Es ist nicht mehr zu überhören, dass sich CDU-Fraktionsmitglieder über die inhaltliche Schwäche ihres Vorsitzenden beklagen.

Hamburg. Als der Bürgermeister seine erste Regierungserklärung abgegeben hatte, klatschten zwei Hände besonders laut. CDU-Fraktionschef Frank Schira hob seine Arme und schlug im Stakkato die Handteller ineinander. Sichtbar für alle, gab er so den Rhythmus für den anhaltenden Applaus seiner Fraktion für ihren Regierungschef vor.

Allerdings nicht ohne einen Schulterblick anzutäuschen. Damit hätte er jederzeit kontrollieren können, ob auch wirklich alle fleißig klatschen. Die Regierungserklärung des Christoph Ahlhaus am vergangenen Mittwoch war wenig inspirierend. Es hörte sich nicht so an, als hätte er sich intensiv darauf vorbereitet - eher wie eine Liste von Textbausteinen aus den Fachbehörden, als ein Signal für einen Aufbruch, in welche Richtung auch immer. "Okay" war das, heißt es in CDU-Fraktionskreisen, mehr nicht, etwas "nervös" sei der neue Regierungschef zudem gewesen. Wer aber denkt, Ahlhaus fehle bereits in den ersten Tagen auf dem Chefsessel der Rückhalt seiner Truppe, er brauche für Beifallinszenierungen gar den Vorklatscher Frank Schira, der irrt.

Das Gegenteil ist der Fall. Es ist der Fraktionschef, der zunehmend Feuer aus den eigenen Reihen kriegt. Und Ahlhaus, der "Bürgermeister zum Anfassen" sein will, findet neue Freunde. Verbunden damit ist aber die Gefahr, sich im Amt aufzureiben.

Nur eine Stunde, bevor Ahlhaus ans Mikrofon in der Bürgerschaft trat, saß die CDU-Fraktion noch in einer Sondersitzung zusammen. "So eine Sitzung haben wir noch nie erlebt", berichten Teilnehmer. Es ging um ein sperriges, aber bedeutendes Thema. Die Hamburger Union hatte sich schon lange dafür eingesetzt, die Stadt zur sogenannten "Options-Kommune" zu machen. Kern ist, dass Hamburg dann ihre Arbeitslosen in Eigenregie betreut, also nicht mehr gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit.

Fraktionschef Frank Schira, so berichten es Zeugen, informierte seine Abgeordneten aber schmallippig darüber, dass dieses Projekt nun gekippt sei. Der Antrag, der für die Parlamentssitzung an diesem Tag geplant war, werde zurückgezogen. Es folgte ein Aufstand. Am Ende warf die arbeitsmarktpolitische Sprecherin, Nathalie Hochheim, ihr bisheriges Themengebiet hin.

Übereinstimmend beklagen Fraktionsmitglieder: Man wolle diskutieren und nichts wiederkäuen. Man wolle gefragt und nicht bestimmt werden. Man wolle in der CDU endlich jene Diskussionskultur leben, von der Fraktionschef Frank Schira immer so vollmundig spreche. Es folgte ein Rollentausch. Bürgermeister Christoph Ahlhaus rief zu einer sachlichen Debatte mit abschließender Abstimmung auf. Das ist ungewöhnlich, weil es eigentlich der Fraktionschef sein müsste, der die Interessen der Parlamentarier gegenüber dem Senat vertritt.

Der Austausch sei dann hitzig, aber sachlich gewesen. Vor allem Risiken, die mit einem eigenen Computersystem zur Datenverwaltung verbunden seien, hätten am Ende überzeugt - die Mehrheit stimmte Schira zu.

"Die Fraktionsspitze hat die Tragweite des Themas nicht ausreichend erkannt", sagte die nunmehr ehemalige CDU-Arbeitsmarktexpertin Nathalie Hochheim dem Abendblatt. Ein trockener Kommentar, der tief blicken lässt.

Es ist nicht mehr zu überhören, dass sich CDU-Fraktionsmitglieder über die inhaltliche Schwäche ihres Vorsitzenden beklagen. Frank Schira, der sich intern gerne als "Diener der Partei" bezeichnet, setze lieber auf Harmonieveranstaltungen. Gemeinsame Ausflüge zum Kaffeetrinken statt Diskussionen über den Arbeitsmarkt. "Loyalität herstellen und sichern, das ist sein Fachgebiet", heißt es.

Schira hat es damit weit gebracht: Als gleichzeitiger Chef der Fraktion und der Partei ist er auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Macht. Einige CDUler berichten, Schira sehe sich in der Tradition des einstigen CDU-Landesvorsitzenden Jürgen Echternach. Der operierte mit "Fliegenden Stimmbezirken" - fehlte einem seiner Vertrauten die Mehrheit bei einer Abstimmung, ließ er Mitglieder auf Zeit in den Kreisverbänden eintreten.

Beim neuen Bürgermeister Ahlhaus ist das anders. Auch wenn er mit seiner Außenwirkung zu kämpfen hat, parteiintern gilt er als aufmerksamer Diskussionspartner. "Der versteht Sachthemen, wenn man ihn anspricht", heißt es in Fraktionskreisen. Was selbstverständlich klingt, wird nicht ohne überraschten Unterton berichtet. Da sein, "wenn der Schuh drückt", das will Ahlhaus. Dazu saust er vor allem von einem Termin zum nächsten.

Ein Blick in den Kalender des Bürgermeisters zeigt 70 Termine in den vergangenen eineinhalb Wochen. Dazu Telefonate mit Abgeordneten, Flurgespräche, aufmerksames Nicken hier, Notizen machen dort. Einige CDUler beobachten mit Sorge, dass der Bürgermeister sich verzetteln könnte. Seine überschnellen Äußerungen zur Generalintendanz im Schauspielhaus gelten in Unions-Kreisen als wenig souverän. Und der wohl von der Wissenschaftsbehörde diktierte Passus in seiner Rede, die Uni Hamburg müsse sich auf Schwerpunkte konzentrieren, um nicht weitgehend Mittelmaß zu bleiben, gilt vielen als unüberlegt. Vielleicht hat der Bürgermeister ja zu spät angefangen mit der Vorbereitung der Regierungserklärung - und vor lauter Händeschütteln das Ziel aus den Augen verloren.

Fraktionschef Frank Schira hielt dann übrigens auch noch eine Rede in der Bürgerschaft, praktischerweise nahezu frei von eigenen Akzenten. Der Beifall seiner Fraktion fiel ziemlich mau aus. Er konnte ja auch schlecht selber für sich klatschen.