Am Ende ging es doch noch kurz zu wie auf dem orientalischen Basar.

Nachdem am Montag um 10.18 Uhr die Türen zum Bürgermeistersaal im Rathaus geschlossen wurden, arbeitete der Senat drei Tage lang "konzentriert und konstruktiv", wie Teilnehmer übereinstimmend berichten, einen Sparvorschlag nach dem anderen ab. Drei Tage lang gingen die 34 Teilnehmer der Runde im Wesentlichen nur zum Schlafen und zum Mittagessen auseinander - montags Rinderbraten mit Salzkartoffeln und Putenspieße mit Ratatouille, dienstags Fischfilets mit Safranreis und Holsteiner Eintopf, mittwochs Bandnudeln mit Lachssoße und Pute mit Gemüse und Reis. Sitzfleisch und umfangreiche Verköstigung zeigten am Ende Wirkung: Durch rund 300 Einzelmaßnahmen soll der Haushalt um 406 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. Das kam dem Ziel von 510 Millionen Euro überraschend nah.

Doch kurz bevor die Türen am Mittwoch gegen 15.30 Uhr geöffnet wurden, geriet das Ziel aus dem Blick. Kultursenator Reinhardt Stuth (CDU) hatte durch die Schließung von drei öffentlichen Bücherhallen 1,5 Millionen Euro einsparen wollen, sich damit jedoch bei der GAL nicht durchgesetzt. Stattdessen wollte er das Geld nun allen Bücherhallen gemeinsam abziehen. Doch auch dagegen legte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan sein Veto ein - unter Verweis auf Mehreinnahmen aus der geplanten Kulturtaxe. Schließlich einigte sich die ermattete Runde auf eine salomonische Rückwärtsrolle: Die Kürzung für die HÖB wird gekürzt, von 1,5 auf eine Million Euro pro Jahr.

Ausgerechnet bei Bürgermeister Christoph Ahlhaus, der bis dato seinen Finanzsenator Carsten Frigge (beide CDU) überzeugend unterstützt hatte, brachen nun die Dämme: Wenn die Bücherhallen geschont werden, wolle er auch das Polizeiorchester (Jahresetat: 1,5 Millionen Euro) erhalten. Das galt zuvor noch als sicherer Streichkandidat. "Ich als Bürgermeister habe entschieden, dass das Polizeiorchester bleibt. Punkt", gestand Ahlhaus bei der Vorstellung des Sparpakets und gab Einblicke in seinen Musikgeschmack: "Das ist ja auch ein Beitrag zur Kultur."

Die zwei Millionen Euro pro Jahr, die der abschließende Kuhhandel kostete, waren für den Finanzsenator aber nur Peanuts im Vergleich zu dem Ärger mit einer anderen Sparmaßnahme. "Das ist ein Skandal! So etwas habe ich in acht Jahren noch nie erlebt", tobte Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) am Freitag. Was war geschehen? Am Dienstag um 19 Uhr waren die Bezirksamtsleiter in der Finanzbehörde von Bezirksstaatsrat Rolf Reincke darüber informiert worden, dass und wie die sieben Bezirke 10,3 Millionen Euro zum Sparpaket beitragen müssen. Da heftig umstrittene Maßnahmen wie die Schließung von Elternschulen und Mütterberatungen nicht mehr auf der Liste standen, konnten die Bezirke damit einigermaßen leben.

Kein Thema in der Runde war eine Maßnahme, die Ahlhaus und Frigge dennoch am Mittwochabend vorstellten: "Zusammenführung der sieben bezirklichen Tiefbau- und Grüneinheiten" zu einem zentralen Landesbetrieb. Konkret bedeutet das: 800 bis 1000 oder zehn Prozent der Mitarbeiter aus den Bezirken sollen der Umweltbehörde zugeschlagen werden, Dutzende Stellen wegfallen. Mögliche Ersparnis: 3,8 Millionen Euro pro Jahr. Am Donnerstag glühten dann die Drähte zwischen Bezirken und Senat: "Ist das ein Senatsbeschluss? Oder nur ein Prüfauftrag?" wollten erzürnte Bezirksamtsleiter und Bezirkspolitiker wissen. Antwort: ein Senatsbeschluss.

"Das ist unmöglich, warum hat man uns das am Dienstag nicht gesagt?" wetterte Schreiber. Auch der eher CDU-nahe Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (Altona) beteuerte auf NDR 90,3, von nichts gewusst zu haben. Offiziell wollte sich niemand im Senat dazu äußern, inoffiziell kommen zwei Erklärungen in Betracht: erstens die formale Begründung, dass es am Dienstag ja nicht um den Umbau der Verwaltungsstruktur ging. Zweitens Frigges Credo: "Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen."

Die quaken dafür jetzt umso lauter, und zwar mit indirekter Unterstützung von Bürgermeister Ahlhaus und CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira: In die zwei Kommissionen, die das Thema Verwaltungsreform nun vorantreiben sollen - eine der Bürgerschaft, eine des Senats - haben sie persönlich einen der lautesten Gegner jeglicher Zentralisierung entsandt: Ralf-Dieter Fischer. Der Harburger CDU-Chef, seit 40 Jahren in allen erdenklichen Hamburger Politikgremien zu Hause, kämpft wie kaum ein Zweiter für die Stärkung der Bezirke. "Eine bürgernahe Verwaltung kann ich mir ohne Bezirke überhaupt nicht vorstellen", sagte er dem Abendblatt am Freitag. Einsparpotenzial sehe er vor allem in den Fachbehörden. Wie der "Senatsbeschluss" zu den Tiefbauabteilungen nun umgesetzt werde, sei eine "offene Frage", so Fischer.

Die Berufung des streitlustigen Juristen könnte der Finanzsenator als Affront empfinden. Der Ausweg könnte darin bestehen, dass Fischer "die gesamten Verwaltungsstrukturen auf Einsparpotenzial durchforsten" will. Das lässt immerhin vieles offen - und Frigge ist es letztlich egal, wer die Millionen wo einspart. Hauptsache, sie werden eingespart. Der Basar bleibt geöffnet.