte Lücke" im Ausländerrecht für gut integrierte Kinder dringend schließen, man wolle aber eine bundesweite Regelung. "Darüber sind wir mit der CDU im Gespräch."

Kann sich Schwarz-Grün mal wieder nicht einigen? Schließlich müsste eine schnelle Regelung zugunsten der Zuwanderer im grünen Sinne sein. Doch während die Laune im Bündnis insgesamt abkühlt, scheint ausgerechnet in der Innenpolitik, vermeintliche Sollbruch-Stelle der Koalition, die Stimmung blendend.

Die Wahrheit ist wohl: Beide Parteien sind ganz zufrieden mit der Lösung, besondere Fälle über die Härtefallkommission am Gesetz vorbeizuschleusen. Auch ohne Druck der Öffentlichkeit.

"Für einen polarisierenden Wahlkampf", sagt GAL-Fraktionsvize Antje Möller, "ist dieses Thema ohnehin wenig geeignet". Anders als in Österreich stellen sich auch konservative Politiker in Hamburg nicht prinzipiell dagegen, mustergültigen Zuwanderern ein Bleiberecht zu gewähren. Auch das Bremer Modell würde höchstens einige Hundert Menschen in Hamburg betreffen, die großen Fragen der Zuwanderung sehen die Politiker von GAL und CDU bisher offenbar nicht berührt.

Der grüne Einfluss ist subtiler: In dieser Legislatur hat die CDU-geführte Innenbehörde alle Empfehlungen der Härtefallkommission akzeptiert. "Das dürfte bundesweit einmalig sein", sagte Jens Grapengeter, der für die CDU in dem Gremium sitzt und derzeit keinen Bedarf für neue Regelungen sieht. Außerdem sei die Zahl der Fälle derzeit "zu bewältigen".

Dass das grüne Szenario einer bundesweiten Regelung realistisch ist, wird in CDU-Kreisen indes bezweifelt. Alle Innenminister müssten einstimmig entscheiden. Die Hamburger CDU erwartet gerade aus den unionsgeführten Flächenländern wenig Schützenhilfe. Die Regierungen dort seien selten direkt mit Fällen wie Kate Amayo konfrontiert, weil diese oft nur in der regionalen Presse stattfänden, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Anders war das, als mittelständische Unternehmen im Jahr 2006 in Baden-Württemberg der Politik einheizten, weil viele ihrer Mitarbeiter das Land verlassen sollten. Ergebnis war eine bundesweite Lockerung des Bleiberechts für rund 180 000 Ausländer, die schon lange dort lebten.

Zuwanderer brauchen also stets eine Lobby, um mehr Rechte zu bekommen. Mehr Rechte will die Hamburger Regierung offenbar nicht gewähren - lieber Gnade.