Bürger begehren gegen das Sparpaket von Senator Frigge auf. Auch Gotthold Ephraim Lessing demonstrierte auf dem Gänsemarkt mit.

Vielleicht hat Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) am Donnerstagabend aus seinem Dienstzimmer einen Blick auf den Gänsemarkt riskiert: Dort hatten sich all diejenigen versammelt, die lautstark gegen die von ihm verantwortete Sparpolitik des schwarz-grünen Senats aufbegehren - von den Müllleuten der Stadtreinigung bis zur Elternschule Mümmelmannsberg, obwohl deren Existenz inzwischen gesichert ist.

In jedem Fall, so wird aus Frigges Umfeld versichert, habe sich der Senator nicht von seinen Dienstgeschäften abhalten lassen. "Business as usual" soll das wohl heißen. Die Botschaft: Die 16 000 protestierenden Hamburger auf dem Platz vor der Finanzbehörde können den Mann der Zahlen nicht vom Sparen abbringen.

Wahrscheinlich ist Frigge im Arbeitseifer entgangen, dass sich ein Dauerbewohner des Gänsemarkts - nicht ganz freiwillig - mit den Demonstranten solidarisierte: Gotthold Ephraim Lessing. Ein Mann in Fantasieuniform stülpte dem bronzenen Dichterdenkmal einen überdimensionierten Protestbutton gegen die Kürzungen des Schauspielhaus-Etats um 1,2 Millionen Euro über. "Ich bin das Schauspielhaus", prangte nun auf Lessings Brust. Der Beifall war riesig.

Wäre der Autor der hamburgischen Dramaturgie noch am Leben, dann hätte er sich möglicherweise wirklich dem Protest angeschlossen. Schließlich hatte Lessing in seiner Hamburger Zeit selbst Erfahrungen mit der drohenden Unterfinanzierung einer kulturellen Einrichtung machen müssen. Die privat geführte Hamburgische Entreprise, auch Nationaltheater genannt, an dem Lessing seit 1767 als Dramaturg wirkte, musste 1769 wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen.

Aber so weit ist es mit dem staatlich subventionierten Schauspielhaus nicht. Die größte deutsche Sprechbühne zu schließen sei keine Option, versicherte Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) in dieser Woche den Beschäftigten. Für eine Beruhigung der Szene hat diese Zusage noch nicht gesorgt. Im Gegenteil: Der schwarz-grüne Senat ist beim Thema Kulturhaushalt in die Defensive geraten. Und dass das so ist, kann nicht gerade als kommunikativer Geniestreich gelten. Denn unter dem Strich muss die Kultur kein Geld verlieren.

Auf der einen Seite stehen zwar die jetzt beschlossenen Kürzungen: beim Schauspielhaus - um 1,2 auf dann 17,3 Millionen Euro staatlicher Zuwendung -, die Schließung des Altonaer Museums und die Absenkung des Budgets der öffentlichen Bücherhallen - alles in allem knapp sieben Millionen Euro. Andererseits will der Senat mit der Einführung der Kulturtaxe nach dem Vorbild Weimars und Kölns eine neue Einnahmequelle für die Kultur erschließen. Fünf Prozent jeder Hotelübernachtung sollen als Bettensteuer abgeführt werden. Von den erwarteten zehn Millionen Euro sollen 7,5 Millionen Euro in die Kultur fließen. Die GAL, die die Kulturtaxe ins Spiel gebracht hatte, will aus den Einnahmen auch das Schauspielhaus finanzieren.

Es gibt nur einen Haken: Der Deutsche Städtetag und die Dehoga halten die Steuer für nicht verfassungskonform. Der Senat wiederum stützt sich auf eine Ausarbeitung der Behörde für Wirtschaft und Arbeit. Danach könnte die Steuer rechtens sein, wenn es gelingt, die Geschäftsreisenden von der Touristensteuer auszunehmen. Das klingt, zugegebenermaßen, ein bisschen nach "Tetsche mit de Utsichten".

Zur haushaltspolitischen Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Kultur im aktuellen Doppeletat 2009/10 einen Zuwachs um sieben Prozent verzeichnen konnte. Und bei der ersten Sparrunde des Senats im November 2009 wurde der Kulturetat zum Schonbereich erklärt. Im Vertrauen auf ein "weiter so" hatte die frühere Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) unter anderem den großen Häusern finanzielle Zusagen gemacht, die durch den Haushalt noch gar nicht gedeckt waren. Insgesamt soll sich das Volumen auf elf Millionen Euro belaufen haben. Diesen Kurs wollte der neue Senat mit Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) an der Spitze nicht mehr weitergehen.

Eine Schließung des Schauspielhauses, die alle Finanzsorgen mit einem Mal beseitigt hätte, lag als "reale Option" auf dem Verhandlungstisch, wie ein Teilnehmer der Runde jetzt berichtet. Allerdings nicht lange, weil sich die Politiker schnell den Proteststurm ausmalen konnten. Aber immerhin mahnte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan in der Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch an, dass bei einer Auslastung von 60 Prozent im Haus an der Kirchenallee noch "Luft nach oben für Einnahmeverbesserungen" bestünden. Dennoch: Ein "Kahlschlag" bei der Kultur sieht wohl doch anders aus.

Ahlhaus hat übrigens in den Etatberatungen an überraschender Stelle kulturpolitisches Profil bewiesen: Der ehemalige Innensenator legte seine schützende Bürgermeister-Hand über das Polizeiorchester. Noch zwei weitere Male setzte sich Ahlhaus mit einem entschlossenen Nein gegen Sparvorschläge seiner Senatoren durch: Das Blindengeld - immerhin 13,8 Millionen Euro pro Jahr - bleibt erhalten. Und: Erika Andreß, die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts, darf ihren Dienstwagen behalten. Welches politische Profil steckt nur hinter dieser Entscheidung?